Immer mehr Deutsche erforschen ihren Stammbaum
Stuttgart/dpa. - Die Suche nach den eigenen Vorfahren, den Wurzeln der Familie, ist in Deutschland wieder stark im Kommen. Bei der Erforschung helfen Archive und Unternehmen - beim 30-jährigen Krieg hakt die Suche allerdings häufig.
Die Erforschung des Stammbaums ist längst nicht mehr nur adligen Familien vorbehalten, meint etwa Harald Heimbach, Chef der Deutschen Forschungsgesellschaft für Heraldik und Genealogie mit Sitz in Stuttgart. Heimbach weiß wovon er spricht. Er ist Geschäftsführer der größten privaten Institution für Ahnenforschung in Deutschland, die unter «Pro Heraldica» firmiert. Die Stuttgarter Forscher besitzen nach eigenen Angaben die größte private Fachbibliothek für Heraldik und Genealogie. Darin befinden sich über 100 000 Siegel, 1,5 Millionen Familienwappen und 1,3 Kilometer Regalfläche mit tausenden Dokumenten, die zurück bis ins 13. und 14. Jahrhundert reichen.
Die Stuttgarter haben jetzt den Auftrag erhalten, den Internationalen Kongress für Genealogie und Heraldik im Jahr 2010 in der baden-württembergischen Landeshauptstadt auszurichten. Auf diesem weltweiten Kongress für Ahnenforschung und Wappenkunde, der aktuell in Kanada stattfindet, werden weit über 600 Experten erwartet. Pro Heraldica kann selbst auf über 300 Wissenschaftler weltweit zurückgreifen, die einen direkten Zugriff auf Bibliotheken, Archive und Kirchenbücher rund um den Globus haben.
«Immer mehr, inzwischen auch viele junge Menschen, besinnen sich auf ihre Herkunft und wollen mehr wissen über ihre Vorfahren und damit sich selbst», sagt Heimbach. Ahnenforschung erfordere professionelle Kennerschaft, viel Erfahrung und Netzwerke über die deutschen Grenzen hinweg, fügt er hinzu. Vor allem die Kriege hätten viele Daten vernichtet. Das Wissen über die Vorfahren sei für viele aber auch einfach nur deshalb nicht mehr greifbar, weil die Großeltern zu Lebzeiten nicht befragt wurden, meint Heimbach. Aber dennoch wollten viele Deutsche heute wieder wissen, welchen Beruf ihre Vorfahren hatten, aus welchen Ländern sie zugewandert sind. «Nur was wir seriös und einwandfrei belegen können, fließt in unsere Forschungsarbeit ein», sagt Heimbach.
Für knapp 50 000 Familien aus allen Schichten hat Pro Heraldica inzwischen den Stammbaum erkundet. Zunehmend kommen große und kleine Firmen, um sich ihre Firmengeschichte aufarbeiten zu lassen, meint Heimbach. Auch für Daimler und Porsche sei das Unternehmen tätig. Gerade für Unternehmen im Familienbesitz sei es interessant zu wissen, wer wirklich zu den Gründerfamilien vor weit über hundert Jahren gehört hat, weiß Heimbach. Doch oft müssen auch die Forscher von Pro Heraldica ihre Grenzen erkennen. In vielen Fällen ende der Forscherdrang mit dem 30-Jährigen Krieg (1618 bis 1648). «Da wurde fast alles zerstört, was bis dahin in Archiven festgehalten war.» Mit großem detektivischem Spürsinn ließen sich aber manchmal noch Quellen finden, die weit vor Beginn des 30-jährigen Krieges lägen, versichert Heimbach.
Zu den Stuttgarter Ahnenforschern kommen auch adlige Familien auf der Suche nach ihren Vorfahren. «Der uralte Adel, die früheren Herrscherfamilien, haben natürlich ihre eigenen Archive, die sehr weit zurückreichen», merkt Heimbach an. Doch hätten die in Stuttgart auch festgestellt, dass nicht jeder, der den Titel «von» führt, gleich adlig ist. Andererseits habe einigen nach den Recherchen ein adliger Titel präsentiert werden können. Ein Kunde habe mit Freude erfahren, dass einer seiner Vorfahren der «persönliche Büchsenspanner des Kaisers» war. «In der damaligen Zeit eine Anstellung, die das höchste Vertrauen des Herrschers voraussetzte», wie Heimbach feststellt.
Der Genealoge räumt mit dem weit verbreiteten Irrtum auf, dass nur der Adel ein Wappen führen durfte. Auch wenn die ersten Wappenträger Kreuzritter waren, so stehe doch fest, dass sich zu Beginn des 13. Jahrhunderts das Wappen in bürgerlichen Kreisen verbreitete. Schätzungen gehen davon aus, dass es über 1,7 Millionen Wappen allein im mitteleuropäischen Raum gibt. «Es ist das Urbedürfnis der Menschen, Spuren zu hinterlassen», sagte Heimbach. «Die einen kaufen Häuser, andere schreiben Biografien, wieder andere suchen Spuren für ein Familienwappen, das man den Kindern als bleibende Erinnerung vermachen kann.» Jeder deutsche Bürger habe das Recht, ein Wappen zu tragen und es mit Stolz zu zeigen, meint Heimbach.