Bärenzähmung und Bierpremiere Jubiläumsjahr: Freising feiert 1300 Jahre Korbinian
Als im 8. Jahrhundert ein Wandermönch die Stadt Freising zum Bischofssitz erhob, existierte München noch nicht. Heute steht sie im Schatten der Landeshauptstadt. Das ist in diesem Jahr anders.
Freising - Es ist der Part in der Legende um Korbinian, der auch in einem Action-Abenteuer vorkommen könnte: Auf einer Pilgerfahrt nach Rom wird der Heilige in den Alpen von einem Bären überfallen, der sein Packpferd reißt. Wie durch ein Wunder kann er das Raubtier zähmen.
Bis nach Rom schleppt der Bär anschließend das Gepäck des Korbinian. Der Bär schmückt noch heute das Freisinger Stadtwappen, und Korbinian ist Schutzpatron des Erzbistums München. Im frühen 8. Jahrhundert soll es sich so zugetragen haben.
Etwas später dann war der Wanderbischof Korbinian dem Ruf der Agilolfinger-Herzöge nach Freising gefolgt. Sie herrschten damals über ein Land, das sich zeitweise bis Südtirol, Oberösterreich, Kärnten und Slowenien erstreckte. Korbinian wurde der erste Bischof von Freising und Freising mit ihm zum Bischofssitz. Das festigte die Machtposition der Herzöge.
Der genaue Zeitpunkt von Korbinians Ankunft lässt sich heute nicht mehr genau nachvollziehen. Jahrhunderte später legte sich ein Kirchenhistoriker auf das Jahr 724 fest. Alle 100 Jahre erinnert man sich in der Kreisstadt an diesen Schlüsselmoment der eigenen Geschichte, so auch 2024 mit einem Blick um 1300 Jahre zurück. Für das Jubiläum hat sich Freising mit zahlreichen baulichen Maßnahmen herausgeputzt.
Der Dom erstrahlt in neuem Glanz, in der Altstadt mit ihren barocken Prachtbauten sind die meisten Renovierungsarbeiten rechtzeitig fertig geworden. In den vergangenen Jahren wurde die Moosach wieder freigelegt. Der Nebenfluss der Isar war im ausgehenden 19. Jahrhundert im Stadtbereich baulich überdeckt worden. Auf Stufen am Ufer lässt sich seit der „Moosach-Öffnung“ entspannt verweilen. Und über allem thront der Domberg. In diesem Jahr ist er erstmals über einen Aufzug erreichbar.
Nur für kurze Zeit: die Korbiniansquelle
Zunächst lockt aber eine andere Erhebung. Westlich der Innenstadt flankiert der Weihenstephaner Berg die Stadt. Ein steiler Weg führt an gepflegten Gärten hinauf. Hier sind auch Studierende zu ihren Vorlesungen unterwegs. Das einstige Kloster ist seit 1971 Hauptsitz der Fachhochschule Weihenstephan.
Auch für Korbinian spielte der Berg eine wichtige Rolle. Hierhin zog er sich als Bischof zurück, wenn ihm der Trubel auf dem Domberg zu viel wurde. Gelegenheit zum Durchatmen bietet der Campus noch heute inmitten historischer Gebäude und viel Natur.
„Wenn man Glück hat, sieht man die Berge“, sagt Ingo Bartha, Kulturamtsleiter der Stadt und zeigt in Richtung Horizont, wo sich die Alpen abzeichnen. An der Flanke des Weihenstephaner Bergs verbirgt sich in einer kleinen Höhle die Korbiniansquelle. Eigentlich für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, soll die Quelle, die der Heilige entdeckte, in diesem Jahr zu besichtigen sein. Leise tröpfelt das Wasser im Zwielicht, ein Ort mit fast meditativer Stimmung.
Kontrastprogramm ist der prachtvolle Dom auf dem Domberg, nächster Stopp während des Stadtrundgangs. Das Westportal mit seinen gestaffelten Halbsäulen markiert den Eingang zum Kirchenschiff, Licht fließt über die großen Deckenfenster. Sie setzen das riesige Deckengemälde der Gebrüder Assam ins rechte Licht.
Wiedereröffnung der Krypta
Unterhalb des Kirchenschiffs wird gerade noch gearbeitet. Domrektor Marc-Aeilko Aris öffnet den Reißverschluss des Staubvorhangs und führt in den ältesten Teil des Doms, die Krypta. In dem Säulenwald leuchtet bereits ein Teil der vom Kerzenruß geschwärzten Steine in ursprünglichem Weiß.
Mit dem Jubiläum ist die Krypta für die Öffentlichkeit wieder dauerhaft geöffnet. Andere Orte im Dom werden nur vorübergehend zugänglich sein. Wer den Fürstengang, ein Verbindungskorridor vom Dom zur ehemaligen Fürstbischöflichen Residenz, entlangschreiten möchte, muss in diesem Jahr kommen.
Seit 2022 ist ein weiteres Gebäude auf dem Domberg Besuchermagnet: Nach neun Jahren Umbauzeit und einer Investition von rund 50 Millionen Euro hat sich das Diözesanmuseum, kurz DIMU, in kürzester Zeit einen Namen weit über die Grenzen der Stadt hinaus gemacht.
Die Generalsanierung eröffnete die Möglichkeit, ein völlig neues, zeitgemäßes Konzept auszuarbeiten. Das Museum im ehemaligen Knabeninternat versteht sich als modernes, offenes Haus - eine Idee, die sich auch in der Architektur der geöffneten Wände widerspiegelt.
Es sind lichtdurchflutete, großzügige Räume auf drei Etagen, in denen die Exponate nicht nur Kirchenhistorie abbilden, sondern den Sinn des Lebens beleuchten sollen. „Wir erzählen eine Geschichte und folgen deshalb keiner chronologischen Abfolge“, erklärt die stellvertretende Museumsdirektorin Carmen Roll, die mit Christoph Kürzeder das Haus leitet.
Diese Offenheit prägt auch das übrige Ausstellungsprogramm. So nimmt die Schausammlung nur eine Etage des Hauses ein. Wechselnde Sonderausstellungen ergänzen das Programm.
Im Jubiläumsjahr wird das Haus der Bayerischen Geschichte mit seiner Landesausstellung unter dem Titel „Tassilo, Korbinian und der Bär“ hier eine temporäre Heimat finden. Sie ordnet Korbinian in größere Zusammenhänge ein und rückt die damaligen Herrschaftsverhältnisse in den Blick. Einige Funde werden erstmals der Öffentlichkeit präsentiert - so der kostbare Tassilo-Kelch, eines der wertvollsten Kunstwerke der bayerischen Geschichte.
Lichtkapelle und Bier-Tasting
Nicht verpassen darf man auf jeden Fall die Kapelle, die Lichtkünstler James Turrell für die Dauerausstellung im DIMU geschaffen hat. Nur mit Überziehschuhen darf der reinweiße Raum betreten werden, der mit seiner Tiefenwirkung und den genau programmierten Farbwechseln in Sekundenbruchteilen in den Bann zieht. Carmen Roll findet, der Raum strahle eine Energie aus, die tief berühre: „Das, was passiert, passiert in einem.“
Wer möchte, kann sich nach dieser Selbsterfahrung im angrenzenden Museumscafé stärken - und von dort den Blick über die Stadt und hinüber zum Weihenstephaner Berg genießen, den Korbinian maßgeblich prägte. Dort gründete er 725 ein Benediktinerkloster, wo Mönche bald Bier brauten. Heute hat auf dem Weihenstephaner Berg die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan ihren Sitz, die als älteste Brauerei der Welt gilt.
Dass sie dennoch mit der Zeit geht, hat auch damit zu tun, dass auf dem Berg der Studiengang Brauwesen und Getränketechnologie zu Hause ist. Studentinnen wie Henrike Carell verraten beim Bier-Tasting nicht nur etwas über die verschiedenen Biersorten und die modernsten Techniken des Brauens. Gern erzählen sie auch vom Studentenleben in der Stadt. Denn mit 17 000 Studierenden ist Freising nicht nur eine Stadt mit Tradition - sondern eine junge dazu.
Links, Tipps, Praktisches:
Reiseziel: Freising liegt etwa 40 Kilometer von München entfernt, die Stadt hat rund 50 000 Einwohner.
Anreise: Über die A9 und die A92 ist Freising mit dem Auto erreichbar. Regionalzüge der Deutschen Bahn halten im Bahnhof Freising, der Flughafen München ist in rund 25 Minuten per Bus erreichbar.
Jubiläumsprogramm: Mitte März wurden die Feierlichkeiten offiziell gestartet, das Festjahr und endet mit dem Korbiniansfest am 25. November 2024. Ein Höhepunkt wird am 15. September ein historischer Jubiläumsumzug durch die Innenstadt sein. Das Programm und weitere historische Hintergründe finden sich unter www.korbinian2024.de.
Weitere Auskünfte: Infos unter anderem zu Unterkünften und Führungen beim Referat Kultur und Tourismus der Stadt Freising (https://tourismus.freising.de).
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