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Radreise in NRW Salz auf unserem Weg: Radtour zum „Weißen Gold“

Vom begehrten Rohstoff zum Kurbetrieb: Eine Themenroute in Westfalen entführt in ein spannendes Stück Wirtschaftsgeschichte und erklärt, warum es heute in der Gegend Heilbäder gibt.

Von Bernd F. Meier, dpa Aktualisiert: 24.06.2024, 15:00
Abendstimmung über die Soester Börde bei Möhnesee-Günne.
Abendstimmung über die Soester Börde bei Möhnesee-Günne. Julian Stratenschulte/dpa

Bad Sassendorf - Weißstörche und Reiher gleiten umher. Nachfahren von Wildpferden, die Koniks, und Taurusrinder streifen durchs Grün. In den Feuchtzonen mit ihren vielen Tümpeln entlang der Lippe kann man mit etwas Glück auch Eisvögel und Schwarzmilane entdecken.

Während der Verschnaufpause auf einer Aussichtsplattform vor Hellinghausen im Naturschutzgebiet Lippeaue könnte man vor lauter Artenreichtum das Thema der Radreise fast vergessen: Es geht um Salz - oder das „weiße Gold“, wie das Mineral in früheren Jahrhunderten auch genannt wurde, so begehrt war es.

Schon vor Ewigkeiten wurde in der Region Westfalen Salz gewonnen. Ein Radweg, knapp 90 Kilometer lang, greift die Geschichte auf und führt zu spannenden historischen Stätten. Man hat die Wahl: entweder die volle Distanz zwischen Unna und Salzkotten, die grob entlang der alten Handelsroute Hellweg führt, oder ab Bad Sassendorf ein 56 Kilometer langer Rundweg mit Wellness-Faktor, zu schaffen an einem Tag.

Wir entscheiden uns für die Schleife. Doch bevor es in den Sattel geht, wird der Wissensspeicher aufgestockt. Wer wegen des Themas kommt, sollte einen Besuch der Westfälischen Salzwelten in Bad Sassendorf nicht verpassen.

Salzgewinnung schon vor 7500 Jahren

Das Multimedia- und Mitmach-Museum dokumentiert anschaulich die Geschichte und die Bedeutung von Sole, Salz und Moor in der Gegend. „Salz wurde bereits ab 5500 vor Christus in Werl gewonnen. Das jedenfalls belegen archäologische Zeugnisse“, erzählt Museumsleiterin Jeanette K. Metz ihren Gästen.

In den Städten und Dörfern ließ sich über Generationen mit Salz viel Geld verdienen beziehungsweise ein gutes Leben leben. „Salz ist im Mittelalter ein begehrtes Konservierungsmittel, um Speisen über Monate haltbar zu machen“, sagt Metz.

Entlang der heute sogenannten Westfälischen Salzroute blühte der Handel mit dem weißen Gold. Salz wurde auf Pferdewagen über den historischen Hellweg zwischen Duisburg und Kassel transportiert, übers Wasser wurde es mit kleinen Lastkähnen auf der Lippe flussabwärts bis zum Rhein gebracht.

Als salzhaltige Sole wurde das kostbare Gut aus dem Untergrund gefördert, Wasser- und Windmühlen oder Pferde trieben im Göpel - einer Art übergroßem Hamsterrad - die Pumpen an. In riesigen Siedepfannen wurde das Salz aus der Sole herausgekocht.

Als Holz zum Befeuern der Siedepfannen knapp wurde, wich man auf Gradierwerke aus. Über Schwarzdornbüschel ließ man die Sole abtröpfeln, ein Teil des Solewassers verdunstete dabei, und unerwünschte Bestandteile wie Kalk und Gips blieben am dornigen Gestrüpp zurück.

Wie der Kurbetrieb aufkam

Im 19. Jahrhundert erkannten die Sassendorfer: Aus Sole kann man mehr machen als nur Salz. Ab 1852 kurten Gäste in hölzernen Wannen, Moorpackungen werden verabreicht, Gicht und Rheuma sollten so gelindert werden. Der Kurbetrieb entwickelte sich und wuchs. Seit 1906 trägt Sassendorf „Bad“ im Namen. Seit 1975 ist es staatlich anerkanntes Moor- und Soleheilbad.

Genug Input fürs Erste: Aus dem Museum geht es an die Frischluft aufs Fahrrad, auf die Landstraßen in der Soester Börde. Fruchtbaren Boden beackern sie hier in Westfalens Mitte, die Felder der alten Kulturlandschaft sind ausgedehnt. Auf dem hellen Lößboden gedeihen Zuckerrüben, Futtermais und Weizen. Stattliche Gutshöfe prägen das Bild der Region.

Die Rundtour folgt den Ziffern eines Knotenpunktsystems, gröbere Orientierung gibt ein blau-weißes Piktogramm auf den Schildern: ein Salzkristall. Nach den ersten Kilometern auf dem Sattel gibt sich die Gegend mit wenigen Baumgruppen und versprengten Waldstücken etwas eintönig.

Doch die Sicht ist weit. Bis zu den Ausläufern der sauerländischen Berge kann man schauen. Es geht durch stille Dörfer mit Namen wie Schallern oder Wiggeringhausen.

Nach dem Naturschutzgebiet Lippeaue mit seinen Wildpferden und Vögeln ist der Straßenverkehr in Lippstadt, nächste Etappe, fast schon eine Herausforderung, auch die Beschilderung der Radroute verliert sich etwas.

Eine willkommene Wohltat für uns Radreisende, aber auch für Kurgäste ist daher das beschauliche Bad Waldliesborn, ein paar Kilometer weiter nördlich gelegen. Die Geschichte des kleinen Heilbades begann um das Jahr 1900 mit einem Zufall. Man bohrte nach Kohle und fand stattdessen eine der mineralstoffhaltigsten Quellen Deutschlands. Daran erinnert die große Seilscheibe des Bohrturms im Kurpark.

Seeluft im Kurpark

Der Rundkurs zeigt nach Süden, noch einmal geht es durchs lebendige Lippstadt, diesmal dessen Industriegebiet. Nächster Halt: Bad Westernkotten, staatlich anerkanntes Heilbad ebenfalls seit 1975. Im Kurpark rinnt die Sole an Wänden aus Schwarzdornreisig herab: Zwei Gradierwerke versprühen im gepflegten Kurpark die Sole zu einem feinen, salzhaltigen Nebel - wohltuend für die Atemwege. Das finden die Radtouristen, das finden die Kurgäste.

Eine Fahrradstunde später kommen wir wieder in Bad Sassendorf an, das - man ahnt es - ebenfalls ein Gradierwerk vorzuweisen hat. Einmal in der Woche bietet hier der 80-jährige Dieter Melcher, pensionierter Ingenieur, Führungen unter dem Motto „Mal Seeluft schnuppern im Kurpark“ an.

Woher kommt das Salz, werde er häufig von den Besuchern gefragt: „Wir hatten in der Vergangenheit 23 verschiedene Brunnen, die Bohrungen gingen bis in 900 Meter Tiefe.“ Heute dagegen förderten nur noch zwei Brunnen die salzhaltige Sole. Namenlos, stattdessen kurz und bündig beziffert als Bohrungen Nummer 14 und 18. Den Ehrentitel „Weißes Gold“ würde man Salz heute wohl nicht mehr geben.

Tipps, Links, Praktisches:

Anreise: Mit der Bahn entweder nach Unna oder nach Salzkotten, je nach gewähltem Startpunkt. Wer mit der Regionalbahn kommt, kann sein Fahrrad ohne Reservierung mit in den Zug nehmen, sofern die Stellplätze nicht belegt sind (www.bahn.de; www.eurobahn.de).

Radfahren: Die Salzroute zwischen Unna und Salzkotten führt entlang des Westfälischen Hellwegs, einer wichtigen Heer- und Handelsverbindung im Mittelalter zwischen Rhein und Elbe. Der Abschnitt ist 88 Kilometer lang und wird typischerweise in drei bis vier Tagesetappen gefahren. 170 Höhenmeter gibt es zu bewältigen, für die eine normale Fitness aber ausreicht. Alternativ: die beschriebene 56 Kilometer lange Rundroute ab Bad Sassendorf über Bad Waldliesborn und Bad Westernkotten. GPX-Dateien gibt es auf der Website www.westfaelische-salzroute.de zum Download.

Museum: Die Westfälischen Salzwelten in Bad Sassendorf informieren über den Rohstoff Salz und wie die Menschen ihn seit Jahrtausenden nutzen. Erwachsene zahlen 7,50 Euro Eintritt (ermäßigt 5 Euro; unter sechs Jahren frei). Bis Ende Mai läuft noch die Sonderausstellung „Mythos Moor. Das schwarze Gold“ (www.westfaelische-salzwelten.de).

Unterkunft: Auf Radler eingestellte Betriebe findet man ebenfalls auf der Radrouten-Website, darunter auch vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) zertifizierte Bett+Bike-Unterkünfte.

Weitere Auskünfte: www.nrw-tourismus.de

Social Media: www.instagram.com/westfaelische_salzwelten; www.instagram.com/salzroute;