Pflegestufe beantragen: Was zu beachten ist
Essen/dpa. - Als Ulla F. nach einem leichten Schlaganfall im Krankenhaus liegt, stellt sich die Frage: Wie geht es danach zu Hause weiter? Allein wird sie nicht mehr zurecht kommen. Die 86-Jährige ist schwerbehindert.
Ihre Tochter wohnt für eine tägliche Betreuung zu weit weg. So beschließt sie, bei der Pflegekasse einen Antrag auf Leistungen aus der Pflegeversicherung zu stellen. Um zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Pflegestufe erfüllt sind, beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Dieser erstellt bei einem vorher angekündigten Hausbesuch ein «Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit». Auf dieser Basis entscheidet die Pflegekasse dann über den Antrag.
Die Pflegeversicherung deckt allerdings nicht alles ab, was wünschenswert wäre. Oft gebe es das Missverständnis, dass eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung finanziert wird, sagt Bernhard Fleer vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Essen. Heike Nordmann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf rät, vor der Begutachtung ein Pflegetagebuch zu führen. Dadurch werde den Antragstellern bewusst: «Welche Tätigkeiten fallen wie oft an, und wie lange dauern sie?»
«Für den MDK zählt vor allem die Körperpflege», erläutert die Referentin für Pflegedienstleistungen. Der Gutachter ermittele zum Beispiel, welche Hilfe der Pflegebedürftige beim Waschen braucht. Eine zweite wichtige Rolle spielt die Mobilität. So lasse sich der Gutachter vom Pflegebedürftigen zeigen, wo dieser sich wäscht, erklärt Fleer. Dies gebe gleichzeitig Auskunft darüber, wie gut sich der Betroffene in seiner Wohnung zurecht findet. Auch ob für den Weg zum Arzt eine Begleitung nötig ist, sollte ermittelt werden. Drittes entscheidendes Thema im Bereich «Grundpflege» ist schließlich die Ernährung: Kann sich der Betroffene die Nahrung nicht zubereiten und allein zu sich nehmen, spricht das für Hilfebedarf.
«Um die Pflegestufe Eins zu erhalten, geht der Gesetzgeber von einem Mindestpflegebedarf von 90 Minuten täglich aus», sagt Nordmann. Für die drei Punkte der Grundpflege müssten dann minimal 46 Minuten angesetzt sein. Auf den weniger bedeutsamen Aspekt Hilfe im Haushalt - also etwa Einkaufen - könnten dann 44 Minuten entfallen.
Auf die leichte Schulter sollte die Begutachtung niemand nehmen. «Die Bedingungen sind hart», sagt Christiane Schiller von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) in Bonn. Sie vergleicht den Hausbesuch mit einer Prüfungssituation. Deshalb sei es sinnvoll, den Pflegebedürftigen nicht alleinzulassen. «Wenn eine Person des Vertrauens dabei ist, fühlt sich derjenige, der 'untersucht' wird, wohler, außerdem kann man besser nachhaken.» Denn in diesem Moment zählt jedes Wort.
«Wenn die pflegebedürftige Person dauernd sagt, 'Ich mache immer alles selber', dann ist das natürlich nicht so günstig», warnt Schiller. Ein anwesender Angehöriger könne eingreifen und auch ein unangenehmes, weil zum Beispiel intimes Thema als Problem benennen. Auch ein bereits tätiger Pflegedienst könne dem Gutachter wertvolle Hinweise geben und sollte daher hinzugezogen werden. Wenn trotz aller Bemühungen ein ablehnender Bescheid der Pflegekasse ins Haus flattert, besteht die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen.
Literatur: Verbraucherzentrale NRW: Das Pflegegutachten, 4,90 Euro, erhältlich auf den Seiten der Verbraucherzentrale NRW.
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: www.vz-nrw.de
Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO): www.bagso.de