Lago Maggiore Lago Maggiore : Dem Frühling entgegen
Locarno/MZ - nfDas mit dem Winter kann bei uns noch dauern, wie man hört. Zeit, sich in Gegenden voller Sonne und Wärme zu träumen. Oder gleich für ein paar glückliche Ferientage dem Frühling entgegen zu düsen. Ins Tessin zum Beispiel, an den Lago Maggiore. Seit je ist das ja einer dieser magischen Sehnsuchtsorte für Winterflüchter aus dem Norden. Gelegen da, wo die Schweiz schon fast Italien ist.
„Wir sind ja auch irgendwie Italiener, jedenfalls mental und kulturgeschichtlich“, meint denn auch Maria Pia Aerne. „Politisch und wirtschaftlich natürlich Schweizer. Und geologisch – da sind wir Afrikaner“, setzt sie hinzu und lacht über unsere verblüfften Mienen. Die zierliche Fünfzigerin mit den schwarzen Locken zeigt Gästen ihre schöne Heimat in einer charmanten Mischung aus Schweizer Gründlichkeit und italienischem Temperament. Mit ihr sitzen wir bei Espresso und Kastanienkuchen an der Promenade von Ascona. Weit hinter der pastellfarbenen Häuserkulisse grüßen schneebedeckte Gipfel. Ein paar Schritte vor uns plätschern die Wellen des Lago Maggiore.
Brissago-Inseln: Saison 2013 vom 20. März bis 28. Oktober, täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt acht Euro (Erwachsene) bzw. 2,50 CHF (Kinder bis 16 Jahre). Schiffsverkehr von Ascona, Porto Ronco und Brissago.
Tipp: Kamelienfest vom 20. bis 24. März in Locarno, wo im größten Kamelienpark Europas rund 900 Sorten blühen.
Informationen: Schweiz Tourismus, Rossmarkt 23, 60311 Frankfurt, Tel. 00800/100 200 29,
E-Mail: [email protected]
Im Internet:www.ticino.chwww.myswitzerland.com
Das fröstelig-graue Daheim ist unterm blanken, blauen Tessiner Himmel weit weg. Afrika übrigens auch. Und doch ist das milde Klima, das wir hier genießen, quasi ein Geschenk des schwarzen Kontinents. So klärt uns Maria Pia auf und erzählt von geologischen Verwerfungen vor Jahrmillionen, einer großen afrikanischen Landplatte, die Richtung Europa trieb und jene Berge schuf, die die Gegend vor den kalten Nordwinden schützen. So ist das Tessin mit mehr Sonne und Wärme gesegnet als jede andere Schweizer Gegend. Ganz wie gleich nebenan in Italien.
Kein Wunder, dass es Nordlichter wie uns seit je hierher zog. Nicht wenige Promis darunter. Schon seit Anfang des 19., mehr noch im 20. Jahrhundert machten Künstler und Lebenskünstler, die Reichen und Schönen die Orte am Ufer des Lago zu mondänen Hotspots. Schon der Schriftsteller Stendhal hatte geschwärmt: „Wer ein empfindsames Herz hat, verkauft auch noch sein letztes Hemd, um an den Lago Maggiore zu gelangen.“
Manche sind gleich für immer hiergeblieben. Wie Erich Maria Remarque. Der schrieb hier aus seinem Haus in Ronco (vergebliche) Liebesbriefe an Marlene Dietrich und holte schließlich die Hollywood-Mimin Paulette Goddard als seine letzte Frau in das Refugium in den Hügeln. Über steile, enge Serpentinen gelangt man zum Friedhof von Ronco, wo das Paar seine letzte Ruhestätte fand. Mit Traumblick über den See, wie ihn der Ästhet und Lebemann Remarque so gerne von der Terrasse seiner Villa genoss. Die steht jetzt zum Verkauf. Als Spekulationsobjekt, dem womöglich der Abriss droht. Remarquefreunde wollten das Anwesen als museales Begegnungszentrum retten – bislang vergeblich. Das hier ist schließlich einer der teuersten und begehrtesten Immobilienplätze der Schweiz.
Vor jeglicher Spekulanten-Gier bewahrt bleiben die Brissago-Inseln. Verlockend wie Schmuckstücke liegen sie im See. In Sichtweite vor Porto Ronco und dem Ort Brissago, dem sie ihren Namen verdanken. Das kleinere Eiland mit seiner ursprünglichen Vegetation dient Forschungszwecken und ist nicht öffentlich zugänglich. Die Isola Grande nebenan jedoch empfängt in der Saison täglich Besucherscharen. Sie kommen per Schiff und landen geradewegs im Garten Eden des Tessin. Gar nicht mal so groß ist die Insel mit ihren zweieinhalb Hektar. Bequem zu erlaufen. Doch braucht man weit länger als erahnt für einen Spaziergang auf den verschlungenen Wegen, über Stufen und Terrassen. Denn unterwegs locken mehr als 1 700 Pflanzenarten aus allen Kontinenten zum Schauen, Schnuppern und Schnappschüsse machen. Eine Weltreise durch die Botanik!
Viele seltene, auch merkwürdige Gewächse sind darunter. Da leuchten die grellgelben Blüten des aus Kalifornien stammenden Flanellstrauches. Wer sie anfasst, verspürt tatsächlich dieses flaumige Stoffgefühl. Die Früchte des Johannisbrotbaumes dagegen werden noch heute in Italien zu einer Art Kakao vermahlen, während die winzigen Kerne (it. carato) in der Antike als Wägeeinheit für Gold und Diamanten genommen wurden, was zum heutigen „Karat“ wurde. Die Natur steckt hier voller Geschichten…
So wie die Insel überhaupt. Ihre botanische Pracht verdankt sie einer schillernden Dame, die angeblich als uneheliche Tochter der Zarenfamilie entstammen soll. Diese Baronin Antoinette de Saint-Léger hatte 1885 mit dem Geld ihres dritten Ehemannes die Inseln gekauft. Damals befand sich darauf nur eine überwucherte Klosterruine. Die Baronin ließ eine Villa bauen, Erdreich und Pflanzen und Bäume aus aller Welt herbringen.
In ihrem Salon verkehrten Künstler wie James Joyce und Rainer Maria Rilke. Und wohl auch mancher Liebhaber. Es heißt, dass ihr Mann sie wegen ihres Lebenswandels verließ. Sie verarmte, musste die Inseln 1927 verkaufen und starb 1948 als Sozialhilfeempfängerin.
Käufer der Insel war der Geschäftsmann Max Emden, dem unter anderem das Berliner KaDeWe gehörte. Seine Leidenschaft galt weniger der Gärtnerei als dem Dolce Vita. Neben einem prächtigen Palais ließ der Frauenliebhaber einen Pool im römischen Stil errichten. Einst Schauplatz freizügiger Partys, zeigt der sich heute als stilles, romantisches Gewässer. Nach Emdens Tod verkauften seine Erben die Inseln an den Kanton Tessin. So ist das Refugium seit 1940 in öffentlicher Hand. Im „Palazzo Emden“ kann man heute in noblen Räumen übernachten, tagen und feiern, auch heiraten. Oder als Tagesgast nach dem Parkrundgang auf der Restaurant-Terrasse feinste Tessiner Küche und ebenso Wein genießen. Inklusive Traumblick über den See und diese wahrhaftige Isola bella im Lago Maggiore.