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Kaufen auf Pump Kaufen auf Pump: Kredite für den Urlaub sind umstritten

Von Christian Röwekamp 28.08.2003, 10:06

Berlin/Potsdam/dpa. - Eine Reise ist kein Videorekorder oder Eigenheim - und das macht es schwer, einen Kredit dafür aufzunehmen. Wenn später die Rückzahlung des Darlehens nicht funktioniert, hat der Schuldner zwar schöne Erinnerungen, aber nichts, was der Gläubiger bei ihm pfänden lassen könnte. Gleichwohl bieten Reiseveranstalter wie die TUI, Neckermann und Öger Ferienreisen auf Pump an - nach dem Motto: Erst buchen, dann reisen und ganz zum Schluss bezahlen. Was die Unternehmen als Kundenservice verstehen und der Deutsche Reisebüro und Reiseveranstalter Verband (DRV) als «vernünftig und begrüßenswert» beurteilt, kommt bei Verbraucherschützern allerdings schlecht an: Sie raten von den Reisen per Ratenzahlung ab.

Eingeführt haben TUI und Neckermann die neuen Finanzierungsmodelle zur laufenden Sommersaison 2003. Die Konzepte sind unterschiedlich: Bei der TUI etwa ist das Angebot «Flexi Finanz» an die Bestellung der «World-of-TUI-Card» gebunden. Diese kostenpflichtige Kundenkarte vertreibt der Marktführer in Hannover zusammen mit der Commerzbank. Die Möglichkeit, eine Reise auf Pump zu buchen, wird aber auch dabei nicht automatisch eingeräumt, sondern muss als Option gewählt werden.

Weniger als zehn Prozent derjenigen, die seit Buchungsbeginn für den Sommer eine «World-of-TUI-Card» beantragt haben, haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, sagt TUI-Sprecherin Anja Braun. Wie viele TUI-Kunden genau auf Kredit reisten, will die Firma zwar aus Rücksicht auf den Wettbewerb nicht sagen. Es hätten aber mehr sein können, wenn zwischen Buchung und Reisetermin bei «TUI Flexi Finanz» nicht mindestens sieben Wochen liegen müssten: «Das Interesse ist im Kurzfristbereich sehr groß, aber genau das bieten wir nicht an», sagt Anja Braun. Die sieben Wochen werden zur Bonitätsprüfung benötigt.

Auch Neckermann hält genaue Zahlen hinter dem Berg und spricht nur von einer «fünfstelligen Zahl» von Reisenden bei Neckermann, Air Marin und Bucher Reisen, denen in diesem Sommer Ferien per Ratenzahlung möglich gemacht wurden. Es waren dabei keineswegs nur besonders preiswerte Reisen, die auf Pump angetreten wurden. «Im Schnitt liegt der Preis bei den finanzierten Reisen über dem Gesamtdurchschnitt», sagt Bettina Hobelsberger, Neckermann-Sprecherin in Frankfurt. Die Kreditvergabe erfolgt dabei über ein Call-Center, ist also nicht die Aufgabe des Mitarbeiters im jeweiligen Reisebüro.

Bei Öger Tours in Hamburg ist die Noris-Bank der Partner beim Angebot «Easy Credit» - mit dem Kreditvertrag und der Bonitätsprüfung hat das Reiseunternehmen nichts zu tun. Auch Öger sieht den Urlaub auf Pump als reinen Service «und nicht als Möglichkeit, zusätzliche Kunden zu gewinnen», so Wybcke Meier, Mitglied der Geschäftsleitung. Der Umsatz, der so zu Stande kommt, sei auch «nicht der Rede wert».

Die Zinssätze, die beim Urlaub auf Kredit anfallen, liegen unter der Zehn-Prozent-Marke. TUIs «Flexi Finanz» sieht einen anfänglichen effektiven Jahreszins von 9,75 Prozent vor. Neckermann nimmt 9,9 Prozent und erlaubt Rückzahlungen in sechs, neun oder zwölf Raten. Öger und die Noris-Bank haben keine festen, sondern flexible Zinsen, die sich aber ebenfalls im Bereich unter zehn Prozent bewegen. Die Modelle seien damit «allemal günstiger, als wenn der Kunde sein Girokonto überzieht», sagt Christian Boergen, DRV-Sprecher in Berlin.

In der Tat liegen die Zinssätze bei Dispositionskrediten deutlich über denen der Reiseanbieter. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank in Frankfurt nahmen die Banken für eingeräumte Überziehungen im Juni 2003 zwischen 10,75 und 13,3 Prozent. Der Durchschnittssatz lag bei 12,31 Prozent. Damit bewegen sich die Dispokredite jedoch nach unten: Im Januar hatte der Durchschnittssatz noch 12,5 Prozent betragen. TUI und Neckermann lassen ihre Zinssätze aus der Sommersaison auch in der jetzt schon buchbaren Wintersaison 2003/04 unverändert.

DRV-Sprecher Boergen sieht in den Kreditangeboten der Unternehmen vor allem «eine Chance, als Verbraucher einen finanziellen Engpass zu überbrücken, ohne auf den Urlaub zu verzichten». Für die Veranstalter dagegen bestehe so die Möglichkeit, «auch Urlauber mitzunehmen, die das Geld für die Reise momentan noch nicht zusammengespart haben».

Genau an diesem Punkt setzt die Kritik der Verbraucherschützer an. Gerade in wirtschaftlich mageren Zeiten bestehe die Gefahr, dass Einzelne durch den Urlaub auf Pump in eine Überschuldungs-Situation hineingeraten, sagt Sabine Fischer von der Verbraucherzentrale Brandenburg in Potsdam: «Dann macht man den Urlaub und bezahlt erst später. Aber währenddessen steht schon wieder die nächste Reise an», befürchtet Fischer. So baue sich eine Schulden-Spirale auf.

Die Expertin rät dazu, sich bei knapper Kasse einen genauen Überblick über die Lage im Haushalts-Portemonnaie zu verschaffen «und dann Prioritäten zu setzen». Wichtig sei dabei, das Abzahlen bereits laufender Kredite nicht zu vergessen und auch an die Nebenkosten am eventuellen Ferienort zu denken. Fällt die Finanz-Bilanz insgesamt nicht so gut aus, müsse auch einmal die Einsicht aufgebracht werden, «dass eine Urlaubsreise nicht zu den lebenswichtigen Dingen gehört.»