Versorgung in der Wildnis Lange Trekkingtouren: Dieses Essen sollte in den Rucksack
Wer über Tage abseits der Zivilisation unterwegs ist, dem darf die Energie nicht ausgehen. Die Ernährung spielt dabei eine zentrale Rolle. Fachleute geben Tipps, was man einpackt - und was nicht.
Köln/Stuttgart - Ob im Fjell Skandinaviens oder in der kanadischen Tundra: Auf Wandertouren durch einsame Wildnis sind Hütten oder gar Supermärkte Fehlanzeige. Was man an Verpflegung benötigt, muss man also im Rucksack mitschleppen. Weil Schleppen das Stichwort ist, gilt dabei: Jedes Kilo zählt.
Nicht nur deshalb ist es wichtig, seinen Bedarf realistisch zu kalkulieren - und auf Lebensmittel zu setzen, die wenig Platz wegnehmen, aber viel Energie liefern. Was packt man also ein? Ein Outdoor-Profi und eine Ernährungswissenschaftlerin geben Tipps - die nicht nur für Trekkingtouren abseits aller Zivilisation nützlich sind.
Wie plant der Profi seine Tour?
Boris Gnielka vom Fachmagazin „Outdoor“ ist schon von Berufs wegen viel auf langen Trekkingtouren – und auch privat am liebsten in der Natur. Bei der Planung schaut der Profi, wie viele Tage er unterwegs ist, ohne etwas nachkaufen zu können.
Sein Menü auf den Touren sieht so aus: Für morgens Müsli und Kaffee, mittags ein paar Riegel oder Studentenfutter, abends dann ein warmes Tütenessen, das mit heißem Wasser aufgegossen wird. „Das ist ein sehr effizientes Gericht, auch mit Blick aufs Gewicht“, sagt Gnielka. Denn Wasser gibt's unterwegs in der Regel im Überfluss. Wer Konserven mitnimmt, Dosenravioli etwa, schleppt indes das Wasser mit, was in dem Gericht ist – Ballast. Bei langen Trips zählt aber jedes Kilogramm.
Gnielka rechnet für sich pro Person und Tag so: 200 Gramm Müsli, ungefähr 200 Gramm Riegel und Nüsse und rund 200 Gramm Tütengericht. Das macht 600 Gramm am Tag – auf einer Zehntagestour sind das sechs Kilogramm Proviant.
Er verstaut den Proviant aufgeteilt im Rucksack: Beutel für Frühstück, Beutel für Mittag, Beutel für Abend. Sein Tipp sind wiederverschließbare Gefrierbeutel. Sie schützen das Essen einerseits vor Nässe, und andererseits vor dem Aufreißen – etwa, wenn ein Topf im Rucksack an den Tüten mit den Nüssen oder den Abendessen scheuert.
Auch wichtig: Möglichst Lebensmittel mitnehmen, die wenig Verpackungsmüll verursachen. Denn in der Wildnis gibt es nur selten Abfalleimer – Müll schleppen Wanderer also mit, bis die nächste Entsorgungsmöglichkeit kommt. Vorteilhaft, wenn man von vornherein wenig Abfall produziert. Auch in diesem Punkt sind Konserven eher unpraktisch.
„Wenn man zum ersten Mal losgeht, nimmt man mit ziemlicher Sicherheit zu viel mit“, sagt Gnielka. Das Wichtigste bei Planung und Packen sei, sich wirklich auf das Notwendige zu beschränken. „Denn mit der Zeit kann ein zu schwerer Rucksack wirklich ganz schön unangenehm werden.“
Welche Lebensmittel sind empfehlenswert für längere Touren?
Getreideprodukte wie Couscous, Bulgur, Nudeln und Reis, aber auch Hülsenfrüchte. Ebenso Gemüse. Grundsätzlich sollte die Energie vorwiegend aus komplexen Kohlenhydraten kommen, sagt Ernährungswissenschaftlerin Lotte Meyberg von der Deutschen Sporthochschule Köln. Als gute Proteinlieferanten sind neben pflanzlichen Lebensmitteln wie Bohnen, Linsen und Kichererbsen auch tierische Produkte wie Trockenfleisch geeignet.
Es ist aber auch wichtig, schnell verfügbare Energie mitzunehmen. Zuckerhaltige Lebensmittel also, etwa Trockenfrüchte, Müsliriegel oder ein Stück Schokolade. Ebenso spezielle Kohlenhydrat-Gels.
Sie sind nicht nur willkommene Belohnung am Ziel (Stichwort: Schoki), sondern notwendige Hilfsmittel, wenn unterwegs ein Hungerast droht. Dieses Schwächegefühl, verbunden mit Muskelzittern und Heißhunger, tritt laut dem Deutschen Alpenverein auf, wenn der Blutzuckerspiegel absinkt.
Was kann spezielles Trekking-Essen aus der Tüte?
Natürlich gibt es Tütengerichte aus dem Supermarkt für vergleichsweise wenig Geld. Boris Gnielka jedoch bevorzugt spezielle Trekkingmahlzeiten von Herstellern wie Blå Band, Firepot, Forclaz, Lyo Food, Trek'n Eat, Tactical Foodpack, Trail Organic Food oder Travellunch. Mit gut 8 bis 13 Euro für Abendmahlzeiten liegen sie schon fast auf Hüttenessen-Niveau. Doch sie haben ihre Vorteile, wie der Fachmann sagt.
Zum einen sind sie hinsichtlich ihrer Nährwerte auf die Bedürfnisse von Sportlerinnen und Sportlern ausgerichtet. So haben die Tütengerichte meist einen ausreichenden Eiweißgehalt und liefern ordentlich Kohlenhydrate, die man nach langen Touren braucht, um seine Energiereserven aufzufüllen.
Zum anderen ist ihre Zubereitung einfach. Man muss nur Wasser aufkochen und dann in die Tüte schütten. Sie wird verschlossen, das Essen zieht darin.
Übrigens: Die geschmackliche Bandbreite bei diesen Gerichten ist erstaunlich groß und reicht von klassischen Speisen wie Spaghetti Bolognese, über Gulasch-Varianten bis zu Curry-Gerichten und Risottos.
Der Preis des Trekkingessens ist gepfeffert
Kauft man für die Zehn-Tages-Tour Tütengerichte ein und zahlt dafür im Schnitt zehn Euro pro Mahlzeit, ergibt das 100 Euro. Das ist schon eine Menge. Gnielka argumentiert dagegen so: Auf Trekkingtouren in der Wildnis fallen keine Hotelkosten an und für Restaurantbesuche gibt man auch nichts aus. „Man spart also viel Geld“, sagt er. Das relativiert die vergleichsweise hohen Ausgaben für die abendliche Trekkingmahlzeit.
Dennoch geht es auch günstiger: „Bevor man aber so ein so furchtbares Fertigessen aus dem Supermarkt als Alternative kauft, würde ich lieber versuchen, mit eigenen Zutaten zu arbeiten“, sagt Gnielka. Man müsse ja keine Nudeln mitnehmen, die lange kochen müssen. Stattdessen empfiehlt er Instantnudeln, Couscous, Bulgur, Polenta und rote oder gelbe Linsen. Und dazu Nüsse und getrocknetes Gemüse, etwa Tomaten und Pilze.
Doch bitte keine Einheitskost: „Das beste Gericht schmeckt nach dem dritten Tag nicht mehr“, sagt Gnielka. Zumindest am Abend sollte der Speiseplan etwas Abwechslung bieten.
Braucht es einen Wasserfilter?
Empfehlenswert ist er, um unterwegs Wasser fürs Trinken und Kochen aufzubereiten. Denn mitunter können auch im klarsten Gebirgsbach fürs Auge nicht sichtbare Keime schwimmen – dann endet die Wandertour schlimmstenfalls vorzeitig, weil man gesundheitliche Probleme bekommt. Gnielka zufolge gibt es inzwischen sehr leichte Filter zu kaufen. Daher gibt es eigentlich keine Argumente gegen einen Wasserfilter im Gepäck.
Wie viel Energie braucht man unterwegs?
Für die Frage, wie viel Verpflegung in den Rucksack kommt, ist der eigene Energiebedarf maßgeblich. Und der Energiebedarf lässt sich ausrechnen.
Etwa mit der sehr umfassenden Pandolf-Formel. Oder, in dem man den PAL-Wert als Basis nimmt, der ein Maß für die körperliche Aktivität darstellt. Der PAL-Wert wird zum sogenannten Ruheenergieverbrauch als Faktor dazu multipliziert.
Sie steigen jetzt schon aus? Nicht so schnell!
Allen, die weder komplizierte Formeln noch umständliche Rechnungen mögen, gibt Ernährungswissenschaftlerin Meyberg folgende Richtschnur an die Hand: „Bei Wanderungen kann man grob mit vier Kilokalorien pro Kilogramm Körpergewicht und Stunde rechnen.“ Das ist der Energieverbrauch während der Aktivität. Während Pausen oder beim Schlafen braucht der Körper auch Energie, etwa zum Atmen oder Regeln der Körpertemperatur. Dieser Bedarf ist wesentlich geringer. Grob können normalgewichtige Wanderer hier eine Kilokalorie (kcal) pro Kilogramm Körpergewicht und Stunde rechnen.
Ein Rechenbeispiel: Ist man 75 Kilogramm schwer und wird laut der Tourenplanung rund acht Stunden am Tag wandern, wären das 2400 kcal an Energie, die der Körper dann braucht (75 kg x 4 kcal x 8 h). Die 16 Stunden Ruhephasen kommen mit 1200 kcal dazu (75 kg x 1 kcal x 16 h). Macht in Summe also einen Tagesbedarf von 3600 kcal.
So kann man die Menge an Verpflegung grob planen, die mit auf Tour genommen werden sollte. Bei den meisten verpackten Lebensmitteln steht die Energiedichte in kcal pro 100 g drauf. Für Obst und Gemüse liefert die Energiedichte-Tabelle der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) Richtwerte, die auf der DGE-Website abrufbar ist. (http://dpaq.de/tp2LV)
Wichtig: Faktoren wie Alter und Geschlecht beeinflussen den Energiebedarf. Ebenso wie etwa das Gewicht des Gepäcks oder die Schwierigkeit einer Tour - etwa mit vielen, langen Anstiegen. Die beschriebene Rechnung gibt also nur eine einfache Orientierung. Wer es genauer wissen will, kommt nicht umhin, sich in speziellere Formeln zu vertiefen.
Warum ist es wichtig, den groben Energiebedarf zu kennen?
Bekommt der Körper nicht genug Energie, schaltet er irgendwann auf eine Art Notbetrieb um. Das macht ihn unter anderem anfälliger für Infekte. Zudem zehrt er von der Muskelmasse, wenn er während der Wanderung nicht genügend Proteine zur Verfügung hat, wie Meyberg erklärt. Damit das nicht passiert, rät sie: „Das Kaloriendefizit sollte nicht größer als rund 500 Kilokalorien von dem errechneten Tagesbedarf sein.“