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Mülltrennung und Berghain Mülltrennung und Berghain: Das findet der Reiseführer "Lonely Planet" typisch deutsch

Von Rebecca Erken 31.03.2017, 11:27
Typisch deutsch laut „Lonely Planet“: tagsüber fein säuberlich den Müll trennen und nachts im Berghain Orgien feiern. 
Typisch deutsch laut „Lonely Planet“: tagsüber fein säuberlich den Müll trennen und nachts im Berghain Orgien feiern.  imago/Votos-Roland Owsnitzki, dpa

Einst war er die geheime Bibel aller Rucksackreisenden, heute kennt ihn fast jeder Städtereisende: den „Lonely Planet“. Es gibt den australischen Reiseführer mittlerweile zu fast allen Ländern, Metropolen und Regionen weltweit und das in 14 Sprachen. Was ihn von klassischen Reiseführern unterscheidet, ist sein Fokus: Da kann die Frage nach der richtigen Klamotte in einer bestimmten Stadt schon mal bedeutender sein, als deren Gründungshistorie. 

Höchstes Ziel aller Individualreisenden: nicht auffallen

Begierig lesen wir also, wie der typische Bewohner des Brooklyner Stadtteils Williamsburg so tickt, bevor wir nach New York reisen. Denn wenn wir es schaffen, uns so ähnlich zu kleiden und in der richtigen Bar abzuhängen, haben wir das höchste Ziel aller Individualreisenden erreicht: Bloß nicht auffallen. 

Aber was steht eigentlich im „Lonely Planet“ über unser eigenes Land? Wie bereiten die Autoren potenzielle Urlauber auf die Deutschen und ihre Heimat vor? Ja, wie bringt man anderen dieses Land näher, das von Mülltrennung, Autobahnen und Trachten genauso besessen ist wie von FKK, Saufgelagen im Freien und Orgien im Berliner Berghain?

Wir haben mal einen Blick in den „Lonely Planet Germany“ geworfen: 

 „Grundsätzlich geht alles“: Was man in Deutschland so trägt

In einem der ersten Kapitel „First Time in Germany“ ist ein relativ großer Absatz dem anscheinend wichtigen Thema „What to wear“ gewidmet. Ein Punkt, über den sich viele deutsche Urlauber im Ausland leider keine Gedanken machen. So heißt es denn auch gleich zu Beginn:  „Grundsätzlich geht alles.“ Aha, dass wir keine Fashion Victims sind, hat sich also leider schon rumgesprochen. „Wenn Sie sich anpassen möchten, dann denken Sie daran, dass Hamburg, Stuttgart, Frankfurt und München modebewusster sind als, sagen wir, Berlin, Köln oder Dresden.“ Stuttgart? Modebewusst? Jetzt bloß nicht „totlachen“, das wäre wieder sowas von typisch deutsch.

Unser täglich Brot und King Kartoffel: Was man in Deutschland isst

Damit eins klar ist, die Deutschen brauchen zum Überleben: „ihr täglich Brot“, ihre mehr als 1500 verschiedenen Wurstsorten und – natürlich – „King Kartoffel“. „Wenn Sie deutsches Essen mögen, dann werden sie an vielen Orten, die Gelegenheit haben, ihrer Fleisch-Kartoffel-Kraut-Vorliebe zu frönen“, heißt es im Reiseführer. Allerdings hat sich laut Lonely Planet in der letzten Zeit etwas getan in der deftigen deutschen Küche: Heutzutage sei die typische deutsche Cuisine deutlich „leichter, gesünder und kreativer“ und greife auf saisonale und lokale Lebensmittel zurück. Wenn wir ehrlich sind, haben wir uns das bei den Franzosen abgeschaut, aber das muss ja keiner wissen.

Mülltrennung und Berghain-Orgien: Das Doppelleben der Deutschen

Sind das wirklich dieselben Menschen? Diejenigen, die einen zurechtweisen, weil man einen Jogurt-Becher in die graue Tonne geschmissen hat, und diejenigen, die im Berghain, diesem „hedonistischen von Bass-Junkies bevölkerten Drecksloch in einem labyrinth-ähnlichen Ex-Kraftwerk“ tagelang feiern? Das Doppelleben der Deutschen ist jedenfalls berüchtigt: Eine junge Geschäftsfrau, die in der Finanzbranche arbeite, heißt es im Lonely Planet, könne zum Beispiel trotzdem zur Oktoberfestzeit im Dirndl „ausgelassen saufen wie ein Bauer“, um am Montag wieder nüchtern über ihrem Zahlenwerk zu sitzen. Verrückt!

„Eine der besten Partys Europas“: Die fünfte Jahreszeit

Und nichts versinnbildlicht diese Attitüde besser als der Kölner Karneval, „eine der besten Partys Europas, aber ein Dorn im Auge der deutschen Arbeitsmoral“. Fast eine halbe Seite widmet der Reiseführer der Kölner Tradition, die dann im Laufe des Textes sogar zu „eine der besten Partys, die die Welt kennt,“ avanciert.

Tja, was kann es Schöneres geben, als wie eine Sardine eingequetscht in einer Kneipe grölend hin und her zu schwanken? Oder anderen „Verrückten in Kostümen“  zu folgen, die hinter einer großen Trommel herlaufen, hin zu einem Ort, „den nur Gott kennt“? Richtig, nichts.

Unbedingt: Beim Abwasch helfen

Und dann erwacht man langsam aus diesem angenehmen Feierkoma – und soll sofort aufräumen oder abwaschen. So scheinen wir Deutschen dem Lonely Planet zufolge drauf zu sein. Immer mit anbieten, beim Abwasch zu helfen, wenn man eingeladen ist, steht da nämlich bei den „Dos“: Die Deutschen seien „peinlich genau“, was die Hausarbeit angehe. Mhm, klingt nicht so sympathisch.

Geizkragen sind wir auch noch, denn in Deutschland sei es nicht üblich, dass man im Café ein kostenloses Glas Leitungswasser bekomme, warnt der Lonely Planet. „Spendabel“ zeigen wir uns dagegen, wenn es um Soße, Mayonnaise oder Quark geht. Da müsse man in Restaurants nämlich beim Bestellen drauf hinweisen, damit das eigentliche Gericht nicht nachher in Soße versinke. Auch das noch. Außerdem darf man sich nie – selbst wenn er frei ist – an den Stammtisch setzen. Wirklich niemals.

Keine Angst, wir wollen nur Bier trinken

Was man sonst noch über die Deutschen sagen kann? Natürlich sind wir super im Fußball, unsere große Liebe (Bier) kann man trinken und wenn es für uns ein unumstößliches Gesetz gibt, dann ist es das Reinheitsgebot. Ach ja, und wir sind eine „low context“-Kultur, also eher einfach gestrickt, und sagen tatsächlich, was wir meinen. Und das nehmen wir uns noch nicht einmal selbst übel. Unverschämtheit.

Aber von all dem braucht Ihr Euch nicht verunsichern zu lassen, liebe Deutschland-Urlauber. Früher oder später liegen wir uns sowieso Bier trinkend in den Armen, vorausgesetzt natürlich, ihr helft am Morgen danach beim Abwasch.