Lifestyle Lifestyle: Leidenschaft fürs Zerbrechliche: Porzellan als Sammelobjekt

Hamburg/dpa. - Sie stöbern in Auktionshäusern und auf Trödelmärkten, stehen in Kundenkarteien von Fachgeschäften und Antiquariaten: Liebhaber edlen Porzellans suchen überall nach Geschirr, Vasen oder Figuren. Der bekannte Ballettdirektor John Neumeier aus Hamburg sammelt beispielsweise Tanzfiguren. «Auch Tiere sind sehr beliebt», erzählt die Kunstexpertin Dorothée Rather aus Hamburg. «So gibt es in Privathand auch eine umfangreiche Kollektion an Porzellan-Möpsen aus allen Manufakturen.»
Fällt das Stichwort Meissen, leuchten bei Sammlern die Augen. Die älteste europäische Manufaktur steht bei ihnen weltweit an erster Stelle. «Dieses Porzellan ist durchaus erschwinglich», sagt Lars Koch, Geschäftsführer des seit 180 Jahren bestehenden Auktionshauses Schopmann in Hamburg. «Ein Mokka-Service mit dem klassischen Dekor "Rote Rose" aus 13 Teilen ist für 480 Euro zu haben.»
Sammler halten nach besonderen Stücken Ausschau. «Ein Wandleuchterpaar mit Dekor "Blaue Blume" aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kostet etwas mehr als 2000 Euro, ein mehrarmiger Hängeleuchter, entstanden um 1900, ist für 18 000 Euro im Angebot», sagt Koch. Bei 55 000 Euro stehe der Aufrufpreis für ein prächtiges Speise- und Kaffeeservice mit 70 Teilen. Außer Meissen werden bei Schopmann Produkte anderer klassischer Manufakturen versteigert, so zum Beispiel von Augarten, Limoges, KPM, Rosenthal oder Königlich Kopenhagen.
Welch reicher Schatz an Porzellan in Deutschland vorhanden ist, zeigt ein Blick in die Museen. Das Belvedere im Schlosspark Charlottenburg in Berlin stellt 2300 seiner schönsten Exponate aus. Sehenswert ist auch die Porzellanabteilung im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Seltene Stücke bietet das Schlossmuseum in Gotha. «Wir zeigen viele Stücke aus den Manufakturen Thüringens», erzählt Direktor Bernd Schäfer. Das Bundesland war einst das deutsche Zentrum der Porzellanherstellung - im 19. Jahrhundert arbeiteten hier mit 110 Manufakturen mehr Betriebe als in jedem anderen Teil Deutschlands.
Die Nachfrage nach feinem Porzellan stieg mit dem zunehmenden Konsum der teuren «Kolonialgetränke» Tee, Kaffee und Kakao. Manche Tassen waren damals schon für den Alltagsgebrauch zu wertvoll und kamen nur zu besonderen Anlässen auf den Tisch - Kenner sprechen auch heute noch von «Kabinettstassen» und zahlen für ausgesuchte Exemplare mehrere tausend Euro.
Die Chinesen gelten als die Erfinder des zerbrechlichen Geschirrs, das sie schon seit der Song-Dynastie (960 - 1279) benutzten. Als man an europäischen Höfen aus Berichten von Reisenden wie Marco Polo davon hörte, wuchs die Begehrlichkeit. Könige und Fürsten zahlten viel Geld für Teller und Vasen; sie waren praktisch die ersten Sammler. Zu gern hätten sie das Geheimnis zur Herstellung erfahren, doch die Chinesen hüteten es. Ebenso die Japaner, die seit dem frühen 17. Jahrhundert Europa belieferten.
Sachsens Herrscher August der Starke liebte Porzellan und legte sich eine umfangreiche Sammlung an chinesischen und japanischen Stücken zu, die im Zwinger von Dresden zu bewundern ist. In seinem Auftrag fanden Alchimisten 1709 schließlich das Rezept zur Herstellung des «weißen Goldes». Im Jahr darauf verkündete ein «allerhöchstes Dekret» die Gründung der ersten europäischen Porzellanmanufaktur in Dresden, die schon kurz darauf nach Meißen verlegt wurde.
Die Luxusware Porzellan blieb zunächst den Herrscherhäusern und dem Adel vorbehalten, nach und nach erst kam es auch auf die Tische des Bürgertums. Im 19. Jahrhundert, besonders zur Zeit des Biedermeier, begannen die Menschen Tassen in unterschiedlichem Design zu kaufen: die bis heute bekannte Sammeltasse.
«Manche wollen besondere Stücke für die Vitrine, andere aber benutzen schönes Geschirr gelegentlich oder sogar täglich», berichtet Stefan Becker-Steinberger, Inhaber einer Fachgeschäfts für Meissner Porzellan in Hamburg. «Sehr gefragt sind Ziergegenstände wie Dosen, Vasen und Figuren.»
Wie bei den meisten Sammelgegenständen steigt auch beim Porzellan der Wert mit der Seltenheit. «Bestecke mit Porzellangriffen, Tischleuchter und Tischkartenhalter, alle zum Dekor des Service passend, wurden oft nur in kleiner Auflage hergestellt», nennt Dorothée Rather als Beispiel. Bei besonders teuren Stücken rät sie zur Vorsicht. «Auch Marken teurer Porzellane wurden schon seit dem 18. Jahrhundert kopiert», warnt sie. Ihr Rat: Ehe viel Geld gezahlt wird, sollten die Stücke von einem Fachmann überprüft werden.