Erben: Pflichtteilsansprüche Erben: Pflichtteilsansprüche: Wenn Kinder auf ihr Recht pochen
Pflichtteilsansprüche der Kinder können hinterbliebene Ehepartner in Bedrängnis bringen. Schlimmstenfalls müssen sie Haus oder Grundstück verkaufen. Lässt sich das vermeiden?
Vor allem bei älteren verheirateten Paaren ist das so genannte Berliner Testament beliebt. Die Partner setzen sich in dem gemeinsamen Testament gegenseitig als Erben und die Kinder als Erben des zuletzt Lebenden ein. Damit ist gesichert, dass, wenn der eine stirbt, der andere gut versorgt ist und ihm die Kinder nicht die Wohnung, das Haus, die Möbel, das Vermögen - also fast alles - "wegerben" können.
Allerdings, und das beziehen die meisten nicht in ihr Kalkül ein: Der Pflichtteil darf nicht auf "später" verschoben werden. Auch wenn bei einem Berliner Testament die Kinder als Erben zunächst ausgeschlossen werden. Pochen sie auf ihr Recht, muss ihnen der überlebende Ehepartner den Pflichtteil auszahlen.
"Nicht selten mussten aus der Not heraus in solchen Fällen Haus- und Grundbesitz verkauft werden, um die Pflichtteils-Ansprüche der Kinder befriedigen zu können", sagt Notarin Susann Kopp aus Halle. Besonders in den neuen Bundesländern gebe es häufiger solche Notsituationen. In der Regel hätten Betroffene außer ihrem Hausbesitz keine großen Ersparnisse, so dass sie ihre Kinder meist nur durch einen Verkaufserlös oder eine Kreditaufnahme auszahlen können.
Selbstredend gibt es für hinterbliebene Partner dann keine Probleme, wenn Kinder ihre Bestimmung als Letzterbe akzeptieren. Das bringt für sie zudem den Vorteil, dass sie dann in der Regel mehr bekommen als ihnen durch den Pflichtteil zusteht.
"Aber wenn es ums Geld geht, versucht mancher, ohne Rücksicht auf andere seine vorrangigen Interessen durchzusetzen", umreißt Susann Kopp das Problem. "Und das kann dann unter Umständen die gegenseitige Sicherheit, die Ehepartner mit dem Berliner Testament eigentlich fundamentieren wollten, kosten."
Beispiel: Ein Ehepaar, das in gesetzlichem Güterstand lebt, hat zwei erwachsene Kinder, besitzt ein Haus. Der Vater stirbt. Es liegt ein Berliner Testament vor. Die Kinder bestehen gegenüber der Mutter auf ihrem Pflichtteil. Für die Mutter ist das eine Katastrophe, denn: Der "vorhandene" Nachlasswert beträgt 20 000 Euro - vor allem in Sachwerten. Dem steht jedoch ein insgesamter rechnerischer Nachlasswert von 100 000 Euro gegenüber, da der Anteil des Vaters an dem gemeinsamen Haus (Wert 160 000 Euro) zur Hälfte - also mit 80 000 Euro - in den Nachlasswert eingeht.
Aus dieser insgesamten Nachlasswert-Summe (100 000 Euro) berechnen sich die "Erbteile" nach der gesetzlichen Erbfolge: Der Mutter steht die Hälfte des Nachlasswertes zu, also 50 000 Euro. Den Kindern würde ein Viertel des Nachlasswertes als gesetzliches Erbteil zustehen. Da sie aber auf dem Pflichtteil bestehen - stets die Hälfte des gesetzlichen Erbteils -, steht ihnen je ein Achtel zu. Das macht einen Pflichtteil von 12 500 Euro aus, den die Mutter jedem Kind zahlen muss.
Beharren die Kinder darauf, hat die Mutter ein existentielles Problem: Das Nachlassvermögen reicht nicht aus, um den Anspruch der Kinder zu befriedigen. Sie ist gezwungen, ihr Haus zu verkaufen, um "flüssig" zu sein. "Solchen unglücklichen Konstellationen kann mit vertraglichen Regelungen zu Lebzeiten vorgebeugt werden", erklärt die Notarin. Es gäbe verschiedene Varianten, wie das vertraglich, das Testament ergänzend, gestaltet werden könne. Vielfach werde angenommen, dass man mit Schenkungen zu Lebzeiten auf Nummer sicher gehe. Was die meisten nicht wissen: Schenkungen sind im Erbfall erst dann "außen vor", wenn sie über zehn Jahre her sind. Tritt der Erbfall innerhalb dieser zehn Jahre ein, geht das - in dem Fall geschenkte Haus - wertmäßig in den Nachlass mit ein. Und damit wäre die Situation ähnlich unglücklich, wie beschrieben. "Die Kunst besteht also darin, die Übertragung eines Hauses vertraglich so zu regeln, dass Pflichtteils-
ansprüche nicht akut werden", erklärt die Notarin. Das könne mit so genannten Übertragungsverträgen zu Lebzeiten geschehen, die allerdings grundsätzlich notariell beglaubigt werden müssen. Damit sei zugleich die Chance gegeben, sich fachlich umfassend beraten zu lassen.
Im genannten Familienbeispiel könnte ein zu Lebzeiten zwischen Eltern und Kindern geschlossener Vertrag zur Übereignung des Hauses wie folgt aussehen: Das Haus wird zu Lebzeiten an eines der Kinder übertragen. Gleichzeitig wird für die Eltern so etwas wie ein lebenslanges Wohnrecht verankert, das außerdem mit naturalen Gegenleistungen der Kinder gegenüber den Eltern bis ans Lebensende verknüpft wird.
Solche naturalen Leistungen kann beispielsweise die häusliche Pflege betreffen: also alle Leistungen, die alltäglich anfallen wie Unterstützung beim Einkauf, Erledigen von Wegen, Reinigen der Wäsche, Sauberhalten der Wohnung.
"In dem Fall wird das mit dem Haus bedachte Kind nicht auf die Idee kommen, seinen Pflichtteilsanspruch zu fordern. Andererseits kann es die Mutter auch nicht vor die Tür setzen, da der Besitz des Hauses vertraglich an die Wohnleistungen geknüpft ist", erläutert Susann Kopp.
In dem Zusammenhang verweist die Notarin darauf, dass die vertragliche Verankerung eines lebenslangen Wohnrechts im Klagefall auch zu Problemen führen könne, da es hier eine unterschiedliche Rechtssprechung gebe.
Bei der Grundstücksübertragung an das eine Kind steht aber noch die Frage, wie das andere Kind in die vertragliche Konstellation mit einbezogen wird. Und zwar so, dass auch von ihm keine Pflichtteils-Forderungen zu erwarten sind. Hier bietet sich als Äquivalent ein Geldbetrag als Abfindung an, mit dem alle Ansprüche in Bezug auf das Grundstück abgegolten sind. "Man spricht vom gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzicht", so die Notarin. In beiden Fällen würde das Grundstück im Erbfall aus dem Nachlass herausfallen.
"Aber abgesehen davon, dass Grundstücksübertragungen sowieso notariell beglaubigt werden müssen", sagt die Notarin, "sollte bei vertraglichen Regelungen zu Grundstücken oder Häusern generell juristische Hilfe in Anspruch genommen werden - entweder von einem Notar oder einem Rechtsanwalt."
Auch sei es legitim, einen durch einen Notar aufgesetzten Vertrag unter dem Aspekt einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung durch einen Rechtsanwalt prüfen zu lassen.