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Italien Italien: Auf Messners Burgen

Von EKKEHART EICHLER 19.05.2011, 20:07

Halle (Saale)/MZ. - Blowin' in the wind" hat die Besucher hergelockt. Wie ein akustischer Ariadne-Faden wies ihnen Bob Dylans Lied den Weg durch das vertrackte Labyrinth bis in diesen düsteren Turm. Nur spärlich sickert graues Licht durch ein kleines Fenster auf raue Wände, die übersät sind mit Schwarz-Weiß-Fotos. Porträts von vielen Männern und wenigen Frauen, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind tot! Auf tragische Weise gescheitert beim Versuch, Berge zu bezwingen oder bezwungene Berge wieder zu verlassen. Gescheitert an Eisspalten, Lawinen, Wetterkapriolen. Gescheitert aber oft auch an sich selbst.

"Wie viele Tode muss es noch geben, bis man begreift, dass schon zu viele gestorben sind" - alle paar Sekunden hallt Old Bobs apokalyptische Frage aus seinem wohl berühmtesten Song durch den zellenartigen Raum. Aufwühlende Klage und intensive Beschwörung zugleich - ein Mantra an die unberechenbaren Götter der Extrem-Abenteurer, denen auch Bergsteiger-Legende Reinhold Messner so oft ausgeliefert war und einen Menschen sogar opfern musste - seinen Bruder Günther. Wie eine Reliquie ist denn auch in der Mitte des Raums ein Kletterstiefel von Günther Messner in einem Glaskasten aufgebahrt. 2005 gefunden von Reinhold Messner am Nanga Parbat, 35 Jahre nachdem die Brüder den Gipfel des "Schicksalsberges" erklommen hatten und Günther beim Abstieg ums Leben kam.

Der winzige Raum auf Burg Sigmundskron, der sich Kapelle der toten Bergsteiger nennt, gehört zu jenem überaus anspruchsvollen Projekt, das Reinhold Messner als seinen 15. Achttausender bezeichnet. Es heißt MMM, was für Messner Mountain Museum steht und einen weltweit einzigartigen Erlebnisraum darstellt. Mit fünf Museen an fünf Standorten und fünf verschiedenen Schwerpunkten zum Thema Berg. Ein Mosaik, das laut Messner den Blick öffnen soll auf Werte, die den Gebirgen der Erde innewohnen: "Zeitlosigkeit, obwohl sie verwittern; Gefahren, die wir alle fürchten; Entschleunigung, die uns allen Not tut."

Kernstück des Messner Mountain Museum ist MMM Firmian auf der Feste Sigmundskron bei Bozen. Hier thematisiert Messner die Auseinandersetzung des Menschen mit den Bergen. Die großräumige und behutsam restaurierte Burgruine mit architektonisch faszinierend gestaltetem Parcours aus Stahl und Glas gibt dabei den Weg vor - Treppen und Gänge führen die Besucher in die Tiefen der Gebirge, wo Entstehung und Ausbeutung der Berge sichtbar werden.

In MMM Ortles in Sulden dreht sich alles um das Thema Eis. "Im End der Welt" nennt Messner diesen Platz unterhalb vom Ortler. Hier drinnen im Fels erzählt er von den Schrecken des Eises und der Finsternis. Von Schneemenschen und Schneelöwen. Von Eisgebirgen und von der Urgewalt der Lawinen. Draußen im "Yak und Yeti", einer rustikalen Gaststube, gibt es als kulinarische Ergänzung Deftiges aus dem Himalaya.

Schloss Juval im Vinschgau wiederum - im Sommer der Wohnsitz von Messner und seiner Familie - ist dem Mythos Berg gewidmet und nur mit Führung zu besichtigen. Hier hat Messner diverse Kunstsammlungen untergebracht: eine umfangreiche Tibetika-Kollektion, Bilder von den Heiligen Bergen dieser Welt, Masken aus fünf Kontinenten. Im Expeditionskeller lagert Diverses, was Messner bei seinen Abenteuern von Nutzen war, und an die dicken Deckenbalken hat sich sein Sohn Simon kleine Holzstückchen geschraubt - fürs tägliche Klettertraining in der besuchsfreien Sommerzeit.

Ziemlich weit weg vom Schuss und auf fast 2 200 Meter Höhe mitunter in den Wolken versteckt liegt Museum Nummer vier - MMM Dolomites. Auf dem Monte Rite südlich von Cortina d´Ampezzo geht es ums Thema Fels und die Erschließungsgeschichte der Dolomiten am Beispiel jener Forscher und Kletterer, die mit ihren Entdeckungen und Erstbesteigungen alpine Geschichte geschrieben haben. Mit MMM Ripa - so heißt Bergmensch auf tibetisch - auf Schloss Bruneck findet Reinhold Messners Großprojekt nun also seinen Abschluss. Das Museum auf der alten Bischofsburg im Pustertal, das am 3. Juli eröffnet wird, ist für Messner nach Bozen das zweitwichtigste im Gesamtkonzept. Sein Thema sind Leben und Alltagskultur von Bergvölkern aus aller Welt, 15 davon stellt Messner in Bruneck vor: die Tibeter etwa auf der Hochfläche im Himalaya, die Kalash im Westen von Pakistan, die Indios in Südamerika, die Tuareg in Nordafrika.

Darüber hinaus hat Messner das Projekt interaktiv angelegt; so will die Bergsteiger-Ikone zum Beispiel Gäste und Familien aus anderen Bergregionen einladen zum ausgiebigen Erfahrungsaustausch mit der bäuerlichen Bevölkerung vor Ort - "damit sie sehen, wie wir landwirtschaftlich mit unseren Bergregionen umgehen."

"Von all meinen Abenteuern, Expeditionen und Unternehmungen ist MMM das mit Abstand schwierigste, langwierigste und teuerste Projekt gewesen", erzählt Reinhold Messner. Und freut sich wie ein Kind, dass er nach langen zehn Jahren seinen 15. Achttausender nun endlich bezwungen hat.