Internet-Protokoll Internet-Protokoll: Neuer Standard im Internet durch IPv6

Halle (Saale)/MZ. - Vor einem Jahr war Schluss mit lustig. Das Asia Pacific Network Centre, das für Asien die Vergabe von sogenannten IP-Adressen regelt, meldete, dass sein Vorrat verbraucht sei. Was normalen Internetnutzern soviel sagt wie das beliebte „Fehler 404“, bedrohte die Zukunft des Web. Denn die IP-Adresse ist es, die aus Computern, Handys und Servern erst das Datennetz macht. IP-Adressen sind für das Internet, was Telefonnummern für das Telefonnetz sind - Voraussetzung dafür, Verbindungen herzustellen.
32 Stellen reichen nicht
Vor 30 Jahren entwarfen Forscher der Uni von Südkalifornien für das US-Verteidigungsministerium die Grundlagen, nach denen die Herstellung dieser numerischen Adressen seitdem erfolgte. Das kleine Problem dabei: 1981 glaubte man eine 32-stellige Binärzahl werde genügen, allen angeschlossenen Geräten eine eindeutige Adresse zuweisen zu können.
Ein Irrtum. Zwar standen mehr als 4,2 Milliarden Internet-Anschriften zur Verfügung. Doch der Internetboom fraß den Vorrat schneller als ursprünglich gedacht. Bereits 1998 begann die Internet Engineering Task Force, eine Freiwilligenorganisation aus Technikern, Forschern und Internetfirmen, an einer Nachfolgelösung für das IPv4-Protokoll zu arbeiten. Weil der eigentlich logische Name IPv5 bereits an ein parallel laufendes, nie eingeführtes Experimentalverfahren zum Streamen von Videos und Musik vergeben war, entstand IPv6. Dieses Internet-Protokoll-Version 6 vergrößert die Zahl möglicher Adressen dank einer Erweiterung der Stellenzahl von 32 auf 128 Nullen und Einsen von vier Milliarden auf unvorstellbare 340 Sextillionen - eine 340 mit sagenhaften 36 Nullen. Verteilt auf die Erdoberfläche, wären für jeden Quadratmillimeter 600 Billiarden IPv6-Adressen verfügbar.
Mit dem „IPv6-Launch Day“ schalten insgesamt 1 400 Unternehmen, darunter Provider wie die Telekom, Webseiten-Besitzer wie Google, aber auch Behörden und Nachrichtenseiten, ihre Angebote auf den neuen Adressstandard um, wobei viele von ihnen bereits seit einem Jahr auch einen Zugang über IPv6 anboten. Ein Test war damals so gut gelaufen, dass viele IPv6 gar nicht mehr abschalteten.
Für den normalen Nutzer ist das bestenfalls ein Nullereignis. Wenn alles klappt wie geplant, merkt er von der leisen Revolution so wenig wie von der Umstellung vom Flash-Videoformat auf den neuen HTML5-Standard. Für das Internet aber eröffnet erst IPv6 die Zukunft: Reichten die Nummern bisher nur, um einem Heimnetzwerk eine IP-Adresse zuzuweisen, ist künftig genug da, jedes Gerät vom PC über das Tablet, den Fernseher bis hin zur Kamera mit einer eigenen Adresse auszustatten.
Angst vor der Profilbildung
Künftig können so noch mehr Geräte direkt miteinander sprechen, nicht nur im heimischen Netzwerk, sondern im weltweiten Datennetz. Künftig können Zugangsanbieter aber auch jedem ihrer Kunden eine dauerhafte IP-Adresse geben, die ihn immer und überall erkennbar macht. Das beflügelt natürlich sofort auch Ängste, zumindest in Deutschland. Datenschützer warnen vor einer „eindeutigen Identifizierung jedes Internet-Teilnehmers“, die jetzt möglich werde. Eine anonyme Nutzung des Netzes müsse „weiter gewährleistet sein“ heißt es. Man rate deshalb zur Nutzung von sogenannten private Extensions, kleinen Zusatzprogrammen, die Seitenbetreiber hindern, Besucher wiederzuerkennen und so eine gewisse Abschirmung bieten. Allerdings eine, die allenfalls eine Illusion von Anonymität schafft. Die meisten Menschen im Netz loggen sich ein, lassen es sich von Cookies genannten Hilfsprogrammen bequem machen und nutzen trotz steter Mahnungen konsequent überall dieselben Zugangsdaten und Passwörter. Und wenn nicht: Wie bisher auch, weiß der Zugangsanbieter im Zweifelsfall, wer wann wohin gesurft ist.