1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Kinderprojekt im Krokoseum in Halle: Kinderprojekt im Krokoseum in Halle: In den Franckeschen Stiftungen wird Fremdes aufgetischt

Kinderprojekt im Krokoseum in Halle Kinderprojekt im Krokoseum in Halle: In den Franckeschen Stiftungen wird Fremdes aufgetischt

Von Sandy Schmied 28.12.2014, 11:15
Anton und seine Freunde sind mit Eifer dabei beim Tischschmuck-Basteln für den Kinderfreitisch im Krokoseum der Franckeschen Stiftungen.
Anton und seine Freunde sind mit Eifer dabei beim Tischschmuck-Basteln für den Kinderfreitisch im Krokoseum der Franckeschen Stiftungen. Günter Bauer Lizenz

Halle (Saale) - Kaum hat sich die Holztür zum Krokoseum der Franckeschen Stiftungen in Halle einen Spalt geöffnet, dringen auch schon die Geräusche von trappelnden Kinderfüßen und aufgeregtem Geschnatter bis nach draußen auf die Treppe. In den bunt gestrichenen Räumen herrscht mehr Aufregung als sonst, denn zum letzten gemeinsamen Treffen des Jahres wird ein großes Fest gefeiert. Neben dem Eingang tanzen Mädchen mit Tutu und Elfenflügeln durch die Gegend, in der Ecke wird ein Zauberhut auf seine Wirkung getestet und mittendrin versucht der neue Ehrenamtliche den Überblick zu behalten. Beim „Kulturellen Kinderfreitisch“ bleibt niemand lang allein.

Tisch als Mittelpunkt der Kommunikation

Seit 2005 treffen sich im Krokoseum jeden Donnerstagnachmittag Kinder aus verschiedenen Elternhäusern und Kulturen zum gemeinsamen Kochen, Dekorieren und anschließendem Drei-Gänge-Menü. Das schmeckt nicht nur gut, sondern hat auch noch ganz andere Vorteile. „Wir legen viel Wert auf gesunde und bewusst zubereitete Mahlzeiten. Aber mindestens genauso wichtig ist der Tisch als Mittelpunkt der Kommunikation“, sagt Anne-Marleen Müller-Bahlke, die das Projekt ehrenamtlich leitet. Wie um ihr recht zu geben, toben sich im Krokoseum vier syrische Kinder aus, die vor einigen Tagen zum ersten Mal beim Kinderfreitisch dabei waren. Sie sprechen kein Deutsch und die anderen Kinder kein Arabisch, aber wiedergekommen sind sie trotzdem. Das Gefühl von Miteinander hört eben nicht bei der Sprache auf. Kein Kind wird ausgegrenzt.

Es wird immer etwas Neues ausprobiert

Hauptsächlich landen regionale und saisonale Gerichte auf dem Teller. Ein Mal im Monat aber wird kulinarisch die Welt bereist. Auch wenn sich die Kinder regelmäßig Königsberger Klopse wünschen und den exotischen Gerichten auf der Speisekarte ab und an nur ein „Igitt“ abgewinnen können - am Ende sind sie selbst überrascht, wie gut das ungewohnte Essen schmeckt. „Wie bei den Linsen“, erzählt Susanne Kovacs, Leiterin des Krokoseums: „Die indische rote Linsensuppe war bei den Kindern der totale Renner“. Je nach ausgewähltem Land wird immer etwas Neues ausprobiert: Auf dem Boden oder mit den Fingern essen oder auch mal kleckern, weil es zur japanischen Nudelsuppe Stäbchen gibt. Passend zum Thema ist jedes Mal ein Gast eingeladen. Wenn Bosnien auf dem Speiseplan steht, dann wird nicht nur so gekocht, sondern von einem Bosnier auch ein Einblick in seine Kultur gegeben. Viele Kinder erleben im Krokoseum nicht nur Bräuche und Sitten anderer Nationen, sondern auch ihre eigenen kulturellen Wurzeln. Sei es der Bezug zu altem deutschen Gemüse oder sei es zu internationalen Bräuchen, an denen einige der Kinder nicht teilhaben, weil die multikulturellen Eltern getrennt sind.

Kinderfreitisch soll kostenlos bleiben

Die Arbeit am „Kulturellen Kinderfreitisch“ wird hauptsächlich von Ehrenamtlichen gestemmt. Einen Etat gibt es nicht. Und so ist das Angebot ohne helfende Hände, die Geld, Lebensmittel oder ihre Zeit spenden, gar nicht denkbar. Zwar wird häufig mit Getreide gekocht, das ergiebig und lange haltbar ist, aber die Gewürze und andere Zutaten sind nicht billig. Und um kein Kind auszuschließen, soll der Kinderfreitisch kostenlos bleiben. Der Verein „Wir helfen“, der in seinem aktuellen Projekt das Thema Ausgrenzung in den Vordergrund stellt, hat das Projekt jüngst mit 5 000 Euro unterstützt.

Auch für neue Ehrenamtliche gibt es immer genug zu tun. Eine von ihnen ist Mandy Uhde, die jeden Donnerstag auch ihre drei Töchter zwischen vier und zehn Jahren mitbringt. Inmitten der verschiedenen Altersgruppen und Kulturen sehen sie, dass Vieles nicht selbstverständlich ist, sagt ihre Mutter. „Hier lernen meine Kinder, dass man sich Dinge erarbeiten muss.“ (mz)