1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. «Orchidea Huong» in Wernigerode: «Orchidea Huong» in Wernigerode: Bier können wir besser

«Orchidea Huong» in Wernigerode «Orchidea Huong» in Wernigerode: Bier können wir besser

Von MICHAEL FALGOWSKI 13.05.2011, 19:53

Halle (Saale)/MZ. - Was macht eine vietnamesische Zerspanungsfacharbeiterin, die in Hanoi nicht ewig an der Drehbank stehen möchte? Sie träumt vom Auswandern. Und da Huong Trute in einer Gastronomenfamilie aufwuchs, handelte ihr Traum von einem Gourmetrestaurant. Huong Trute hat es geschafft: Mit ihrem japanisch-vietnamesischen Restaurant "Orchidea Huong" in Wernigerode steht sie zum dritten Mal in Folge mit 13 Punkten im Gault Millau.

Hinter dem Begriff "Erlebnisgastronomie", den das "Orchidea Huong" auf seiner Internetseite verwendet, steht der Anspruch Frau Huongs: "Ich möchte die asiatische Kultur passend zum Essen vermitteln." Und so kommt es, dass inmitten alten Fachwerks, im Zentrum eines urdeutschen Städtchens, eine fernöstliche Oase entstand.

Wegen der gemäßigten Temperaturen bei unserem Besuch konnten wir den wunderschönen japanischen Garten leider nicht nutzen. So mussten wir uns nur noch zwischen zwei Räumen entscheiden. Das "Orchidea Huong" besteht nämlich aus zwei Spezialitätenrestaurants: dem japanischen "Hanazono" in der oberen, dem vietnamesischen "Lan" in der unteren Etage des zweistöckigen Fachwerkbaus. Beide sind schlicht und elegant ausgestattet, Stühle und Tische sind aus schwerem Eisenholz, farbige Wände, weiße Lampen, an der Wand ein farbiges Mosaik.

Asiatische Kultur vermitteln

Huong Trute hat die Einrichtung selbst entworfen: "Das Haus ist nach Fengshui-Regeln eingerichtet, passend zum Gesamtkonzept. Die Natur soll eine Rolle spielen." Da das "Hanazono" nur am Wochenende geöffnet hat, nehmen wir im vietnamesischen Lokal Platz, in dem man aber auch japanisch essen kann. Vorbei an der Bar und der offenen Küche über eine kleine Holzbrücke werden wir zu unserem Tisch neben einem Teich geführt; die Bedienung ist klassisch gekleidet, Frau Huong selber gibt, mit sicherem Gespür für die Erwartungen und Erfahrungen der Gäste, Ratschläge, wie die eine oder andere unbekannte Zutat gehandhabt werden sollte.

Nachdem das Begrüßungszeremoniell beendet wurde - warme Waschlappen zum Säubern der Hände, warmer Pflaumenwein -, folgt die Qual der Wahl. Zwei Karten werden angeboten, wobei natürlich gemischt werden darf. Übrigens werden die Gerichte tatsächlich in zwei verschiedenen Küchen von zwei verschiedenen Teams gekocht. Die japanische Karte ist erwartungsgemäß deutlich fischlastiger (großes Sushi-Angebot!) als die vietnamesische. Es gibt Vorspeisen, Suppen, Hauptgerichte, Desserts und je ein Menü mit sechs Gängen als festes Angebot; wechselnd sind dagegen die Menüs, die die Chefin themenorientiert zusammenstellt und die je nach Zustimmung der Gäste mal vier Wochen, mal aber auch nur zwei Stunden lang im Angebot sein können. Unsere Entscheidung fällt auf das japanische Menü (49,90 Euro) sowie einzelne vietnamesische Gerichte. Zuvor probieren wir je ein fernöstliches Bier (2,90 Euro), und das bleibt das Einzige, wo wir ganz klar der Meinung sind: Das können wir Deutschen besser. Die Weinkarte ist recht übersichtlich und offeriert keine Spitzen-, aber durchaus solide Weine. Wir beginnen mit einer Glasnudel-Hühnersuppe (5,90 Euro), die traditionell mit Fischsauce und Ringen von einer frischen, extrem scharfen Chillischote serviert wird. Die Schotenstückchen, rät uns Huong Trute, sollten wir am besten kurz in die Suppe tauchen, umrühren und wieder entfernen. Keinesfalls sollten sie Zunge oder Lippen berühren . . . Die vegetarischen "Sommerröllchen" (3 Euro) - Reis und frische Minze, in ein Reisblatt gerollt, in Erdnusssauce zu dippen - sind erfrischend, aber nicht umwerfend. Garnelenspieße, Sushi und Jakobsmuscheln sind erstklassig. Der herausragende Gang aber ist dünn geschnittenes, kross gebackenes, mageres Entenfleisch in einer karamellisierten Marinade.

Äußerst interessant ist das vietnamesische Fondue mit zartem Rindfleisch (17,90 Euro), das in einer Gemüsebrühe, versetzt mit Ananassaft und Essig, am Tisch gegart wird. Vietnamesisches Gemüse und Reisnudeln werden dazu serviert, und aus letzteren und der intensiven Brühe lässt sich eine wunderbare Nudelsuppe herstellen. Die Gerichte bestechen durch ihren klaren Eigengeschmack. Gewürze und Saucen, alles in extra Schälchen angeboten, sind nicht zum Übertünchen, sondern zum Unterstreichen da.

Die flambierte Crepe, mit Eis gefüllt (4,90 Euro), schmeckt gewohnt gut; neu ist uns die Kombination aus Vanilleeis und rotem Klebreis, bestreut mit gehackten Erdnüssen (4,90 Euro). Wir schließen das äußerst gelungene Essen mit einem vietnamesischen Kaffee aus den Hochland ab.

Vietnams Küche temperamentvoller

Der Unterschied zwischen beiden Küchen ist für die Küchenchefin deutlich: "Die vietnamesische Küche ist temperamentvoll, herzhaft, sie kommt dem deutschen Gaumen entgegen. Die japanische ist ausgewogen elegant, sie sucht sich ihre Genießer. Sie ist nicht zu scharf, nicht zu süß und sie verarbeitet viel Rohfisch." Während die gehobene vietnamesische Küche beeinflusst wurde durch die französische Kolonialzeit und so mitunter vertraut anmutet, sind japanische Speisen nichts für Gäste, die geschmacklich nicht offen sind. Die Mehrzahl bevorzugt denn auch Plätze im vietnamesischen "Lan".

Der Weg, den Huong Trute bis zur Eröffnung ihres Hauses vor fünf Jahren zurückgelegt hat, war lang. Als 18-Jährige kam sie 1976 nach Deutschland, lernte Dreherin, kehrte nach einem angeschlossenen Pädagogikstudium zurück nach Hanoi, stand dort sechs Jahre an der Drehbank. Es folgten Stationen in Wernigerode als Dolmetscherin, als "Höhlenfotografin" in der Rübelandhöhle, als Kellnerin in Braunlage. Dann ein eigenes "China-Restaurant" in Hasselfelde, und schließlich das Angebot, das alte Fachwerkhaus in der Klintgasse zu übernehmen - gemeinsam mit einer japanischen Freundin aus Tokio. Heute beschäftigt Huong Trute 16 Leute. Die Gäste kommen mittlerweile von weit her angereist, und glücklicherweise manchmal im Auftrag des Gault Millau.

Orchidea Huong

Adresse:
38855 Wernigerode, Klintgasse 1
Telefon: 034943 / 625162
E-Mail: [email protected]

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag ab17 Uhr, Sonnabend und Sonntag von 12 bis 15Uhr sowie ab 17 Uhr.

Hauptgerichte ab 7,90 bis 49,90 Euro,Sechs-Gang-Menü ab 25 Euro, auch kleinereMenüs auf Anfrage möglich.
Offene Weine ab 3,90 Euro pro 0,25 Liter,Wein im Schnitt 24 Euro, die teuerste Flasche:45,90 Euro.