Recht Recht: Au-Pairs und Familien brauchen Unterstützung

Freiburg/Bonn/dpa. - Seine Frau sei gerade fortgelaufen, berichtete der Landwirt aus Oberbayern. Und nun hätte er gern gewußt, wie das mit den Au-pairs funktioniere. Könne man die eigentlich auch heiraten? Der Mann hatte sich an eine seriöse Agentur gewandt und war sofort als ungeeigneter Gastgeber abgelehnt worden. Heute wären seine Chancen besser: Vor einem Jahr, im März 2002, ist der Au-Pair-Markt liberalisiert worden. Seither können Bewerberinnen sogar über das Internet «bestellt» werden. Doch die neue Freiheit birgt nicht nur für die Mädchen Gefahren, wie der Selbstmord eines misshandelten Au-pairs in Bayern gezeigt hat. Auch die Familien sind ohne Hilfe durch seriöse Agenturen oft überfordert.
Rund 30 000 Au-pair-Mädchen kommen jedes Jahr nach Deutschland, schätzt Claudia Richter, bei der evangelischen Organisation Verein für Internationale Jugendarbeit (VIJ) in Bonn Bundesreferentin für Au-pairs. Jeweils rund 3000 davon würden über die großen christlichen Organisationen VIJ und In Via in Freiburg vermittelt.
Wie viele Au-pair-Mädchen wirklich unter deutschen Dächern leben, weiß Richter zufolge allerdings niemand genau: Seit der Gesetzesänderung im vergangenem Jahr müssen die Agenturen ihre Vermittlungen nicht mehr melden. Auch die Zahl der Agenturen ist nicht bekannt. Rainer Gansert, Vorsitzender des Vereins Au-pair Society in Euskirchen (Nordrhein-Westfalen), schätzt, dass bis vor einem Jahr 200 bis 250 Firmen eine Lizenz des Arbeitsamtes erhalten hatten. Seitdem jeder, der vermitteln möchte, nur noch einen Gewerbeschein zu beantragen braucht, liege die Zahl wahrscheinlich bei 1000 oder 1500. «Wir haben eine Eskalation des Marktes.»
An manchen Tagen melden sich Gansert zufolge fünf bis zehn neue Bewerber, die Mitglied im Verein Au-pair Society werden und damit auch das gleichnamige Gütesiegel bekommen möchten. «Bei 90 Prozent der Anwärter fehlt jegliche Substanz», sagt Gansert. Viele Anwärter seien weder mit Arbeits-, Ausländer- noch Sozialrecht vertraut. Vor allem aber sei ihnen nicht klar, dass ein Au-pair-Mädchen nicht nur - mit einem Visum ausgestattet - von A nach B geschickt werden müsse. Familie und Mädchen bräuchten oft auch vor Ort noch Betreuung. Die Mitglieder der Au-pair Society haben Anfang Februar ihre Mindeststandards angehoben und verlangen jetzt, dass jedem Mädchen ein Au-pair-Ausweis ausgehändigt wird, der Ansprechpartner bei der jeweiligen Agentur und den Dachverband als zentrale Anlaufstelle nennt.
Fast jeder seriöse Vermittler habe zudem eine Partneragentur in den Herkunftsländern, die Sprachkenntnisse und persönliche Eignung prüft, so Gansert weiter. «Das Hauptproblem ist die häufig miserable Vorbereitung der Au-pairs», sagt Peter Rauckes, Geschäftsführer der kleinen Au-pair-Vermittlungsagentur Via in Lüneburg. Oft seien die Sprachkenntnisse mangelhaft, unter Kinderbetreuung verstünden nicht wenige Mädchen aus Osteuropa schlicht Fernsehen.
Die Partneragenturen sollen die Mädchen auch darüber aufklären, was sie im gelobten Deutschland tatsächlich erwartet. Viele Mädchen glauben laut Gansert, sie könnten in der Bundesrepublik Geld wie Heu verdienen - nicht wissend, dass all das, was zusätzlich zu den erlaubten 30 Au-pair-Stunden pro Woche erledigt wird, als illegale Beschäftigung gilt. Kommt es heraus, droht dem Arbeitgeber ein Bußgeld und dem Au-pair die sofortige Ausweisung.
Unseriöse Agenturen in den Herkunftsländern verstärken jedoch nach Ansicht der Experten die irrigen Vorstellungen der Mädchen noch und verlangen hohe Gebühren. Die werden in Erwartung der Verdienstmöglichkeiten auch gezahlt. In solchen Fällen ertragen die jungen Mädchen oft sehr viel, um nicht zu scheitern. «Es gibt für diese Mädchen nichts Schlimmeres als zurückzukommen - die stecken eine Menge ein», sagt VIJ-Sprecherin Claudia Richter. Ein Schicksal, wie das des Au-pair-Mädchens Ramona, sei jedoch ein Extremfall: Die 21-jährige Rumänin hatte sich nach offensichtlich monatelanger Leidenszeit mit einem Seil von der Kinderschaukel ihrer Gastfamilie erhängt.
Misshandlungen wie im Fall von Ramona kommen laut Richter eher selten vor, die Ausbeutung von Au-pairs als billige Putzfrauen oder Köchinnen scheint in Deutschland hingegen an der Tagesordnung zu sein. «Das Hauptproblem ist, dass Au-pairs mehr als die vorgesehenen 30 Stunden pro Woche arbeiten, dass die Gasteltern den versprochenen freien Tag nicht gewähren und dass auch am Wochenende keine Freizeit gewährt wird». Unter 100 Au-pair-Mädchen meldeten sich rund 20 bis 25 wegen solcher Probleme bei der Agentur. Oft könne die Agentur aber als neutraler «Schiedsrichter» zwischen den Parteien vermitteln.
«Durch eine offene Aussprache können vor allem die Anfangsprobleme oft gelöst werden», sagt auch Corinna Nitsche-Hainer aus Bonn. Sie hat den Ratgeber «Familienmitglied Au-pair» geschrieben. Die Zufriedenheit des Au-pairs liegt ihr zufolge auch im Interesse der Familie: «Dann klappt es nähmlich auch mit den Kindern».
Gar nicht so selten ist sogar die Umvermittlung die beste Lösung, sagt Marianne Schmidle, bei In Via in Freiburg Referentin für Austauschprogramme. Für die Au-pairs ist das nicht weiter problematisch, das Visum kann auf die neue Familie umgeschrieben werden. Und auch für die Gastfamilie kann es besser sein, ein neues Au-pair zu beschäftigen, wenn die Chemie nicht stimmt. Doch Umvermittlungen ohne die Hilfe einer seriösen Agentur sind schwierig. Manche Familien lösen das Problem in solchen Fällen offensichtlich auf die harte Tour: «Wir haben im Büro schon bis zu sechs Au-pairs gleichzeitig auf Matratzenlagern untergebracht», berichtet Gansert, «die sind einfach vor die Tür gesetzt worden, weil sie nicht mehr funktionierten.»
Literatur: Corinna Nitsche-Hainer, Familienmitglied Au-pair, Lambertus-Verlag, 8 Euro, ISBN 3-7841-1396-6.