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Leberblümchen Leberblümchen: Die «blaue Mauritius» unter den Gartenbewohnern

Von Helga Daberkow 12.02.2004, 10:23
Kleine Blüten von großem Wert: Die Züchtung exquisiter Leberblümchen-Sorten dauert viele Jahre, besondere Kreuzungen können deshalb mehrere Tausend Euro kosten. (Foto: dpa)
Kleine Blüten von großem Wert: Die Züchtung exquisiter Leberblümchen-Sorten dauert viele Jahre, besondere Kreuzungen können deshalb mehrere Tausend Euro kosten. (Foto: dpa) Marion Nickig

Bonn/dpa. - Gefährlich ist es, sich mit Leberblümchen zu befassen. Auf den ersten Blick wirken sie klein, blau und unauffällig. Auf den zweiten Blick enthüllt sich jedoch eine Fülle an Blütenfarben und -formen sowie an verschiedenartigen Blättern, die süchtig macht. Dabei zählen die kleinen Schönheiten keineswegs zu den Billigpflanzen. In Japan, der Hochburg der Leberblümchen-Leidenschaft, wechseln besonders schöne Sorten für den Gegenwert eines Kleinwagens den Besitzer.

Variabel ist das Leberblümchen, Hepatica nobilis, bereits am Naturstandort. Wer im Wald inmitten einer Fläche blühender Leberblümchen steht, wird bald rosa und weiße, himmelblaue, nachtblaue, tiefviolette und fliederfarbene Exemplare in dem Blütenmeer entdecken. Sogar gefüllte können sich dazwischen schummeln. Dazu kommen Blätter mit feiner Silberzeichnung auf dunkelgrünem, purpurfarbenem oder blaugrünem Grund. Aber Vorsicht, alle Exemplare in der Natur sind streng geschützt. Außerdem hassen Leberblümchen das Umpflanzen. Ausgegrabene Exemplare sind daher meist zum Tode verurteilt.

Pflanzen aus Kulturen sind härter im Nehmen und wurden so zum unerschöpflichen Quell der Züchtung. Unwiderstehlich wirkt zum Beispiel 'Suikou', die an regelmäßig gefüllte Kamelienblüten erinnert. Bei ihr schieben sich zwischen die Kreise weißer Blütenblätter überraschend ein paar dunkelgrüne, um dann wieder zu weiß zu wechseln. Grafische Muster formen die purpurnen Ränder um die weißen Blütenblättchen der gefüllten 'Zenju-Zaki'. Andere Blüten erinnern an winzige Chrysanthemen, an Anemonen oder kommen ungefüllt in feinem Gelb daher wie 'Yume Zudare', die sich zusätzlich mit einem Kranz vergrößerter, purpurner Staubgefäße schmückt.

Die Japanische Hepatica-Gesellschaft präsentiert den Adel dieser Blüten alljährlich in einer Ausstellung in Tokio. In Europa hat sich die kleine Stadt Uetersen (Schleswig-Holstein) zum Zentrum des Hepatica-Kults entwickelt. Seit drei Jahren präsentiert dort die Staudengärtnerei Jürgen Peters ihre 500 Sorten umfassende Sammlung in einer europaweit einzigartigen Hepatica-Ausstellung. Liebhaber, die sich sogar aus Skandinavien, Großbritannien, Frankreich oder Polen auf den Weg machen, dürfen dort die mit Rüschen gefüllte 'Hakurin', die chrysanthemenblütige 'Kousei', die hellviolette, gefüllte 'Müssel' und viele andere bewundern.

Besondere Sorten sind auch in Deutschland teuer. Während eine einfache Pflanze ein paar Euro kostet, erzielt Exquisites Preise von mehreren tausend Euro. «Leberblümchenliebhaber sind wie Briefmarkensammler - den Traum vom Besitz der blauen Mauritius träumt jeder», vergleicht Jürgen Peters.

Der Grund, warum die kleinen Blumen so teuer sind, liegt in ihrer Langsamkeit. Wer viel versprechende Sorten kreuzt, hat sich fünf Jahre zu gedulden, bis die Ergebnisse wirklich beurteilbar sind. Dann erst sind die Pflanzen groß genug, um sie zu teilen. Die rasche Vermehrung durch Stecklinge oder gar auf Nährlösung, wie bei anderen Arten üblich, klappt beim Leberblümchen nicht. Nachkommen gibt es nur so viele, wie die Pflanze Knospen hat. So heißt es warten, bis man eine der Raritäten ergattert.

Frühere Generationen waren in Geduld geübt. Das Biedermeier erklärte die gefüllten Röschen zur Modeblume, und schon bald blühte der Frühlingsblüher in vielen Gärten. Mühelos hielten sie es dort 25 Jahre und mehr am gleichen Platz aus. Leberblümchen, das wusste man, lieben Plätze, an denen sie ungestört wachsen dürfen.

Laubwälder auf kalkhaltigen Böden sind ihre Heimat. Im Sommer lässt das Blätterdach kaum Feuchtigkeit durch, im Winter rieselt es umso ergiebiger durch die kahlen Zweige. Schatten bis Halbschatten auf lehmig-humosen Böden, Sommertrockenheit und Winterfeuchte sollte daher auch der Gartenstandort bieten.

Wer sie an einen derartigen Platz pflanzt, wird dauerhafte Freude an den Kleinen haben, auch wenn sich nach dem Öffnen der ersten Blüten oft ein wenig Enttäuschung einstellt: So mickrig sind Leberblümchenblüten? Keine Angst, die Blüten wachsen noch. Mal passiert das am äußeren Blütengrund, dann kippt das Blütenblättchen nach vorn und die Blüte schließt sich. Dann wächst der innere Blütengrund, und die Blüte öffnet sich. So werden aus 7 Millimeter großen Blättchen 14 Millimeter oder mehr - und durch das abwechselnde Wachstum können nächtliche Kühle oder schlechtes Wetter den empfindlichen Staubgefäßen und Stempeln nichts anhaben. Verhindert allzu schlechtes Wetter den Besuch von Bienen, befruchten die Blüten sich selbst.

Mit dieser Taktik wanderte Hepatica nobilis bereits im Tertiär einmal rund um die Nordhalbkugel. Die Eiszeiten zerrissen das ehemals geschlossene Verbreitungsgebiet. Heute erstreckt es sich über weite Teile Nordamerikas, Europas und Ostasiens. Überall dort wächst es wild, oft in Gesellschaft von Verwandten wie dem Siebenbürger Leberblümchen, Hepatica transsilvanica, der Amerikanerin Hepatica acutiloba, mit Hepatica henryi in China oder mit der üppigen Hepatica maxima in Korea.