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Orchestermusiker Orchestermusiker: Nur die Besten haben eine Chance

Von Horst Heinz Grimm 10.05.2005, 13:44

Hamburg/Weimar/dpa. - Wenn im Konzertsaal eine Symphonie die Zuhörer in ihren Bann schlägt, denkt kaum jemand daran, wie hart die Musiker des «Klangkörpers» seit Jahren für solche Auftritte haben arbeiten müssen.

Streicher und Bläser folgen scheinbar mühelos dem Takt des Dirigenten, gehen harmonisch im gemeinsamen Spiel auf. Kein Wunder, dass musikalisch begabten jungen Menschen der Beruf des Orchestermusikers erstrebenswert erscheint. Doch der Weg in ein Berufsorchester ist steinig.

Zunächst muss ein entsprechendes Studium erfolgreich absolviert werden. «Am Anfang steht eine strenge Aufnahmeprüfung», sagt Gabriele Bastians von der Musikhochschule in Hamburg, einer von 24 Musikhochschulen in Deutschland. «Der Großteil der Interessenten besteht diese nicht. Deshalb sollte eine Ausbildung sollte schon im Kindesalter beginnen.»

Solchen schulischen Anforderungen wird beispielsweise das Musikgymnasium Schloss Belvedere in Weimar gerecht. «Hier können Schülerinnen und Schüler in der 12. Klasse das Abitur erlangen», erzählt Michael Knoll von der Schulleitung. «Um aufgenommen zu werden, muss eine musikalische Eignungsprüfung bestanden werden.»

Das Gymnasium arbeitet eng mit der Hochschule für Musik in Weimar zusammen. «Das Abitur ist bei uns jedoch nicht unbedingt erforderlich, entscheidend ist die Aufnahmeprüfung», erklärt Jan Kreyßig von der Hochschule. «Das normale Mindestalter für den Studienbeginn liegt bei 18 Jahren, doch große Talente können schon früher am Unterricht teilnehmen.»

Ein angehender Berufsmusiker kann sich zwar auf sein schon beherrschtes Instrument spezialisieren, doch während des Studiums erhält er die ganze Bandbreite dieser Kunstrichtung vermittelt. «Der Schwerpunkt liegt auf dem klassischen Repertoire, also von Bach bis Schönberg, auf dem Lehrplan stehen aber auch andere Musikrichtungen, instrumentale Nebenfächer, Harmonielehre, Geschichte, Rhythmus und vieles andere», sagt Kreyßig.

Durchschnittlich acht bis zehn Semester dauert der Unterricht an den Hochschulen. Dazu kommt tägliches stundenlanges Üben auf dem jeweiligen Instrument. Zur Hälfte der Studienzeit muss eine theoretische und praktische Zwischenprüfung abgelegt werden. Gewertet wird, wie beispielsweise angehende Geiger und Geigerinnen Brahms, Mozart und Sibelius interpretieren. Nach bestandener Abschlussprüfung darf sich der Künstler Diplommusiker nennen. Für einen Lehrberuf ist ein Zusatzstudium erforderlich; auch die Promotion zum Doktor der Musikwissenschaften (Dr. scientiae musicae) steht offen.

«99 Prozent der Bewerber für eine Stellung in einem der 135 professionellen, öffentlich finanzierten Kulturorchester haben ein Hochschulstudium absolviert», erklärt Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) in Berlin. «Kulturorchester» spielen - so lautet die tarifvertragliche und gesetzliche Definition - «überwiegend ernst zu wertende Musik». Dazu kommen noch die privat organisierten Ensembles und Kammerorchester sowie die Bands der Polizei, des Bundesgrenzschutzes und der Bundeswehr.

Doch das Diplom ist noch keine Garantie für eine Anstellung. «Insgesamt gibt es bei den öffentlich finanzierten Orchestern derzeit 10 240 Planstellen für Musiker. In den kommenden drei Spielzeiten können altersbedingt etwa 400 Positionen besetzt werden», erzählt Mertens. Um einen dieser Verträge zu bekommen, muss eine große Hürde genommen werden: Das traditionelle Probespiel vor dem Orchester. «Diese drei bis fünf Minuten entscheiden», sagt der DOV-Geschäftsführer.

Die meisten Orchestermusiker werden in Deutschland nach Tarif bezahlt. Wie hoch das Gehalt im Einzelfall ausfällt, hängt laut Mertens mit der Größe und dem Renommee des Orchesters und der dafür gültigen Vergütungsgruppe zusammen. «Wer in einem kleinen Orchester der Vergütungsgruppe D spielt, ist etwa einem Grundschullehrer gleich gestellt», erklärt Mertens. Spielt ein Musiker dagegen in der höchsten Vergütungsgruppe, verdient er ungefähr so viel wie ein Musikprofessor an der Hochschule.

Mertens weist darauf hin, dass im Sommer vorigen Jahres die Statistik 1724 arbeitslos gemeldete Orchestermusiker ausgewiesen hat. «Die Berufsaussichten und die Arbeitsmarktsituation für Berufsmusiker in Deutschland haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert», beschreibt er die aktuelle Lage. «Die zunehmende Zahl von Stellenstreichungen bei den deutschen Berufsorchestern und Profi-Ensembles wird die Entwicklung weiter verschlimmern.»