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Porzellan-Kliniken kitten Lieblings-Geschirr

Von Horst Heinz Grimm 02.07.2007, 07:11

Krefeld/Meißen/dpa. - Ein peinlicher Zwischenfall, wie er jeden Tag vorkommen kann: Im Moment der Unachtsamkeit stößt man gegen eine Porzellanfigur, diese kippt um und ein Teil bricht ab. Oder ein Zierteller bekommt durch unvorsichtiges Hantieren einen Sprung.

Doch weder muss das gute Stück gleich in die Tonne, noch sollte selber mit Alleskleber daran herumgebastelt werden. In so genannten Porzellan-Kliniken nehmen sich Profis beschädigter Figuren und kaputten Geschirrs an - nicht nur aus Porzellan, sonders auch aus Glas, Keramik und Steingut.

«Zerbrochene Stücke werden sauber zusammengefügt und bei hoher Temperatur so gebrannt, dass sie wieder benützt werden können», beschreibt Jürgen Kramer aus Hamburg die Arbeit seiner Firma. Eine leicht angeschlagene Tasse kann durch vorsichtiges Schleifen der schadhaften Stelle in Ordnung gebracht werden.

Häufig verschwinden angestoßene oder zerbrochene Teile unnötig ganz hinten in einem Schrank, weil sich die Besitzer von ihnen nicht trennen mögen und hoffen, dass irgendwann jemand doch noch eine Idee zum Kitten hat. «Denn etwa 90 Prozent der Menschen wissen nicht, dass man Porzellane und Keramiken wiederherstellen kann», erklärt Joachim Niering aus Krefeld. Er entwickelte nach eigenen Angaben vor etwa 15 Jahren ein Verfahren, mit dem selbst alltägliches Gebrauchsgeschirr wieder intakt wird. «Es lässt sich fast alles reparieren.»

Seine Zentralwerkstatt und acht Franchise-Nehmer seien Marktführer, sagt der Unternehmer. Er hat sich als Markenzeichen den Schriftzug «Porzellan Klinik» mit einer Kaffeekanne schützen lassen. Betriebe für Porzellanreparaturen finden sich im Branchenbuch oder im Internet. Antiquitätenhändler können ebenfalls Adressen nennen, da auch sie Kunden in den Werkstätten sind.

Es gibt mehrere Gründe, mit defektem Porzellan eine «Klinik» aufzusuchen. Zum einen, wenn es sich um Unikate handelt. Vielfach kann eine sachgemäße Reparatur auch preiswerter sein als eine Neuanschaffung, besonders bei hochwertigen Stücken. Dies gilt vor allem für ältere Porzellane aller Art, besonders Ziergegenstände. Eine gut 30 Zentimeter hohe Vase im Empirestil aus den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts kann im Antiquitätenhandel gut mehrere hundert Euro kosten.

Die berühmte «Affenkapelle», eine Sammlung von 21 kleinen Figuren aus der Manufaktur Meissen, hat einen Handelswert von fast 20 000 Euro - selbst wenn hier ein Arm und dort ein Stück eines Instruments nachmodelliert wurde. Diese Arbeit erfordert über Fingerspitzengefühl hinaus Fachwissen und kann von Laien selten ausgeführt werden.

Deshalb arbeiten in den entsprechenden Werkstätten auch ausgebildete Porzellanmaler. Sie restaurieren verblasste Dekors und abgenutzte Goldränder. Drei Jahre dauert die Ausbildung in diesem anerkannten Handwerksberuf.

Eine eigene Reparaturabteilung unterhält die Manufaktur Meissen. «Es können nur Teile eingereicht werden, die in unserem Haus gefertigt wurden», sagt Cornelia Imhoff von Meissen. Die «sehr hochwertigen Restaurierungen» hätten natürlich auch ihren Preis. Vor allem Sammler zählen zu den Kunden. Für den Ersatz einzelner Teile des teuren Gebrauchsporzellans aus der sächsischen Stadt gibt es die Möglichkeit des Nachkaufens.

Die Königliche Porzellan-Manufaktur KPM in Berlin nimmt ebenfalls Reparaturen von Stücken aus eigener Produktion an. Die Bruchstellen seien danach nur noch für Experten zu erkennen, heißt es. Die Einschränkung: Gebrauchsporzellane werden nicht wiederhergestellt.

Ein weiterer Grund für den Weg zum Reparateur ist, dass für viele Serien fehlende Teile nicht mehr nachgekauft werden können. «Bei einer Tasse und der Zuckerdose des Kaffeeservices sind Teile ausgebrochen», schildert eine Kundin ihr Problem in der kleinen «Scherben Klinik» des Hamburgers Arne Zimmermann. «Die Gedecke haben meiner Großmutter gehört.» In diesem Fall spielt also der Erinnerungswert eine große Rolle.

Die Kosten für Porzellanreparaturen richten sich ganz nach dem Arbeitsaufwand, erläutert Kramer. Auch Niering unterstreicht, dass jedem Kunden nach ausführlicher Beratung ein Festpreis für die anstehende Arbeit genannt wird. Manche Werkstätten bieten noch einen Sonderdienst an: Sie helfen bei der Suche nach älteren Stücken auf dem freien Markt.