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Magische Gewächse Magische Gewächse: «Hexenpflanzen» lassen Gartenfreunde schaudern

Von Helga Daberkow 30.09.2004, 11:41
Eine der bekanntesten Giftpflanzen: Der Fingerhut ist in vielen Gärten zu finden. (Foto: dpa)
Eine der bekanntesten Giftpflanzen: Der Fingerhut ist in vielen Gärten zu finden. (Foto: dpa) Boga Bochum Jagel

Bonn/dpa. - Man nehme Fingerhut und Aronstab, Christophskraut und Küchenschellen. Auch Farnkraut gehört dazu, und auf einem Baumwerden Misteln angesiedelt - schon ist aus einem «einfachen» Gartenein Hexen- und Zaubergarten geworden. Altes Wissen über die Wirkungenbestimmter Pflanzen mischt sich dort mit einer gehörigen PortionAberglauben. Vieles, wofür Pflanzen früher verwendet wurden, erfülltGartenfreunde mit einem Schaudern - vor allem jetzt im Herbst und vorHalloween, wenn die Nächte wieder länger werden.

Versuche, mit Magie das Schicksal zu beeinflussen, gibt es seitjeher. Pflanzen mit ihren geheimnisvollen Kräften spielten dabeischon immer eine wichtige Rolle. Druiden, Schamanen und intelligenteFrauen - von der Kirche als Hexen verdammt - hüteten das Wissen umHeilkräfte, Rauschmittel, Gifte und Gegengifte. Volkstümliche Namenvon Pflanzen verraten aber auch Unwissenden manches über magischeKräfte.

Taucht der Begriff Hexe auf, geht es meistens um Pflanzen, denenpositive Zauberwirkungen zugeschrieben wurden. Ein Beispiel istCircea lutetiana, die bis heute in Büchern als Hexenkraut zu findenist. Die Pflanze wächst in Auwäldern und heftet sich mit ihren«Hexenhaaren» an das Fell vorbeistreifender Tiere. In derVergangenheit wurde sie zur Abwehr von Albträumen in Betten gelegtoder zum Schutz vor bösen Geistern in Viehställe gehängt. Der gelbeSaft des Schöllkrauts wird als Hexenmilch bezeichnet. Mit ihr werdennoch heute Warzen beträufelt und besprochen.

Hexennester sah man in Misteln, die auffällig grün in winterlichkahlen Zweigen sitzen. Ihre Zauberkraft sollte das Geschick imkommenden Jahr zum Guten wenden. Wurmfarn (Dryopteris filixmas) heißtauch Hexenleiter. Die Erklärung dafür liefert ein Blick auf dieregelmäßig nach rechts und links abstehenden Fiederblättchen. Aufihnen stiegen angeblich die Hexen empor, bevor sie sich zum Flug indie Lüfte schwangen.

Hexenbesen heißen die Büschel kurzer, dichter Zweige, die an sonstnormalwüchsigen Gehölzen entstehen. Hexen hätten ihr Flugutensil dortverloren, glaubte man früher. Auf Dächern und Türmen befestigt,sollten die «Besen» Feuer und Blitze abwehren. Heute ist klar, dassentweder spontane Veränderungen der Gene - so genannte Mutationen -oder aber Bakterien und Pilze den seltsam aussehenden Wuchs auslösen.

Böse Magie verbindet man mit den Teufelskräutern. Meist sind diestatsächlich stark giftige Pflanzen, zum Beispiel das Adonisröschen -Teufelsauge heißt es im Volksmund. Die giftige Tollkirsche (Atropabelladonna) trägt auch den Namen Teufelskirsche, der Eisenhut giltals Teufelswurz. Der Fingerhut ist als Teufelshut bekannt, und derSchierling bekam aufgrund seiner Verwechselbarkeit mit der richtigenPetersilie den Namen Teufelspetersilie. Eine Ausnahme bildet dieTeufelskralle (Phyteuma), bei der es sich um ein essbares und gutschmeckendes Wurzelgemüse handelt.

Große Hoffnungen knüpften sich an die Liebeszauberpflanzen. DerAlraune (Mangradora officinarum) wurden besondere Kräfte nachgesagt:Sie kann mit ihrem hohen Anteil an Alkaloiden tatsächlichHalluzinationen und erotische Fantasien hervorrufen. Im Mittelalterwurde daher viel Geld für die oft menschenähnlich geformten Wurzelnausgegeben. Weniger Vermögende brauten aus Zwiebeln, Knoblauch,Brennessel, Sellerie und Petersilie Liebestränke.

Wer einen geliebten Menschen in den Fängen eines anderen sah, batHexen und Zauberer um ein Gegenmittel - meist Pflanzen wie Baldrianund Hopfen, die wir heute als Beruhigungsmittel kennen. Keuschlamm(Vitex agnus castus) oder Mönchspfeffer nutzten bereits die altenGriechen, um unkeusche Gedanken zu vertreiben. Als besonders starkesMittel, um sich aus Liebesverstrickungen zu lösen, galt die Raute(Ruta graveolens). In ähnlichem Ruf stand die Seerose mit ihrenunschuldig weißen Blüten. Kräuterfrauen wurde vorgeworfen, damitEheleute verhext und ihnen die Liebesfähigkeit genommen zu haben.

Meist half es den Frauen nicht, sich dagegen zu wehren. Vor allem,wenn sie gezwungen wurden, ihre Erfahrungen mit Salben zu verraten,war ihr Schicksal besiegelt. Pilze, Tollkirsche, Bilsenkraut oderStechapfel waren Bestandteile dieser Salben. Ihre Herstellung wurdeals Geheimnis gehütet und erforderte Sorgfalt: Eine falsche Mixturführte zum Tode.

Richtig dosiert, riefen die Salben schwere Halluzinationen hervorvom schwerelosen Fliegen, von Geistern und Dämonen. Den weisen Fraueneröffneten die Rauschzustände Zugang zu magischem und spirituellemWissen. Auch von den indianischen Völkern sind solche Rauschritualebekannt. Die Inquisition machte daraus den Flug der Hexen auf Besen,Mistgabeln und Ziegenböcken zum Rendezvous mit dem Teufel. Und dafürgab es nur eines: das Todesurteil.