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Oktoberfest Oktoberfest: Mit Dirndl und Lederhose auf die Wiesn

Von Sabine Dobel 28.09.2004, 11:07
Ein Trachten-Paar auf dem Münchner Oktoberfest. (Foto: dpa)
Ein Trachten-Paar auf dem Münchner Oktoberfest. (Foto: dpa) dpa/dpaweb

München/dpa. - Bunte Röcke, Spitzenblusen, Leserhosen - zum Oktoberfest boomt die Trachtenmontur. Nicht nur auf der Wiesn, auch beim abendlichen Tanz, in den Gaststätten und auf den Straßen in München sind immer mehr Frauen in Dirndl und Männer in Lederhose unterwegs.

«Heuer ist es enorm - der Trend marschiert», stellt Wiesn- Chefin Gabriele Weishäupl fest. Etwa die Hälfte der Besucher kommen in diesem Jahr in Tracht, schätzt die Festleiterin. Während besonders die Jugend noch vor einigen Jahren in Jeans und T-Shirt auf die Wiesn marschierte, kommen selbst Teenager heute traditionell herausgeputzt daher.

Erstmals können zu diesem Oktoberfest Miet-Dirndl im Internet bestellt werden, und sogar die Modepuppe Barbie hat dieses Jahr ihr erstes Dirndl bekommen. Der Chefdesigner James Waldron der Münchner Modefirma Rena Lange staffierte Barbie mit Rüschenbluse und rosa Schürze aus handgewebten französischen Stoffen aus.

In den Kaufhäusern drängen auch nach Wiesn-Start noch Trachtenhungrige in die einschlägigen Abteilungen. «Es war ein Spontankauf», berichtet die 37-jährige Doris, die am Samstag gerade noch rechtzeitig zur Oktoberfesteröffnung ein Dirndl erstanden hat. «Und auch nur, weil sich mein Freund auch spontan eine Hirschlederne gekauft hat. Ich kann ja nicht neben ihm in völlig normalen Klamotten auf die Wiesn gehen.»

Die Gründe für den Trachtenboom bleiben indessen vage. Die Tracht symbolisiere Zugehörigkeit, Geborgenheit und Heimat, meint Gabriele Weishäupl. «Die Tracht bedeutet Besinnung auf traditionelle Werte. Im Zeitalter von Massenmedien und Entpersonalisierung hat der Mensch ein Bedürfnis nach Heimat.» Bei den jüngeren Menschen sei es auch der Wunsch, dabei und «hip» zu sein. Vollständig erklären kann aber auch Weishäupl den Trend nicht: «Es ist wie ein Zwang zur Kostümierung.»

Die Münchner Tourismus-Chefin selbst trägt die Tracht von Berufs wegen: «Das wird so erwartet - vor allem im Ausland und bei Fototerminen.» Um sich in ihr Festdirndl zu gewanden, braucht sie 20 Minuten. Denn am Mieder muss säuberlich eine zwei Meter lange Silberkordel geschnürt werden. «Da muss man sich Zeit nehmen - sonst verheddert man sich.»

Hunderte Dirndl und Lederhosen gingen in der Woche vor der Wiesn allein im Münchner Traditionsgeschäft Angermaier über die Ladentheke. «Die Münchner und die Leute aus der Umgebung gehen nicht mehr ohne Dirndl aufs Oktoberfest - das gehört inzwischen dazu», berichtet Einkäuferin Nicole Krajewski. Nicht nur die Einheimischen, sondern auch Schweizer, Norweger und Amerikaner zählen zu den Kunden.

Weitgehend «out» ist mittlerweile die Landhausmode, man trägt wieder zumindest klassisch Nachempfundenes: bedruckte Stoffe mit Blumenrankenmuster und Streublümchen bei den Damen, Wildbock und Hirschleder bei den Herren. «Die Leute achten wieder auf Qualität - und Tracht ist Qualität.» Auch das Kaufhaus Ludwig Beck registrierte ein Ansturm: «Enorm angestiegen ist die Nachfrage der jüngeren Käufer», berichtet Sprecherin Barbara Gruber. Gefragt seien neben konventionellen vor allem flippige Modelle wie Mini-Dirndl und Bonbonfarben hellblau und rosa.

Auch bei den Trachtenvereinen ist der Zulauf vor allem der Jugend ungebrochen. In ganz Bayern sind rund 200 000 Erwachsene und 100 000 Jugendliche in Verbänden organisiert. «Bei uns läuft der Trend entgegen der demographischen Entwicklung», sagt der Vorstand des Trachterverbandes Isargau, Andreas Huber, in dem 67 Vereine in München und Umland zusammengefasst sind.

Für die traditionellen Trachtler bleiben freilich unüberbrückbare Unterschiede zur echten Tracht. Während das Dirndl von der Stange oft schon für 100 Euro zu haben ist, kann eine originale Festtags-Tracht bis zu 10 000 Euro kosten, das Ankleiden dauert schon mal eine Stunde. Bei dem derzeitigen Trend handele sich lediglich um Trachtenmode, unterstreicht Huber. «Wir verteufeln das nicht, mir persönlich gefällt das - aber es ist keine Tracht.»