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Kritik an Erdogan Kritik an Erdogan: Darf ich im Türkei-Urlaub noch offen über Politik reden?

Von Katharina Klöber 26.04.2016, 13:05
Fotos in der Istanbuler Innenstadt machen? Ja. Öffentlich über Erdogan schimpfen? Besser nicht.
Fotos in der Istanbuler Innenstadt machen? Ja. Öffentlich über Erdogan schimpfen? Besser nicht. imago stock&people

Spätestens seit der Staatsaffäre um das Schmäh-Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann ist jedem klar: Nicht nur in der Türkei selbst gibt es keine Presse- und Meinungsfreiheit. Auch kritische Äußerungen von Ausländern gegenüber Präsident Erdogan und seinem Regime werden strafrechtlich verfolgt.

Zwar ist die Meinungsfreiheit auch in anderen Ländern stark eingeschränkt. In Thailand etwa gelten hohe Haftstrafen bei Majestätsbeleidigungen, in Kenia ist es verboten, Geldscheine mit dem Konterfei des Präsidenten zu verschandeln. Im Gegensatz dazu gilt die Türkei, die sich seit Jahren um einen Beitritt zur EU bemüht, als modernes, westliches Land.

Viele Deutsche, die als Stammgäste regelmäßig in der Türkei Urlaub machen, fragen sich aufgrund der zunehmenden Terrorgefahr, ob das Land am Mittelmeer als Reiseziel noch attraktiv ist. Zahlreiche Touristen sind inzwischen aber auch verunsichert, ob sie ins Fadenkreuz der türkischen Justiz geraten könnten, wenn sie vor Ort eine unbedachte Äußerung machen.

Dass diese Sorge nicht unbegründet ist, legt eine Warnung des Auswärtigen Amts in Berlin nahe. In seinem Reisehinweis zur Türkei schreibt die Behörde: „Es wird dringend davon abgeraten, in der Öffentlichkeit politische Äußerungen gegen den türkischen Staat zu machen beziehungsweise Sympathie mit terroristischen Organisationen zu bekunden.“

Politische Meinungsäußerung ist gefährlich

Doch was genau bedeutet diese Formulierung für Urlauber? „Der Hinweis stellt eine umfassende Warnung vor jeglicher politischer Meinungsäußerung dar“, sagt Holger Hopperdietzel, auf Reise- und Tourismusrecht spezialisierter Rechtsanwalt aus Wiesbaden. Dazu gehörten Äußerungen über die türkische Politik, den türkischen Staat oder die Repräsentanten des Staates sowie Äußerungen über Gruppen wie die PKK oder ähnliche.

Da es für Urlauber schwierig zu beurteilen sei, wann sie den gerade noch erlaubten Bereich verlassen, rät er: „Man sollte die Formulierung des Auswärtigen Amtes sehr genau beachten. Ich würde derartige Äußerungen unterlassen.“

Nächste Seite: Was Urlaubern droht, wenn sie sich nicht an die Warnung halten.

Welche Folgen drohen, wenn sich Urlauber nicht daran halten? „Das dürfte schwierig zu beurteilen sein, da einerseits gegebenenfalls türkisches Strafrecht zur Anwendung gelangt und andererseits noch nicht einmal sicher ist, ob die Regelungen im türkischen Strafrecht eingehalten oder möglicherweise weit überzogen angewendet werden.“

Kay Rodegra, Rechtsanwalt und Dozent für Reise- und Luftverkehrsrecht aus Würzburg, weist darauf hin: „Wenn man erst einmal polizeilich überprüft wird, kann das viel Ärger für einen Urlauber bedeuten. In der Türkei fällt eine Überprüfung gegebenenfalls etwas drastischer aus. Und eine Untersuchungshaft in der Türkei ist nicht so „angenehm“ wie in Deutschland.“

Maulkorberlass im übertragenen Sinne

Kurz und knapp zusammengefasst heißt das: Urlauber in der Türkei sollten zum eigenen Schutz nicht über Politik sprechen. Ansonsten drohen polizeiliche Ermittlungen und Festnahmen. Auf diese Weise betrachtet, wirkt die Warnung des Auswärtigen Amtes für Deutsche, die es gewohnt sind, ihre Meinung frei äußern zu können, wie ein Maulkorberlass. „Einen Erlass stellt der Hinweis sicherlich nicht dar, denn diese müssen befolgt werden“, erklärt Holger Hopperdietzel, fügt aber hinzu: „Es ist allerdings zutreffend, dass die Empfehlung ausgesprochen wird, die eigene Meinung nicht zu äußern, so dass die Bezeichnung „Maulkorberlass“ im übertragenen Sinne richtig ist.“

Dessen müssen sich Urlauber, die in diesem Sommer trotz der angespannten Situation in die Türkei reisen möchten, also bewusst sein. Rechtsexperte Hopperdietzel fasst das so zusammen: „Wer in der Türkei Urlaub machen möchte, sollte die Schönheit des Landes und das Meer genießen und freundlich mit den Menschen kommunizieren.“