Outfit Outfit: Großer Auftritt in Blütenweiß

Köln/dpa. - Der Anzug ist nicht jeden Mannes Sache. Zu formell, zu konservativ, zu steif, sagen seine Kritiker. Wer aber am Arbeitsplatz oder einem würdigen Anlass entsprechend gewisse Maßstäbe an Seriosität und Eleganz erfüllen muss, hat nur eine Kleiderwahl: «Da bietet sich allein die Kombination an», sagt Peter Sevenich, Sprecher des Deutschen Instituts für Herrenmode (DIH) in Köln. Doch wer dabei sofort an ein klassisches Sakko im Duett mit einer dezenten Wollhose denkt, liegt neben dem Trend. Denn gerade diesen Sommer bieten die Designer den Herren Kombinationsmöglichkeiten in Hülle und Fülle.
Leicht und lässig kommt die Herrenkonfektion für die heiße Jahreszeit daher. Von «Casualisierung» spricht die Modebranche schon seit längerem - selbst beim Business-Outfit orientieren sich Formen und Farben oft am Freizeit-Look. «Sportliches wird sehr selbstverständlich mit korrekt Geschneidertem kombiniert», geben etwa die Designer des Modelabels René Lezard aus dem bayerischen Schwarzach als Credo für den Sommer 2003 aus und wünschen sich von den deutschen Männern einen «Schuss Experimentierfreudigkeit mit der Garderobe».
Ähnlich sehen es die Designer des italienischen Unternehmens Cerruti mit Deutschlandsitz in München: Neben dem klassisch-eleganten Anzug - zum Beispiel traditionell als Dreiteiler mit Weste oder avantgardistisch ganz in Weiß - tauchen in der aktuellen Kollektion auch Kombinationen aus Hose und farblich exakt abgestimmten Pullover auf. Modemutige können statt dem herkömmlichen Sakko auf Safari- oder eng anliegende Lederjacken zurückgreifen. Für Ibiza-Feeling sorgen Kombinationen aus weißen Hosen und locker fallenden weißen Hemden.
«Das klassische Sakko, das Kreissparkassensakko, ist tot», nennt Michael Werner, Experte für Männermode der in Frankfurt/Main erscheinenden Fachzeitschrift «TextilWirtschaft», ein Leitmotiv der Saison. Das Baumwollsakko soll ein Renner des Sommers werden. Weiche, nur leicht oder sogar ganz ungefütterte Formen werden nach dem Willen der Modeschöpfer den Ton angeben. Entspannt, aber korrekt ist der Schnitt des angesagten Sakkos, aus reiner Baumwolle oder gemischt mit Leinen und Wolle. Hochwertige Verarbeitung gilt als Muss. «So hemdig wie der Kittel eines Hausmeisters, im Branchenjargon Flitzkittel genannt, sollte es auf keinen Fall sein», warnt Werner vor einem modischen Fauxpas.
Knitter werden im Sommer erlaubt sein: Das Leinen-Sakko ist ein modisches Thema, nicht nur in der Kollektion von René Lezard «in reiner Form in verschiedenen Gewichtsklassen als auch als wichtige Beimischung für andere Fasern». Wieder tragen dürfen die modischen Männer auch Blazer, die achtziger Jahre lassen grüßen. Hier wird es ebenso betont lässig zugehen in gewaschener Baumwolle, aber auch dezenter in eher klassischem englischen Stil.
Grund für die neue Attraktivität des Blazers ist die Beliebtheit der Jeans. Denn der ungebrochene Hang der Herren zu Denim-Hosen macht den Blazer zu ihrem gefragten Kombinationspartner. Eine weitere Paarung: Blazer plus kräftig kolorierte oder weiße Baumwollhose, die in gehobener Ausführung auch für den Business-Look im Büro zulässig ist. Von «Club-Thematik, die vom Look der Seebäder am Atlantik und der Riviera inspiriert ist», spricht Michael Werner. Dunkelblauer Blazer zur Jeans: «Vor fünf Jahren wäre das noch untragbar gewesen», sagt Peter Sevenich vom DIH. Im kommenden Sommer aber geht diese Kombination.
«Cross-Casual» und «Cross-Dressing» sind die Themen für die Kombimode, kreuz und quer darf die Garderobe zusammengestellt werden. Schmal geschnittene Sakkos und Blazer werden getragen zu legeren Hosenformen, neben Jeans und Clubhosen auch Sportswearhosen, die so genannten «Five Pockets». Hemden, bevorzugt im aktuellen Streifen-Design, dürfen bei ganz Mutigen auch über den Hosenbund ragen. «Guter Geschmack verträgt auch ein gewisses Augenzwinkern», heißt es im Kollektionsbericht von René Lezard. Farblich sollte es nicht zu bunt sein - Naturfarben sind im Trend.
Bevor dem Anzug endgültig Aufwiedersehen gesagt wird, sollte sich jedoch auch in diesem Sommer ganz genau am Arbeitsplatz umgesehen werden. Denn trotz aller modischen Neuerungen, in vielen Büros ist weiterhin Seriosität angesagt. «Der Anzug ist und bleibt dominant im Herrenbereich», sagt Michael Werner. Wem aber die modisch-schmalen Tailor-Anzüge mit Anklängen aus den sechziger und siebziger Jahren für den Sommer zu unbequem und steif sind, der kann zum Baumwollanzug greifen. Neben dezenten Farbtönen wie Grau, Braun und Schwarz ist dabei für die schönsten Tage der warmen Jahreszeit ein Ton besonders angesagt: Blütenweiß.
Anzüge, Blazer und Jeans und Sportswear - die Vielfalt ist groß. Doch alles lassen die Modeexperten den Männern nicht durchgehen: «Kanariengelbes Sakko mit schwarzer Wollhose, diese Kombination ist fürchterlich, aber man sieht sie noch häufig», beklagt Michael Werner fehlendes Stilgefühl bei vielen deutschen Herren. «Was nicht geht, ist alles, was einen lächerlich aussehen lässt», meint etwas milder im Ton DIH-Fachmann Sevenich: «Man muss da einfach in den Spiegel gucken.»