Problemkinder lernen in Privatschule gemeinsam
Karlsruhe/dpa. - Heil sieht es aus hier. Schöne Farben, sanfte Räume, runde Ecken, Holzboden und ganz viel Licht. Doch wer die Parzival-Schule in Karlsruhe besucht, ist nicht heil.
Hierher kommen an Geist und Seele verletzte Kinder und Jugendliche, solche die Gewalt erlebt haben und erleben, die Gewalt ausüben, die Drogen nehmen oder genommen haben, Missbrauchsopfer, verhaltensauffällige Schüler, Kinder die in ihren Familien nicht mehr zurechtkommen, ständig im Konflikt mit der Polizei sind, sozial verwahrloste Jugendliche. Sogenannte «Erziehungshilfe-Kinder» bilden mit rund 120 Schülern den größten Teil der rund 200 Kinder in dem Schulzentrum. Etwa 65 Pädagogen und Therapeuten kümmern sich um diese oft sozial schwer beeinträchtigten Schüler, hinzukommen etwa 30 Sonderschulkinder («Förderkinder») und 30 geistig behinderte Kinder.
Das besondere an dieser Privatschule: Durch und durch geprägt von der Waldorfpädagogik betreut sie Erziehungshilfe-Kinder und Förderkinder in gemeinsamen Klassen. Kinder mit unterschiedlichen sozialen oder intellektuellen Behinderungen können also im gemeinsamen Klassenverband lernen - keine Selbstverständlichkeit im Südwesten, wo die Schulbehörden streng bei der Beschulung nach «Behinderungsarten» trennen.
«Die lernschwachen Förderkinder können oftmals die unruhigen Erziehungshilfe-Kinder stabilisieren, umgekehrt motivieren die oftmals sehr intelligenten Erziehungshilfe-Kinder die Förderkinder», sagt Norbert Krumm. Der Betriebswirt, der die Geschäfte der Parzival-Schule führt und selbst hier ein Kind hat, hat die Schule 1999 mitbegründet und ist überzeugt vom integrativen Konzept. Nur die geistig Behinderten - die Seelenpflegebedürftigen, wie sie in der Sprache der Waldorfpädagogik heißen - müssen getrennt von den anderen unterrichtet werden. So sieht es das Gesetz vor. Dafür werden sie bei allen anderen Schulaktivitäten wie Essen, Therapiestunden, Ausflügen oder gemeinsamen Mahlzeiten komplett integriert.
Mit ihren 200 Schülern und den drei Schularten - Förderschule, Schule für Erziehungshilfe und Schule für Seelenpflegebedürftige - unter einem Dach ist das Schulzentrum die größte Schule in Baden-Württemberg, die Sonderschulpädagogik auf Basis der Waldorflehre anbietet. Zum Hauptunterricht hinzu kommen zahlreiche Förder- und Therapieangebote von Heilpädagogik und Musiktherapie bis hin zum Voltigieren oder Bogenschießen. «Wir integrieren sehr viel mehr solcher Angebote in den Schulalltag als eine herkömmliche Schule», sagt Schulleiterin Melanie Reveriego.
Während die Förderkinder und die geistig behinderten Kinder oft über engagierte Eltern den Weg auf die Parzivalschule finden, sind es bei den schwer erziehbaren Schülern meist die Sozial- und Jugendämter, die die Schule um Aufnahme der «Problemkinder» bitten. Für nicht wenige ist die Schule die letzte Anlaufstelle, «nachdem sie schon drei-, vier-, fünfmal von einer anderen Schule geflogen sind oder auch kurz vor der Einweisung in ein geschlossenes Heim stehen», sagt Krumm. Auf der Parzivalschule aber können sie bleiben.
«Ein endgültiger Verweis ist für uns einfach kein geeignetes Erziehungsmittel», sagt Reveriego. Allerdings gibt es die Möglichkeit eines Schulausschlusses für Tage. In einer sogenannten Intensiv- Klasse kümmern sich Pädagogen um Schüler, die als gruppenunfähig gelten. «Inselklassen» wiederum bieten die Möglichkeit, Schüler über einen kürzeren Zeitraum hinweg aus der Klasse zu nehmen oder sogar einzeln zu betreuen.
Gewalt an der Schule hält sich sehr in Grenzen, sagt Reveriego. «Gewalt findet außerhalb der Schule statt. Auf dem Schulweg, in den Familien, in den Sommerferien.» Sobald die Kinder den überschaubaren und geregelten Bereich Schule verlassen, fingen die Probleme oft an. Die Lehrer haben deshalb für die Sommerferien ein Betreuungsprogramm aus dem Boden gestampft. Ehrenamtlich.
Die Stadt Karlsruhe ist dankbar für die Möglichkeiten, die die Ganztagsschule bietet. Bevor es sie gab, mussten zahlreiche Kinder außerhalb der Stadt zur Schule gehen, teilweise fuhren sie bis nach Baden-Baden, da es in der Fächerstadt nicht genug geeignete Plätze gab. Umständlich für die Kinder und ein teurer Spaß für die Stadt und die Sozialbehörden. An einem Erweiterungsbau der Schule für knapp sechs Millionen Euro hat sich die Stadt großzügig beteiligt - und die Straße, in der die Schule sich befindet, heißt jetzt Parzivalstraße.
Parzivalschule im Internet: www.parzival-schulzentrum.de