Ostholstein Ostholstein: Oase unterm Reetdach
Halle (Saale)/MZ. - Trotzig zittert die Reethaube, hartnäckig klammern sich die ruckelnden Fensterläden ans Gemäuer, während der Wind stürmisch an ihnen rüttelt und den Niesel übers Feld treibt. Endlich bleibt die Zeit für Briefe, die längst geschrieben sein wollen, für Bücher, die bislang ungelesen auf dem Nachttisch lagen, für Spiele, die bis in den späten Abend dauern. Und immer wieder wandert der Blick zu den Balken, dem alten Mühlstein und dem riesigen hölzernen Zahnrad.
Im Jahr 1828 wurde die Farver Mühle in der Gemeinde Wangels in Ostholstein errichtet, und man mag sich lebhaft vorstellen, wie sich die Flügel dereinst drehten, der schwere Mühlstein mahlte. Schrot und Mehl wurden bis 1949 säckeweise verladen und mit Fuhrwerken davongebracht. Heute steht die Mühle unter Denkmalschutz und bietet auf vier Etagen Platz für bis zu sechs Personen. Ganz oben und elf enge Stufen weiter unten wird in zwei Schlafzimmern geschlafen, 13 Stufen weiter, im Erdgeschoss, wird gelesen, in Ledersesseln gefaulenzt, und ganz unten wartet eine große Küche auf kochlustige Gäste.
Nicht nur die Bauart, auch die Einrichtung unterscheidet sich von einem normalen Ferienhaus: Die saftig-gelben Sonnenblumen im Schlafzimmer sind echt, zur Begrüßung warten eine Flasche Sekt und Gläser, Bettwäsche und duftende Handtücher liegen bereit, und jeder Besucher scheint für die Nachkommenden etwas hinterlassen zu haben. In der Küche stehen Gewürze wie Ras el Hanout, Fleur de Sel und englisches Curry, Basmatireis, Spaghetti, Kaffee - alles da. Auch in Sachen Technik muss der anspruchsvolle Gast auf nichts verzichten. So gibt es Geschirrspüler, Kühlschrank, Herd, Kaffeemaschine, Mikrowelle und Waschmaschine. Verhagelt mal schlechtes Wetter geplante Ausflüge, stehen TV, Video und eine Stereoanlage bereit.
Pächter Gerd Hammerich nutzt die Mühle selbst als Ferienhaus. Weit hat er es nicht: Er betreibt mit Lebensgefährtin Karin Kügler ein Einrichtungs- und Antiquitätengeschäft auf dem nahe gelegenen Gut Panker, einem Trakehnergestüt mit Hotel, Galerie und einigen Läden, noch immer bewohnt von der Familie von Hessen, die dort seit rund 500 Jahren ansässig ist. Die Farver Mühle ist übrigens in Besitz von Camilla Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont, die mit ihrer Familie das dazugehörige Gut landwirtschaftlich betreibt.
Die Mühle selbst aber gehört bei Gerd Hammerich längst zur Familie. "Die würden wir schon fast mit unserem Leben verteidigen", sagt er. "Die Mühle hat einfach einen guten Geist", ergänzt Karin Kügler. Und so genießen wir dank Wind und Regen guten Gewissens das Faulenzen in dem wohligen Rund zwischen dicken Kiefernbalken und Reetdach. Und später, wenn der Ostseewind auch die letzten grauen Fetzen vertreibt, locken Sonne und blauer Himmel nach draußen zu ausgedehnten Spaziergängen über Felder und am Strand.
In Behrensdorf fliegen Möwen um fest vertäute Fischkutter, die Luft riecht nach Salz und Fisch und sanfte Wellen hinterlassen am Ufer ein welliges Muster. Hier und da zuckeln Drachen als bunte Farbkleckse am Himmel - gut, wer Handschuhe und Schal dabei hat, denn es ist trotz Sonne doch recht frisch.
Und so geht es abends immer mit schniefenden Nasen und roten Wangen zurück in die Mühle, die uns in ihrem runden Bauch mit kuschligen Temperaturen empfängt. Und wir legen die Beine hoch in dem tiefen, braunen Ledersessel und betrachten, während ein Glas Portwein Seele und Magen wärmt, wie sich der Himmel von einem satten Orangerot in ein samtenes Dunkelblau verfärbt, freuen uns auf ein behagliches Essen - und auf die kommenden Tage, gleich, welches Wetter sie bringen und wissen: Wir kommen wieder, spätestens im Mai, Juni, wenn die Mühle in einem Meer aus sattgelbem Raps steht. Wir freuen uns auf die Wanderungen zu den zahlreichen Gütern in der Region und auf lange Fahrradtouren, auf städtische Abwechslung in Lübeck und Plön - vor allem aber auf die kuschligen Abende und ruhig mal einen behaglichen Schlechtwettertag in der Farver Mühle.