Probleme beim Schüleraustausch: Früh reden
Berlin/Stuttgart/dpa. - Für viele ist es ein Traum: Ein Schuljahr im Ausland. Doch solch ein Austausch hat auch Schattenseiten: Probleme mit der Gastfamilie, Schwierigkeiten bei der Anpassung, das Gefühl von Isolation oder Heimweh können die Zeit sehr lang machen.
Richtig vorbereitet, lassen sich viele Probleme meistern - auch ohne einen Familienwechsel oder gar einen Abbruch. Wer sich in eine neue Kultur einlebt, darf nicht ungeduldig sein, sagt Annina Duchhardt vom Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustauschorganisationen (AJA) in Berlin. «Anfangsschwierigkeiten sind völlig normal.» Das gelte sowohl für das Leben in der Gastfamilie als auch in der Schule.
Familien haben bestimmte Rituale, und in Cliquen herrschen oft gewisse Regeln, die man von zu Hause nicht kennt. Beispiel Pünktlichkeit: «Da darf man es nicht persönlich nehmen, wenn man mal eine halbe Stunde bei einer Verabredung auf jemanden wartet», sagt Duchhardt. Das bedeute nicht, dass man nicht akzeptiert ist. Als Austauschschüler müsse man nicht nur lernen, in der neuen Kultur zu leben, sondern auch, in ihr zu denken. Viele Probleme ließen sich schon im Vornherein durch die richtige Einstellung vermeiden.
Das sieht Werner Kitzinger, Geschäftsführer der Aktion Bildungsinformation (ABI) in Stuttgart, ähnlich. «Als Gast hat man sich anzupassen, die Gastfamilie sitzt am längeren Hebel.» Deshalb sei es gut, sich schon zu Hause zu fragen, ob und wie man mit bestimmten Situationen umgehen kann. Wie würde ich es etwa schaffen, eine Meinungsverschiedenheit mit meiner Gastfamilie zu klären, ohne Dritte hinzuzuziehen? Sinnvoll sei ein Notfallplan. An ihm könne man sich im Ernstfall orientieren.
Doch was, wenn der Ernstfall eintritt? Probleme mit der Gastfamilie kommen immer wieder vor. «Ein offenes Gespräch mit der Familie ist dabei immer der erste Schritt», rät Duchhardt. Erst wenn das nicht helfe, sollte man Dritte hinzuziehen. Ansprechpartner seien nicht nur die Betreuer der Austauschorganisationen vor Ort, sondern auch Bekannte, zu denen man bereits Kontakt aufgebaut hat.
Kontraproduktiv sei dagegen, die Sorgen in sich hineinzufressen, warnt Daniel Bartel, der in Stuttgart studiert. Er war als Austauschschüler in den USA und hat darüber ein Buch geschrieben. Wer den Mund nicht aufmacht, verschlimmere die Situation. «Man wird allgemein unzufrieden und überträgt sein Unwohlsein auch noch auf andere Bereiche.» So entstehe Heimweh.
Bei Problemen mit der Gastfamilie rät er, zunächst in Ruhe nachzudenken: «Man muss herausfinden, was einen stört und ob man nicht selbst etwas daran ändern kann.» Er habe in Amerika bei anderen Schülern beobachtet, dass sie ihre Gastfamilie ständig mit der eigenen zu Hause verglichen. Ein Fehler, findet Bartel. Als Austauschschüler müsse man sich neuen Situationen stellen.
«Oftmals hilft man sich aus Tiefs, wenn man aktiv wird», sagt Edda Stromberg von AFS in Osnabrück, einer Organisation für Schüleraustausch. Wenn es einem bei der Familie zu eintönig wird, sollte man selbst die Initiative ergreifen und nach Beschäftigungen suchen. Stromberg erinnert sich an einen Jungen, der in eine amerikanische Gastfamilie ohne Kinder kam, die ihr Haus weit ab vom Schuss an der kanadischen Grenze hatte. «Er war völlig verzweifelt.» Doch statt den Kopf in den Sand zu stecken, suchte er sich einen Verein.
Das gleiche Vorgehen empfiehlt sie auch bei Heimweh oder Liebeskummer: «Aktiv werden ist das A und O.» Ideen und Adressen für Freizeitaktivitäten und Treffpunkte gebe es zuhauf bei Mitschülern, sagt Bartel. Bei der Wahl sollte man ruhig Mut zu Neuem haben. Schließlich gehe es darum, sich abzulenken und sich auf die andere Kultur einzulassen.
Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustauschorganisationen (AJA): www.aja-org.de
Aktion Bildungsinformation (ABI): www.abi-ev.de
AFS Interkulturelle Begegnungen: www.afs.de
Schüleraustausch Portal für Austauschschüler: www.austauschjahr.de
Heimweh kann quälen. «Telefonieren mit zu Hause ist in der Situation das Schlimmste», sagt der ehemalige Austauschschüler Daniel Bartel. Sylvia Schill, Betreiberin der Website «austauschjahr.de», empfiehlt, sich schon zu Hause auf mögliches Heimweh vorzubereiten: «Wer mit Heimweh rechnet, kann im Ernstfall besser damit umgehen.»