Lahmheit und Bauchweh: Pferde sind Sensibelchen
München/Marl/dpa. - Pferde sind empfindlich, davon können viele Besitzer ein Lied singen. Die Tierarztrechnung für die Behandlung eines der mehrere Hundert Kilo schweren Sensibelchen wird schnell dreistellig.
Ganz oben in der «Hitliste» der Krankheiten steht Lahmheit, gefolgt von Atemwegsproblemen und Koliken. «Dressurpferde erkranken eher an den hinteren Extremitäten, Springpferde haben die Probleme an den Vorderbeinen. Das liegt an den unterschiedlichen Belastungen», erläutert Matthias Baumann. Seit 15 Jahren bringt der Tierarzt und Mannschafts-Olympiasieger von 1988 in der Vielseitigkeit in seinem Rehazentrum in Reichertsheim bei München Pferde wieder auf Trab. Dabei setzt er wie viele seiner Kollegen auch auf alternative Methoden wie Akupunktur.
Seine Kollegin Ina Gösmeier aus Marl in Westfalen gehörte zu den ersten Tierärzten in Deutschland, die Pferde mit den langen Nadeln behandelten. «Damals haben sich meine Kollegen schon gewundert.» Doch parallel zur Entwicklung in der Humanmedizin haben sich alternative Methoden mittlerweile auch beim Behandeln von Pferden etabliert.
Auch ansonsten gibt es allerlei Parallelen zwischen Mensch und Pferd. So beschäftigen sich auch die Forscher in der Tiermedizin immer mehr mit dem Thema Schmerztherapie. Außerdem bekommen Pferde ebenfalls immer öfter Allergien und reagieren mit Hautveränderungen oder Atemproblemen auf Gräserpollen und Insekten.
«Die Gesundheit der Pferde spielt mittlerweile eine große Rolle. Die Besitzer sind sehr sensibilisiert und geben viel Geld für ihre Tiere aus», hat Prof. Karsten Feige beobachtet. Er ist der Leiter der Pferdeklinik der Tierärztlichen Hochschule Hannover.
Auch die Diagnosemöglichkeiten haben sich deutlich verbessert. So lautet inzwischen eine häufige Diagnose bei kolik-anfälligen Pferden: Magengeschwür. Vor 20 Jahren war das unbekannt, damals gab es noch keine Magenendoskopie bei Pferden. «Viele Turnier- und Rennpferde haben Magengeschwüre, sagt Feige. Bei Freizeitpferden sind diese dagegen selten, doch schon Fohlen leiden darunter.
Laut Baumann lassen sich Pferde-Krankheiten häufig mit Haltungsfehlern erklären. Das gelte etwa für Koliken: Pferde haben eine komplizierte Verdauung. Das Futter muss durch einen 40 Meter langen Darm, dabei kann einiges schief gehen. Der Experte rät, Pferde fünf- bis sechsmal täglich zu füttern und in Ruhe fressen zu lassen. Direkt nach dem Fressen sollten sie nicht geritten werden.
Seltener geworden sind seiner Erfahrung nach Atemwegserkrankungen. Der Grund liegt in der besseren Haltung. Pferde bekommen heute meist mehr Frischluft ab als früher. Unter Reitern hat es sich außerdem herumgesprochen, dass ihre Vierbeiner bei weitem nicht so schnell frieren wie sie selbst.
Immer stärker in den Fokus rücken die Zähne: Früher verschwendete kaum ein Reiter einen Gedanken an die Beißerchen seines Pferdes, nun werden sie mindestens einmal pro Jahr kontrolliert. «Da gibt es einen richtigen Boom», erzählt Feige. Allerdings warnt er vor Scharlatanen: Es gebe viele selbsternannte Fachleute. Feige rät Pferdebesitzern daher, sich auch beim Thema Zähne lieber an einen Tierarzt zu wenden.
Literatur: Jürgen Bartz: Bis der Tierarzt kommt, Kosmos, ISBN: 978-3-4401-1297-7; Sabine Heüveldop: Das Wohlfühlbuch für Pferde, Müller-Rüschlikon-Verlag, ISBN 978-3-2750-1557-3.