Mehr als Bauer mit Bachelor Mehr als Bauer mit Bachelor: Was macht eigentlich ein Agrarwissenschaftler?

Melanie Balster kommt vom Dorf – einem Dorf mit vielen Bauernhöfen, die Milch, Fleisch und Getreide produzieren. Landwirtin will die 35-Jährige nicht werden. Doch sie studiert ein Fach, das sie dazu befähigen würde: Agrarwissenschaften. Sie lernt das Fach an der Universität Kiel mit dem Schwerpunkt Umweltwissenschaften. „Ich wollte einen Beruf haben, der der Allgemeinheit zugute kommt“, sagt sie über ihre Studienwahl. „Wir müssen schließlich dafür sorgen, dass unser Land bewirtschaftbar bleibt.“
Im Grundstudium standen vor allem Naturwissenschaften auf dem Stundenplan - darunter insbesondere Chemie und Physik. „Das Studium fällt einem leichter, wenn man in diesen Fächern in der Schule gut war“, sagt sie. Generell ist das Studium aber multidisziplinär, erläutert Studiendekan Prof. Jens-Peter Loy. Studierende hören auch Statistik oder Volkswirtschaftslehre.
Im dritten Semester entscheiden sie sich in der Regel für eine Spezialisierung. Das kann etwa Agrarökonomie und Agribusiness, Nutztier-, Nutzpflanzen- oder Umweltwissenschaften sein. Außerdem müssen sie ein achtwöchiges Praktikum in einem landwirtschaftlichen Betrieb machen. Später können Studierende einen Master draufsatteln: etwa in Environmental Management oder Applied Ecology.
Nur kleiner Prozentsatz übernimmt einen Hof
An rund zwei Dutzend Hochschulen können Schulabgänger Agrarwissenschaft studieren – im Wintersemester 2013/2014 waren rund 18.500 Studenten dafür eingeschrieben. „Nur ein kleiner Prozentsatz unserer Studierenden ist an der Hochschule, um später einen Hof zu übernehmen“, erzählt Prof. Loy.
Die meisten Absolventen wollen etwas anderes machen. Und ihnen stehen viele Türen offen, wie eine Studie des Berufsverbands Agrar, Ernährung, Umwelt (VdL) belegt. Die meisten Absolventen haben mit dem Studienabschluss oder kurz danach ihre erste Stelle, oft sogar nach nur einer Bewerbung. Das hat eine Befragung von rund 980 Absolventen ergeben.
Absolventen gehen häufig ins Ausland, sagt Prof. Loy. Arbeitgeber sind EU-Institutionen oder Wirtschaftskammern. Sie können eine Anstellung bei der Weltbank oder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) finden. Jobs gibt es auch im Bereich der internationalen Entwicklungshilfe. Wer in Deutschland bleiben will, arbeitet zum Beispiel im öffentlichen Dienst oder bei Unternehmensberatungen. Auch Lebensmittelproduzenten sowie Maschinen- und Agrarbedarf-Hersteller haben Bedarf. Manche bleiben auch in der Forschung und promovieren.
Feldversuche für die Schädlingsbekämpfung
Bei der BASF in Ludwigshafen gibt es eine Reihe von Agrarwissenschaftlern. „Crop Protection“ heißt der Bereich Pflanzenschutz bei dem Chemieunternehmen, erzählt Gert Lödden, einer der Unternehmenssprecher. Dort arbeiten Agrarwissenschaftler in der Erforschung und Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln sowie im Marketing und im Vertrieb.
Zu ihren Aufgaben gehört es, Feldversuche für neue Pflanzenschutzmittel zu organisieren. Sie machen das Screening für neue Wirkstoffe, Pflanzenzüchtungen und arbeiten an Zulassungsstudien für die Registrierung von Pflanzenschutzmitteln. Auch ein Traineeprogramm hat die BASF für Agrarwissenschaftler aufgelegt.
Der Agrarkonzern BayWa mit Hauptsitz in München sucht ebenfalls nach qualifiziertem Nachwuchs. Bachelor- und Masterabsolventen mit agrarwissenschaftlichem Hintergrund werden zum Beispiel für das Produktmanagement oder in Juniorpositionen im Agrarhandel gesucht. „Zudem besteht ein hoher Bedarf im Vertriebsbereich. Dafür ist ein Einstieg über ein Vertriebs-Traineeprogramm möglich“, erklärt Thomas Berger, Pressereferent Agrar.
Agrar-Absolventen sind Allrounder
Die Beschäftigungsmöglichkeiten der Absolventen sind also bunt – ob sie von den Universitäten in Kiel, Bonn, Berlin oder München oder von den Fachhochschulen in Bingen, Osnabrück, Dresden oder Weihenstephan kommen.
Genau das schätzt auch Studentin Melanie Balster an ihrem Fach. „Es ist einfach sehr vielfältig, man kann in alle möglichen Richtungen gehen“, sagt sie. Auch im Job sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass man mehrere Bereiche miteinander verknüpfen kann. „Letztlich hängt alles zusammen, selbst wenn ich mich für die Tierrichtung entscheide, lasse ich die Pflanzen nicht ganz außer Acht – denn die Tiere brauchen Futter.“
Als Absolvent bleibe man Allrounder. Sie möchte in Zukunft an einem Ort wohnen, an dem es das ganze Jahr warm ist. „Und da gibt es viele Herausforderungen für den Boden, um ihn trotzdem bewirtschaften zu können.“ In diesem Bereich sieht sie ihre Arbeit – und paukt weiterhin Naturwissenschaften. (dpa)
