MZ-Leser fragen MZ-Leser fragen: Betroffen sind ab 1992 Enteignete
Halle/MZ. - Karl M., Landkreis Quedlinburg: Mein Vater hatte mehrere Hektar Bodenreform-Land, das 1969 in Volkseigentum überführt wurde. Habe ich als Erbe nach dem Straßburger Bodenreform-Urteil jetzt Aussicht auf Rückgabe oder Entschädigung? Ich stehe nicht im Grundbuch.
Antwort: Nein. Alle, deren Bodenreformland in der DDR wieder an den Bodenreformfonds zurückgegeben werden musste - in der Umgangssprache: die enteignet worden sind - , sind von dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht betroffen. Das trifft auch auf Sie zu. Das Bodenreform-Urteil betrifft nur Bodenreform-Erben, die nach 1992 durch die neuen Bundesländer entschädigungslos enteignet worden sind, also deren Bodenreformland-Enteignung durch die Bundesrepublik Deutschland vorgenommen wurde.
Gudrun F., Dessau: Meine Eltern sind in den 60er Jahren als Neubauern in der DDR enteignet worden. Kann ich als Erbe auf Grund des Urteils einen Antrag auf Rücküberführung ihres Bodenreform-Landes stellen?
Antwort: Nein. Bodenreform-Land, das in der DDR an den Bodenrefomfonds zurückfiel oder über das eine Verzichtserklärung unterzeichnet wurde, ist grundsätzlich weg. Das Urteil trifft nicht auf Sie zu.
Monika F., Mansfelder Land: Meine Eltern hatten Bodenreformland, das ich 1993 abtreten musste. Ich stand bis dahin aber als Eigentümerin im Grundbuch. Trifft das Urteil auf mich zu? Was muss ich tun?
Antwort: Ja, alle, die nach dem 15. März 1990 als Eigentümer im Grundbuch standen, aber später enteignet worden sind, sind von dem Urteil betroffen, sollten schnellstmöglich ihre Ansprüche geltend machen. Wenden Sie sich auch an die Behörde, die Ihnen das Land 1993 weggenommen hat. Ihre Ansprüche werden Sie letztlich nur mit fachlichem Rat, beispielsweise einem geeigneten Anwalt, durchsetzen können. Mit dem sollten Sie sich schnellstmöglich beraten.
Monika M., Halle: Wie hoch werden die Entschädigungen sein, die nach dem Urteil zu erwarten sind?
Antwort: Das ist noch völlig offen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat nur entschieden, dass die Enteignung gegen die Menschenrechte verstoßen hat. Wie das Unrecht ausgeglichen wird, darüber muss gesondert entschieden werden.
Marta S., Aschersleben: Wir sind Bodenreform-Erben. 1993 hat das Land Sachsen-Anhalt uns mit einer Klage gedroht, so dass wir schließlich einem notariellen Vertrag zur Übergabe unseres Landes an das Land zugestimmt haben. Was können wir tun, um unser Bodenreform Land zurückzuerhalten?
Antwort: Zunächst: Das Urteil trifft voll auf Sie zu. Wie viele andere Bodenreform-Erben haben auch Sie nach 1992 unter Druck einen notariellen Vertrag unterschrieben, mit dem Sie Ihr Eigentum hergegeben haben.
Wenn Sie als Erbe das Land wieder haben möchten, müssen Sie alles daran setzen, diesen Notarvertrag rückgängig zu machen. Dazu sollten Sie sich umgehend an einen erfahrenen, mit dem Bodenreform-Recht vertrauten Rechtsanwalt oder einen kompetenten Verband wenden, damit diese den notariellen Vertrag angreifen. Notfalls muss das auf dem Klageweg geschehen.
Heinz J., Thale: Per Gerichtsurteil wurde ich im Sommer 2000 als Bodenreform-Erbe vom Land Sachsen-Anhalt enteignet. Kann ich jetzt dagegen vorgehen?
Antwort: Ja, alle Bodenreform-Erben, die durch das Land Sachsen-Anhalt verklagt und per Urteil enteignet worden sind, können eine Wiederaufnahme-Klage anstreben. Das sollte mit Hilfe eines Rechtsanwalts oder eines Vereins geschehen, der sich mit der Bodenreform-Problematik auskennen sollte. Die Klage muss innerhalb eines Monats seit der Urteilsverkündung am 22. Januar 2004 erfolgen. Mit der Wiederaufnahme-Klage sind Sie wieder im Verfahren drin und haben eine Chance auf Rückgabe oder Entschädigung.
Sigrun Z., Saalkreis: Meine Eltern hatten Bodenreformland. Als sie 1973 gestorben sind, wurde ich rechtmäßige Erbin, habe auch in der Landwirtschaft gearbeitet. Ich weiß nicht, ob mir das Land immer noch gehört. Bringt mir das jüngste Urteil etwas?
Antwort: Die Frage ist, ob Sie oder Ihre Eltern als Eigentümerin bis zum 15. März 1990 im Grundbuch gestanden haben. Das müssten Sie beim Grundbuchamt in Erfahrung bringen. Wenn Sie nicht eingetragen waren, berührt Sie das Urteil nicht.
Ute Sch., Burgenlandkreis: Unser Vater war bis 1996 Eigentümer von Bodenreform-Land, dann hat er per Unterschrift der "Enteigung" durch das Land zugestimmt. Jetzt ist er verstorben, wir sind die Erben. Sollten wir die Testamentseröffnung abwarten, ehe wir gegen die "Enteignungs"-Unterschrift vorgehen?
Antwort: Sie sollten sofort, also noch vor der Testamentseröffnung handeln und eine Anfechtungserklärung mit Hilfe eines Anwalts anstreben. Wichtig ist, dass Sie sich als Erben ausweisen können. Andere Unterlagen können später nachgereicht werden.
Werner E., Halle: Mein Vater hat 1945 einige Hektar Bodenreformland erhalten und war auch im Grundbuch eingetragen. Vor zwei Jahren ist er gestorben. Kann ich jetzt einen Antrag auf Rücküberführung stellen? Ich bin der Erbe.
Antwort: Die entscheidende Frage ist, ob Ihr Vater am 15. März 1990 noch Eigentümer war oder bereits zu DDR-Zeiten sein Land verloren hat. Das müssen Sie klären. Ermitteln Sie, ob Ihr Vater 1990 noch im Grundbuch stand. Wenn ja, dann brauchen Sie sich nur einen Erbschein zu besorgen und das Grundbuch zu Ihren Gunsten berichtigen zu lassen.
Jürgen F., Mücheln: Ich bin wahrscheinlich auch Nutznießer von dem Urteil. Tut sich da eigentlich per Gesetz automatisch was? Das Land weiß doch, wem es seinerzeit etwas weggenommen hat.
Antwort: Nein, automatisch wird sich da nichts tun. Jeder einzelne Betroffene sollte selbst aktiv werden und seine Ansprüche geltend machen.
Sven P., Halle: Auf unserem 2002 enteigneten Grundstück stand auch eine Garage, für die ich keinen Cent bekommen habe. Kann ich gegebenenfalls auch für die eine Entschädigung fordern?
Antwort: Ja, alles was mit dem Enteignungsprozess verbunden ist, gehört dazu.
Teresa R., Aschersleben: Wir haben 1988 der Zwangsenteignung "unter Vorbehalt" zugestimmt. Das ist auch notariell festgehalten. Lohnt es sich, das Eigentum zurückzufordern?
Antwort: Eigentlich fallen Sie ja nicht unter das Straßburger Urteil, denn Sie sind zu DDR-Zeiten enteignet worden. Dennoch sollten Sie Ihren spezifischen Fall mit einem versierten Anwalt oder einem mit Bodenreformfragen vertrauten Verein besprechen.
Fragen und Antworten notierten unsere Redakteurinnen Kerstin Metze und Dorothea Reinert.