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Schweiz Schweiz: Eisklettern in Engelberg

Von CHRISTIAN SCHREIBER 16.12.2010, 16:42

Halle (Saale)/MZ. - Blau schimmert das Eis. Nicht weiß. Zum Glück. Also hat es noch die richtige Struktur und Härte. Und so steht Bergführer Sämi Speck am Fuß des gefrorenen Wasserfalls und nickt zufrieden, während er noch einmal kurz seine Ausrüstung checkt. Dann streckt er den Daumen nach oben, packt den Pickel mit der Linken und haut ihn ins Eis. Dann folgt der Pickel in der Rechten, schließlich rammt er die Vorderzacken der Steigeisen rein, die er auf seine klobigen Bergschuhe geschnallt hat. Vorsichtig arbeitet sich der 33-Jährige auf diese Weise nach oben.

Speck kommt schnell voran und so dauert die Demonstration an der 40-Meter-Eissäule nur ein paar Minuten. Anschließend sind wir an der Reihe. Ganz rechts an der Wand gibt es einen Mini-Wasserfall für Anfänger. Uns zittern die Knie, obwohl der Eiszapfen nur zehn Meter hoch ist und wir doppelt gesichert sind. Natürlich hat der Bergführer seine Schützlinge mittels Seil im Griff, und im Fall des eigentlich undenkbaren (Herunter-)Fallens würden wir im meterhohen weichen Schnee landen, der sich am Boden türmt. Vorhin hatten wir die Eispickel, die aussehen wie eiserne Seepferdchen, schon mal in der Hand, um Trockenübungen zu machen. Drei, vier, manchmal sind fünf Versuche notwendig, bis das Ding hält.

Und es dauert auch ein Weilchen, bis man genügend Vertrauen in die Steigeisen hat. Vier Zacken halten 70 Kilo. Die Arme und Hände schmerzen schon bald, deswegen müssen Eiskletterer in Aktion immer wieder Entspannungsübungen machen.

Seit zwei, drei Jahren kommen Gäste nicht mehr nur wegen der schneesicheren Pisten und der zahlreichen Varianten-Abfahrten nach Engelberg, nahe Luzern. Eine neue Touristengruppe macht sich breit: Junges Publikum sucht den Nervenkitzel an den Eiswänden. Am Ende des schmalen Tales, das in einer Sackgasse mündet, bildet sich jedes Jahr ein Eiskletter-Park. Nur wenige Meter von der Straße entfernt gibt es Dutzende Wasserfälle, die am Winterbeginn zu Eis erstarren und lange halten.

Normalerweise müssen Eiskletterer einen hohen Aufwand für ihre Selbstsicherung betreiben, Schrauben ins Eis drehen, um Karabiner und Seil einzuhängen. Im Engelberger Eispark gibt es aber eingerichtete Routen. Die Bergführer verankern Seile und Sicherungen am oberen Wandende, an denen sich jeder einklinken kann. So kann es schon passieren, dass man bei der Skiabfahrt Dutzende bunte Punkte am Gegenhang erblickt, die sich langsam aber kontinuierlich nach oben schieben. Die Einheimischen ziehen sogar nach Feierabend mit der Stirnlampe los.

Wer mit Bergführer Sämi Speck unterwegs ist, entkommt dem ganzen Trubel. Man muss nur einen halbstündigen Fußmarsch mit Schneeschuhen in Kauf nehmen oder mit Varianten-Ski in einen Tiefschneehang einfahren und wird mit Einsamkeit und Ruhe belohnt. Auch jetzt sind nur die kurzen Anfeuerungen des Bergführers zu hören, die er bei unserem ersten Versuch im Eis nach oben ruft.

Nur noch wenige Schläge mit den Eispickeln sind wir vom höchsten Punkt der Route entfernt. Die Anstrengung steht uns ins Gesicht geschrieben, die Wangen sind so rot gefärbt wie der Kletterhelm, der Schweiß rinnt über die Stirn. Als es geschafft ist, erklärt Bergführer Sämi Speck, warum die meisten Anfänger total begeistert sind vom Aufstieg am gefrorenen Wasserfall: "Jeder hat ganz schnell ein Erfolgserlebnis." Eisklettern sei wesentlich einfacher als das Emporsteigen am Fels. Außerdem gehe vom Eis eine ganz besondere Faszination aus. "Es wächst natürlich, und von einem Tag auf den nächsten kann sich eine Route total verändern." Natürlich seien gerade Anfänger durch alpine Gefahren gefährdet. Eiskletterer müssen es laut Speck beherrschen, die Lawinenlage und das Eis richtig zu beurteilen. Und die "Materialschlacht" dürfe auch nicht unterschätzt werden. Die Ausrüstung ist umfangreich und teuer, und der richtige Umgang muss geübt werden. Wer sich einem Bergführer anvertraue, könne sich also viel (er)sparen. Zum Abschluss des Kurses demonstriert der 33-Jährige noch die neuesten Techniken, um sich zu sichern, zeigt, wie man die Schrauben richtig ins Eis dreht.

Kurse für Gruppen ab vier Teilnehmern ab ca. 100 Euro pro Person (ein Tag, zuzüglich Leihgebühr für Material)