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Internet-Zensur Internet-Zensur: Auf Googles Löschliste steht Deutschland an der Spitze

Von Steffen Könau 22.06.2012, 17:09

Halle (Saale)/MZ. - Gelegentlich taucht der Hinweis auf, ganz unten am Fuß der Ergebnisseite, auf der die Suchmaschine Google ihre Treffer anbietet. "Aus Rechtsgründen hat Google ein Ergebnis von dieser Seite entfernt", steht da, klein und unauffällig.

Und doch bedeutsam. Denn wie der gerade veröffentlichte Transparency Report von Google zeigt, nehmen die Versuche von Regierungen, Firmen und Einzelpersonen, Inhalte aus den Trefferlisten löschen zu lassen, immer weiter zu. Auch die Versuche, über Anwälte oder Behörden Nutzerdaten vom größten Internetkonzern abzufordern, wurden nach Angaben von Google in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres zahlreicher. Um 37 Prozent stiegen entsprechene Anfragen, hieß es in einer offiziellen Statistik, die die Google-Analystin Dorothy Chou in einem Blogeintrag vorstellte.

Nicht in China, wie Gelegenheitssurfer vielleicht annehmen würden. Nein, neben den USA, wo Polizei und Justiz in 177 Fällen verlangten, dass Internetseiten aus dem Suchindex entfernt werden, ist es ausgerechnet Deutschland, das mit Zensurversuchen von sich reden macht. Google berichtet bereits seit Jahren regelmäßig über Zensurversuche. Forderungen von Behörden und Regierungen aber, Seiten zu sperren, weist das Unternehmen erstmals gesondert aus.

Deutschland macht hier eine überaus fragwürdige Figur. Mehr als 100 Mal versuchten deutsche Behörden zwischen Juli und Dezember letzten Jahres, Links zensieren zu lassen. Häufig lagen den Anfragen keine Gerichtsurteile zugrunde: Die halbamtliche Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften etwa schicke Listen von Internetadressen, von denen sie angebe, dass sie deutsches Jugendschutzrecht verletzten, verbotene Nazi-Symbole zeigten oder Gewalt und Pornografie anböten, so Google. In einem Fall griff die Bundesregierung offenbar auch höchstselbst zur Zensurschere, wird berichtet: Ein Gerichtsurteil habe das Unternehmen verpflichtet, ganze 898 Suchergebnisse, die zu Blog-einträgen und Foren führten, zu sperren. Der Grund: Die nun über die deutsche Suchseite Google.de unauffindbaren Seiten enthielten "Äußerungen über eine Regierungsbehörde und einen ihrer Angestellten", die Richter für "nicht glaubwürdig" befunden hatten.

Obwohl Google nur rund 80 Prozent der Löschanfragen aus Deutschland positiv beschied, wird zumindest pro Kopf der Bevölkerung in keinem anderen Land der Welt so häufig verlangt, Internet-einträge zu entfernen. Auch wenn sie durch eine Suchmaschinen-Sperre bei Google natürlich nicht wirklich verschwinden. Wie ein Ergebnis-Vergleichstest beweist, den der Suchkonzern anbietet, tauchen Treffer, die aus Google.de gelöscht wurden, bei Google.com weiter auf.

Dennoch sieht Google-Expertin Dorothy Chou die Lage kritisch. Anfangs habe man geglaubt, gelegentliche Anfragen von westlichen Regierungen mit der Aufforderung, politische Inhalte zu löschen, seien die Ausnahme. "Aber wir haben uns geirrt." Google finde den Trend "alarmierend": "Das Recht auf freie Rede ist in Gefahr".