Richtig füttern Pferde brauchen keine 20 Nahrungsergänzungsmittel
Pülverchen hier, Kräuterleckerli und Müslis da: Pferdebesitzer neigen dazu, ihre Tiere mit sinnlosen Dickmachern vollzustopfen. Dabei wird oft das Wesentliche vergessen.
München/Warendorf - Heu, Hafer und Möhren - das assoziieren wir mit hungrigen Pferden. In der Realität sieht es aber eher so aus: Pferdehalter versetzen großzügig portionierte, getreidefreie Müslis mit Hefe, Kräutern, Pülverchen und Ölen - mal für den Verdauungstrakt, mal für die Hufgesundheit und mal für den ausgeglichenen Geist. Braucht es das?
Beginnen wir bei den Grundzügen der Pferdefütterung. Unbestritten ist, dass ein Pferd vor allem Raufutter, also strukturreiches Futter braucht, und zwar mehr oder weniger ständig. Denn lange Fresspausen sind schlecht für den sehr fragilen Verdauungstrakt der Tiere.
Neun bis zwölf Kilo hochwertiges Heu am Tag
Raufutter, das sind in der Praxis vor allem Heu, Weidegras und Stroh. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) empfiehlt 1,5 bis 2 Kilogramm Raufutter pro 100 Kilogramm Gewicht des Pferdes als Minimum. Bei einem 600-Kilo-Sportpferd macht das zum Beispiel neun bis zwölf Kilo Heu am Tag aus.
Theoretisch könnte man es dabei belassen. „Wirklich hochwertiges Heu enthält ausreichend Nährstoffe, sodass ein Pferd bei Erhaltungsbedarf und auch noch bei leichter Arbeit problemlos alleine von qualitativ hochwertigem Heu in ausreichender Menge leben kann“, so Tierärztin Lisa Mihsler-Kirsch von der FN.
Die Betonung liegt dabei auf qualitativ hochwertig. „Gutes Heu ist rar. Oft hat es keine ausreichende Qualität“, sagt Ellen Kienzle, Professorin für Tierernährung von der Uni München. „Daher kann ein Mineralfutter nötig sein, weil im Heu nicht mehr alle wichtigen Nährstoffe enthalten sind.“ Wichtig ist aber, darauf zu achten, dass im Mineralfutter enthalten ist, was dem Tier fehlt. Denn Hersteller setzen am liebsten das zu, was billig ist.
Für Pferdebesitzer ist es gar nicht so leicht herauszufinden, was im Heu enthalten ist. Denn in vielen Fällen wird es nicht regelmäßig zur Analyse eingeschickt. Die Lage des Herkunftsbetriebs kann aber Aufschluss über Defizite geben.
Zu viel Kalorien durch Kraftfutter
Wird Pferden Leistung abverlangt, ist zusätzlich ein Kraftfutter sinnvoll. Hierzu gehören zum Beispiel Gerste, Mais - und der altbewährte Hafer. Hafer ist für Pferde diätetisch besonders wertvoll, doch er hat auch einen hohen Energiegehalt. „Manchen Pferden steigt das zu Kopf und sie werden so bewegungsfreudig, dass sie für ihre Besitzer kaum mehr händelbar sind“, sagt Kienzle. Dann sollte man von Hafer absehen. Zumal der Energiebedarf von Pferden sowieso in der Regel überschätzt wird.
„Wir sehen eine Menge adipöser Pferde“, so Kienzle. „Die meisten Pferdebesitzer füttern viel zu viel und bewegen ihre Tiere zu wenig.“ Einige sind dazu übergegangen, ihren Pferden ein getreidefreies Müsli zu füttern, diese sind meistens weniger energie-, aber dafür rohfaserreich und enthalten beispielsweise Wiesengras und Luzerne. „Das ist nur dann sinnvoll, wenn das Pferd zusätzlich zum Heu Energie braucht, also nicht bei dicken Pferden“, erklärt Kienzle.
Neben Kraft- und Raufutter werden häufig auch Obst und Gemüse als sogenanntes Saftfutter verfüttert. „Täglich ein halbes Kilo Karotten - das tut Pferden durchaus gut“, sagt Kienzle. Sie enthalten Carotin, eine wichtige Vorstufe von Vitamin A. Mit Äpfeln sollte man dagegen vorsichtiger umgehen, sie blähen. Und Banane, nun, die macht vor allem wieder dick.
Zuckerwürfel besser als ihr Image
Stichwort Dickmacher: Leckerli sind hier nicht zu verachten. Sie bestehen oft aus viel Zucker, Farb- und Zusatzstoffen und sind dementsprechend nicht sonderlich gesund. Früher fütterte man an dieser Stelle direkt Zuckerwürfel, was vielen Reitern inzwischen widerstrebt.
Kienzle sieht in wenigen Zuckerwürfeln statt vielen Leckerli aber sogar einen Vorteil: „Gerade wenn man Belohnungsfutter im Training einsetzt, hat Zucker Vorteile.“ Mit Gebiss im Maul verschlucken sie sich nicht daran. Außerdem sind in Zuckerwürfeln wenigstens keine Farb- und Aromastoffe enthalten. Mehr als fünf bis zehn am Tag sollten es aber nicht sein.
Viele Reiter füttern nach der gemeinsamen Arbeit als Belohnung Mash, eine Art Porridge für Pferde, das lauwarm gefüttert wird. Dieses besteht in der Regel aus Weizenkleie und Leinsamen und wird mit heißem Wasser angerührt. In der Regel mögen Pferde die dickflüssige Brühe sehr und können das Mahl kaum abwarten.
„Mash ist leicht verdaulich und unterstützt die Funktion des Verdauungsapparates“, so Tierärztin Mihsler-Kirsch. „Doch aufgrund der abführenden Wirkung und des hohen Phosphorgehaltes der Weizenkleie sollte man es in der Regel nicht häufiger als zwei- bis dreimal pro Woche füttern.“
Kienzle sieht Mash in Maßen besonders im Winter positiv. Denn: Viele Pferde trinken, wenn es kalt ist, zu wenig. „Durch das Mash nehmen Pferde zusätzlich Flüssigkeit auf. Das ist wichtig für den Verdauungstrakt.“
Ration von Fachtierarzt überprüfen lassen
Und wie sieht es nun mit Hefe, Kräutern, Pülverchen und Ölen aus? „Meistens überflüssig“, sagt Kienzle. Hefe kann der Verdauung mal guttun, aber nicht dauerhaft und manche Pferde vertragen sie nicht. Dann bewirkt sie das Gegenteil. Viele Kräuter sind bei Pferden kaum erforscht. Und Öl - das macht dick und wird schnell ranzig, verfüttert man es nicht rasch, kann es dann sogar schaden.
Pferdefütterung ist ein komplexes Thema. Deshalb rät Kienzle dazu, die Ration des eigenen Pferdes von einem Fachtierarzt für Tierernährung zusammenstellen zu lassen. Dieser nimmt sich den Vorerkrankungen und dem Energieverbrauch des Pferdes an, weiß, wo die Wiesen karg und das Heu wenig nährstoffreich sind und kann dementsprechend passgenau Empfehlungen abgeben.