Lebensmittelkennzeichnung Lebensmittelkennzeichnung: Mogelei bei Aromen und Farbstoffen
Halle (Saale)/MZ. - oder was? Von wegen "ohne Geschmacksverstärker", "ohne Konservierungsstoffe", "ohne künstliche Aromen" - eine bundesweite Untersuchung der Verbraucherzentralen hat gezeigt, dass die Werbung mit natürlichem Image bei Lebensmitteln oft nur Augenwischerei ist. Hunderte Fälle solcher Mogeleien sind aufgedeckt worden. Rechtlich sei häufig zwar nichts zu beanstanden, meinen die Verbraucherschützer, weil es beispielsweise für die Werbung mit der Angabe "ohne Geschmacksverstärker" oder den Begriff "natürlich" keine speziellen Vorgaben gebe. Aber die Kennzeichnungen würden dem Verbraucherbedürfnis nach klaren Aussagen auf den Verpackungen nicht gerecht. Sogar von Verbrauchertäuschung ist die Rede.
"Lebensmittel, die sich einen natürlichen Anstrich geben, liegen im Trend", sagt Christa Bergmann, Leiterin des Referates Lebensmittel / Ernährung bei der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. 2008 hätten etwa 23 Prozent der in diesem Jahr neu auf den europäischen Markt gebrachten Produkte damit geworben, auf bestimmte Zusatzstoffe zu verzichten. "Doch so gelabelte Produkte sind nicht immer so naturbelassen, wie die Kennzeichnung vermuten lässt", sagt Bergmann. Das hat die jüngste Untersuchung in Bezug auf Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, Farbstoffe und Aromastoffe verdeutlicht.
Den Hinweis auf angeblichen Verzicht von Konservierungsstoffen fanden die Verbraucherschützer am häufigsten: Auf 59 Prozent der untersuchten 151 Lebensmittel hieß es "ohne". Am meisten wurden damit Milcherzeugnisse (94 Prozent), Erfrischungsgetränke (90) und Feinkostsalate (86) beworben. Bei mehr als Dreiviertel der untersuchten Trocken-Fertigsuppen fand sich darüber hinaus ein zusätzlicher Hinweis wie "natürlich", "Natur pur" oder "100 % natürlicher Geschmack".
Bei Konservierungsstoffen handelt es sich um Zutaten, die die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängern, indem sie vor dem mikrobiologischen Verderb schützen. Den Verbraucherschützern zufolge gibt es eine Reihe von Bestandteilen, die zwar - rechtlich gesehen - keine reinen Konservierungsstoffe sind, die dennoch konservierende Eigenschaften aufweisen. Dazu gehören etwa Antioxidations- und Säuerungsmittel, die in abgekürzter Form als E-Nummern 200 und 300 zu erkennen sind. Die Verbraucherschützer bemängeln, dass der Verbraucher verwirrt wird, weil er nicht wie Lebensmittelchemiker oder Juristen die gesetzliche Definition für Konservierungsstoffe im Hinterkopf hat, wenn er liest "ohne Konservierungsstoffe". Besonders wenn dieses Label in Verbindung mit "Natürlich" steht, hegt er die Erwartung, dass es sich um ein naturbelassenes Produkt und nicht um eines durch chemische Synthese hergestelltes handelt.
Bei fast der Hälfte (49 Prozent) der untersuchten 151 Produkte fanden die Verbraucherschützer den Hinweis, dass bei dem Lebensmittel auf Geschmacksverstärker verzichtet wurde. Tatsächlich hätten aber 92 Prozent dieser Produkte andere geschmacksverstärkende Zutaten enthalten wie etwa Hefeextrakte für die Würze. "Hefeextrakte enthalten aber ebenfalls reichlich Glutaminsäure beziehungsweise deren Salze, die Glutamate, was aber nicht angegeben werden muss", sagt Christa Bergmann.
Geschmacksverstärker sind Stoffe, die den Geschmack und / oder den Geruch eines Lebensmittels intensivieren. Dabei gibt es sowohl solche, die unter die Zusatzstoff-Definition fallen und als Geschmacksverstärker deklariert werden müssen, als auch solche, die charakteristrische Lebensmittelzutaten - wie Hefeextrakt - sind.
Geschmacksverstärker finden sich üblicherweise besonders in herzhaften Produkten. Bemerkenswert fanden die Verbraucherschützer deshalb, dass gerade bei Chips und Knabberartikeln, bei Tiefkühlgerichten, Wurstwaren und Pizza 91 Prozent mit dem Label "ohne Geschmacksverstärker" werben. Dafür wurden neben Hefeextrakt häufig Sojasoße, verschiedene Eiweiße und Gewürzextrakte gefunden. Als Gefahr sehen Ernährungsexperten Geschmacksverstärker für Figurbewusste: Die Stoffe regen meist den Appetit an und verleiten zum Mehressen.
Im Untersuchungsbericht wird kritisiert, dass es für die Werbung mit der Angabe "ohne Geschmacksverstärker" keine speziellen gesetzlichen Vorgaben gibt und Verbraucher in die Irre geführt werden. Die Verbraucherschützer fordern, das Label "ohne Geschmacksverstärker" grundsätzlich nicht zu verwenden, wenn geschmacksverstärkende Zutaten verarbeitet worden sind.
Ein Label "ohne Farbstoffe" wurde bei 42 Prozent der untersuchten Lebensmittel gefunden, vor allem bei Süßwaren, Erfrischungsgetränken, gekühlten Fertiggerichten und Wurstwaren. Was aber ist gemeint? Der Verbraucher wird verwirrt durch die Verwendung von Bezeichnungen wie "natürliche" oder "künstliche" Farbstoffe. Die Unterscheidung sei aus Verbrauchersicht schwer zu verstehen, heißt es im Bericht. Reichlich die Hälfte der Produkte "ohne Farbstoffe" enthielten den Untersuchungen zufolge nämlich färbende Lebensmittelzutaten beziehungsweise Farbstoffe pflanzlichen oder tierischen Ursprungs wie Rote-Beete-Saft oder Spinat. Nur 49 Prozent davon waren wenigstens in der Zutatenliste ausgewiesen. Ein Erdbeer-Joghurt "ohne Farbstoffe" verdankt seine Farbe Bergmann zufolge nicht etwa den zugesetzten Erdbeeren. Hier müssten färbende Lebensmittel wie Rote-Beete-Pulver oder Karottenkonzentrat nachhelfen.
Farbstoffe gehören zu den Lebensmittelzusatzstoffen und dürfen nur dann verwendet werden, wenn sie ausdrücklich zugelassen sind. Sie müssen auf dem Etikett in der Zutatenliste stehen. Die Verbraucherschützer plädieren dafür, die Angabe "ohne Farbstoffe" auch dann zu verbieten, wenn gezielt färbende Lebensmittel eingesetzt werden. Der Käufer einer solchen Ware dürfe nicht in die Irre geführt werden. Die Verbraucherzentralen forderten nun klare rechtliche Regelungen für die Kennzeichnung. Auch der Wildwuchs an Formulierungen müsse begrenzt werden.
Mit dem Verzicht auf Aromastoffe haben 30 Prozent der untersuchten Lebensmittel geworben, vor allem bei Erfrischungsgetränken, Tiefkühlpizzen sowie Chips und Knabberartikeln. Auch hier bemängelten die Verbraucherschützer undurchsichtige Formulierungen. Natürliches Aroma, naturidentisches Aroma, künstliches Aroma, dazu Aromaextrakte und Raucharomen - wer blickt da schon durch? Zur rechtlich korrekten Kennzeichnung reicht "Aroma" auf der Zutatenliste aus - der Verbraucher bleibt im Unklaren darüber, welche Art tatsächlich eingesetzt wurde.
Vor allem bei der Kategorie "natürliches Aroma" haben Verbraucher eine andere Vorstellung davon, wie diese Stoffe hergestellt werden, als es tatsächlich geschieht. Sie gehen davon aus, dass natürliche Aromen beispielsweise aus der abgebildeten Frucht gewonnen werden. Das aber ist ein Trugschluss, denn in der Regel müssen diese Stoffe nur aus natürlichen Ausgangsstoffen hergestellt werden, die aber rein gar nichts mit der Frucht zu tun haben müssen. So können beispielsweise der Hauptaromastoff (Vanillin) für Vanilleprodukte aus Reis oder typische Aromastoffe der Erdbeere aus verschiedenen Hölzern gewonnen werden. Oder: Ein Vanilleeis mit der Kennzeichnung "Aroma" auf der Zutatenliste kann den künstlichen Aromastoff Ethylvanillin enthalten.
Augenwischerei ist es nach den Worten der Verbraucherschützer, wenn Erfrischungs- und Fruchtsaftgetränke oder Limonaden damit beworben werden, dass sie frei von künstlichen Aromastoffen seien. "Eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten, denn künstliche Aromen dürfen in diesen Getränken gar nicht verwendet werden", sagt Christa Bergmann.
Fazit: Es gibt einen wahren Wildwuchs an Labeln, die einen Verzicht versprechen. Für mehr Verbraucherschutz mit echten "sauberen Etiketten" fordern die Verbraucherschützer:
Mit Selbstverständlichkeiten darf nicht geworben werden.
Bei Werbung "ohne" dürfen auch keine Ersatzstoffe oder Zutaten mit gleichen Funktionen eingesetzt werde.
Bei "ohne künstliche Farbstoffe" muss der Einsatzzweck der Zutaten klar benannt werden.
Formulierungen müssen vereinheitlicht werden.
Bei Aromen muss die Deklaration transparenter gestaltet werden.
Natürlichkeit und Künstlichkeit müssen exakt definiert werden.