Selbstversuch mit Le Boat Plötzlich Kapitän auf der Seenplatte - so lief mein erster Familienurlaub mit Hausboot
Ein fast 14 Meter langes Boot über das Wasser steuern – nicht möglich? Doch! Und zwar mit Vermieter Le Boat. Unser Autor hat es mit der „Royal Mystique“ausprobiert.
Rheinsberg - Das Tor geht auf und der Puls geht hoch. „Bitte einfahren“, steht auf der Anzeigetafel. Eigentlich eine einfache Aufforderung, die nun aber zur maximalen Herausforderung wird. Das Boot muss in die Schleuse. Und die ist - zumindest gefühlt - viel zu klein. Als wolle man einen Elefanten in ein Mauseloch zwängen. Aber es bringt nichts. Wer nach Mirow will, muss durch die Schleuse. Und das malerische Seebad ist unser Ziel.
Familienwochenende mit Hausboot, aber ohne Bootsführerschein
Wir sind auf der Mecklenburgischen Seenplatte unterwegs. Normal wäre ein Ferienhaus, diesmal allerdings kann unsere Unterkunft schwimmen. Das Boot hört auf den klangvollen Namen: Royal Mystique. 13,25 Meter lang, 4,1 Meter breit. Ein Luxuswohnmobil auf dem Wasser. Mehr Schiff als Boot. Deswegen die erste Frage: Wo ist die Besatzung? „Welche Besatzung“, fragt Heiko Schmidt mit einem Lächeln im Gesicht. „Das seid doch ihr.“
Schmidt gehört zum Team von Le Boat. Dabei handelt es sich um einen der größten Ferienbootvermieter Europas, der an der Mecklenburgischen Seenplatte zwei Standorte hat: Jabel und die Marina Wolfsbruch (mehr Infos unter: leboat.de). Bei Letzterer steigen auch wir ein. Das Besondere: Um mit dem Schlafkahn durch Kanäle und über Seen zu schippern, braucht man auf der Seenplatte keinen Bootsführerschein und nicht einmal Vorerfahrung. Erster Gedanke: Gewagt, gewagt!
Eine Probefahrt und schon geht es los
Zum Glück lässt Le Boat einen mit dieser Aufgabe nicht allein. Denn um die Regeln der Wasserstraßen und vor allem das Schiff kennenzulernen, gibt es zu Beginn eine begleitete Probefahrt. Wichtigster Teilnehmer: Heiko Schmidt. Er koordiniert die ersten Meter auf unbekanntem Terrain. Und die starten mit der Höchstschwierigkeit: Die Marina ist mit Booten zugeparkt. Es ist voll wie am Samstagvormittag im Einkaufszentrum. Keine Chance, hier nicht nach wenigen Metern bereits wie die Titanic zu enden. Jedoch: „Geht schon“, meint Heiko Schmidt. Und tatsächlich: Das Steuer rotiert, der Gashebel vibriert. Und schon liegt der Heimathafen hinter uns.
Es geht raus auf den ersten Kanal. Die Aufregung am Steuer ist groß, doch Heiko Schmidt glättet die Wogen. Er ist ruhig wie ein windstiller See, ein Zen-Meister der Bootsfahrkunst: „Ein Schiff muss man behandelt wie eine Frau: gefühlvoll“, sagt Schmidt, der Konfuzius der Kapitäne. Den Kanal einmal hoch und wieder retour. Anlegen und dann verkündet Schmidt: „Immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel - und Tschüss.“ Nun sind wir auf uns allein gestellt.
Wobei, so richtig allein ist man auf dem Wasser nicht. Denn die anderen Hobbyschiffer helfen gerne. Achtung und Anstand haben auf den Seen hohe Priorität. Und schnell kommt man am Steuer in eine Art Flow. Die Landschaft links und rechts zieht vorbei. Die Ufer sind grün, die Wildgänse schnattern laut. Elf Kilometer pro Stunde schafft das Boot maximal. Doch so schnell fährt man nie. Reisen auf dem Wasser sind keine Formel-1-Rennen, sondern Entschleunigung pur.
Das Anlegen im Hafen misslingt kolossal - ab dann wird es besser
Erstes Ziel ist Rheinsberg. Das Anlegen im Hafen misslingt kolossal. Merke: Boote kann man nicht wie Autos einparken. Doch der Hafenmeister ist entspannt: „Kein Problem, zusammen bekommen wir das hin.“ Und schwupp, ist alles vertäut. Ein Stadtbummel durch eine pittoreske Stadt: Tucholsky schrieb hier über die Liebe und das Schloss Rheinsberg ist zum Verlieben schön. Ein Eis auf die Hand und zurück an Bord. Die Ausfahrt aus dem Hafen funktioniert besser als die Einfahrt. Erste Lerneffekte setzen ein: Hektik hilft am Steuer gar nichts, denn Boote reagieren langsam. Jede Lenkbewegung wird erst nach zehn, fünfzehn Sekunden spürbar. Geduld ist gefragt. Und hat man die, dann schwebt die „Royal Mystique“ schwanengleich über die Mecklenburger und Brandenburger Seen, die sich wie Perlen auf einer Schnur aneinanderreihen. Der Puls sinkt auf scheintot, so beruhigend ist die Fahrt.
Nur bei den Schleusen schnellt der Herzschlag in die Höhe. Aber mit jeder Einfahrt nimmt die Aufregung ab. Klassiker-Phrase, aber wahr: Übung macht den Meister. Noch eine Beobachtung: Bei der Crew macht sich Seemannssprache breit. Wer von der Sonnenterrasse nach unten geht, sagt nicht: „Ich geh runter“, sondern: „Ich geh unter Deck.“ Ahoi, Matrosen!
So rast das Wochenende dahin wie Wasser einen Wasserfall hinunter. Hausboot fahren ist eine andere, eine herausfordernde, aber auch höchst zwanglose Art zu reisen. Wann immer man möchte, setzt man den Anker oder legt irgendwo an. Mit dieser Gelassenheit, so viel sei zugegeben, haben wir das malerische Mirow nicht erreicht. Gänse, Rotfedern und Fischadler beobachten, Inseln erkunden, Häfen erobern und der immer nahe Sprung ins Wasser waren einfach wichtiger. Aber beim nächsten Mal wird es sicher was. Man muss ja noch Ziele haben.