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"Mamamorphose" "Mamamorphose": Wenn die beste Freundin zur Mama mutiert

Von Isabell Wohlfarth 08.12.2014, 09:07
Ein bisschen wie vom anderen Stern: Freudinnen können sich ganz schön verändern, wenn sie Mütter werden.
Ein bisschen wie vom anderen Stern: Freudinnen können sich ganz schön verändern, wenn sie Mütter werden. imago Lizenz

Da kennt man sich schon so lange – und plötzlich wird die beste Freundin Mutter: die „Mamamorphose“ beginnt. Plötzlich fängt sie an, einen selbst wie ein Kind zu behandeln, plant pompöse Taufen und Einschulungen und verbringt viel Zeit beim Nestbau – und gar keine mehr in Bars. Als kinderlose Freundin kann man da oft nur den Kopf schütteln. In ihrem Buch „Und jetzt alle nochmal aufs Klo“ schreibt Judith Luig über das schräge Verhalten befreundeter Eltern. Ein Interview.

Ihre beste Freundin ist Mutter geworden – wie hat das Ihre Freundschaft auf den Kopf gestellt?

Judith Luig: Das hat unsere Freundschaft erst einmal komplett verändert. Wir sind zusammen aufgewachsen, haben viel zusammen durchgestanden. Und auf einmal gab es da eine Sache, mit der ich gar nichts zu tun hatte, die nur in ihr drin geschehen ist. Wir wussten beide nicht, wie wir damit umgehen sollten. Sonst kann man besser teilhaben an den Dingen, die im Leben der Freundin passieren. Für werdende Eltern ändert sich das Leben komplett. Und eben auch für deren Freunde.

Sind Mütter und Väter manchmal wie Wesen von einem anderen Stern?

Ja, ein bisschen vom anderen Stern, das stimmt, die drehen sich auf einmal in einem ganz anderen Universum. Was ich so lustig fand, dass meine Freundin schon in der Schwangerschaft direkt so etwas Mütterliches, Ausgeglichenes bekommen hat.

Und das ist für Kinderlose schwer nachvollziehbar?

Nachzuvollziehen ist das schon, aber man ist eben als Kinderlose ein bisschen abgemeldet. Als Freunde geht man aus, diskutiert stundenlang über diesen Typen und jene Rocklänge. Mit dem Kind ist alles etwas anders. Das kann man als Freundin nicht so mitmachen.

Was verändert sich im Alltag, wenn Freunde plötzlich Eltern werden?

Es gibt eine Zeitverschiebung. Eltern leben in einer ganz anderen Zeitzone. Sie rufen morgens um neun an und fragen, was machst du so? Da sie ja um fünf Uhr geweckt wurden und schon drei Stunden mit jemandem sehr Kleinem gespielt haben, denken sie, es ist eigentlich Mittag. Auf der anderen Seite gehen sie zu Zeiten, in denen ich gerne reden würde, gar nicht mehr ans Telefon, sondern beschäftigen sich damit, Kinder auszuziehen und Brei an der Wand zu verteilen.

Es gibt auch eine komplett neue Geografie für Eltern. Auf einmal ist die Stadt eine ganz andere geworden. Meine besteht aus Bars und Clubs und Theater, die meiner Freundin besteht aus Zoo, Kita und Babycino. Es ist einfach ein komplett anderer Radar, der bei Eltern auf einmal zu Tage tritt.

Welche Marotten entwickeln sie? Gibt es eine lustige Geschichte?

Es gibt tausende lustige Geschichten. Schräg ist, dass sie so übergriffig werden. Meine Freundin fing sofort an zu sagen: Kannst du dir mal die Hände waschen? Und: Willst du wirklich so rausgehen? Einmal saß ich mit ihrer Tochter im Flur und hab ihr die Schuhe angezogen, da kam sie runter und sagte: Und jetzt nochmal alle aufs Klo! Meine Freundin hat mich tatsächlich aufs Klo geschickt. Ich fand das so grotesk.

Sie fängt sofort mit dem Bemuttern von anderen Leuten an. Es liegt einfach daran, dass sie ständig alles regeln muss, deswegen regelt sie jetzt oft auch mein Leben. Das hat natürlich auch seine schönen Seiten, aber kann manchmal auch nerven.

Was ist noch anstrengend?

Zum Beispiel dass man bei jungen Eltern nicht klingeln darf. Man kommt die Treppe hoch und bekommt eine „Bitte klingel nicht“-SMS. Dann steht man im dunklen Hausflur und wartet. Die Mutter singt noch Einschlaflieder und man schickt eine SMS nach der anderen.

Auch interessant ist, dass sie oft nur noch in Halbsätzen spricht. Oder gar nicht richtig zuhört. Da berichtet man am Telefon von einem Streit mit dem Chef, hört die Mutter nur „aha-aha-aha“ sagen. Und am Ende fragt sie: Und wie läuft es bei der Arbeit so?

Wie hält man so ein Leben mit befreundeten Eltern am besten aus? Weiter geht's auf der nächsten Seite.

Nehmen Eltern das, was sie tun, oft zu wichtig?

Ganz unterschiedlich. Es gibt Momente der totalen Krise, wo Eltern sagen: was mach ich nur, mein Leben geht an mir vorbei? Auf der anderen Seite gibt es auch so Momente der Selbstbehauptung. Dass sie sich zu wichtig nehmen und ihr Kind wie einen professionellen Job betreiben.

Und sie fühlen sich dann als etwas Besseres?

Manche schon. Ich beschreibe in meinem Buch mehrere Mütter-Typen. Und es gibt natürlich welche, die sich so viel weiser und klüger fühlen. Nach dem Motto: Ich kann jetzt alles besser beurteilen, das weißt du nicht, du hast ja noch keine Kinder. Viele Eltern stellen das Leben von Kinderlosen als egoistisch und hedonistisch dar und tun im Umkehrschluss so, als seien sie jetzt die allwissenden Altruisten geworden. Gerade bei alten Freunden ist man schon irritiert, wenn die die Neunmalklugen raushängen lassen.

Wie kann man mit dem so anderen Leben der Eltern-Freunde am besten umgehen?

Ich glaube, die Zeit, in der man das Gefühl hat, der Lebensentwurf des einen steht gegen den des anderen, kann man nicht viel machen, außer versuchen, die Freundschaft aufrecht zu erhalten. Man kann nur warten, bis die Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Die schwierigste Phase ist zwischen null und sechs, ein Freund nannte das mal die „Wachkoma-Phase“. Danach kommen die Freunde auch zu einem zurück.

Also einfach akzeptieren und aushalten?

Naja, das Leben verändert sich nunmal. Und ich verstehe auch meine Freunde. Weil ich auch sehe, was für einen unglaublichen Stress sie haben zwischen Hockey-Kurs und Baby-Gym. Ich kann schon verstehen, dass Freundschaften für die Eltern erst einmal untergehen. Mütter stehen schon sehr unter Druck mit Job, Kind, Beziehung. Ich bewundere auch, wie sie das alles schaffen. Da sollte man nicht auch noch ankommen und sagen: ach, übrigens, du bist auch keine gute Freundin mehr.

Warum dann das Buch?

Es ist auf jeden Fall keine Abrechnung, kein Mütter-Bashing-Buch und auch nicht der Versuch, zu sagen: Ändert euch! Ich wollte einfach dieses Chaos zwischen Freundinnen beschreiben. Es ist ein Buch darüber, wie Freundschaften sich verändern. Und eine liebevolle Betrachtung des Chaos rund ums Kind.

Buchtipp:

Judith Luig: Und jetzt alle nochmal aufs Klo. Wie meine beste Freundin Mutter wurde, Rowohlt, 2014

Autorin Judith Luig
Autorin Judith Luig
Thorsten Wulff Lizenz
Einmal wurde Judith Luig von ihrer Freundin tatsächlich wie ein Kind aufs Klo geschickt.
Einmal wurde Judith Luig von ihrer Freundin tatsächlich wie ein Kind aufs Klo geschickt.
Rowohlt Verlag Lizenz