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Ich schaff das schon... Ich schaff das schon...: Warum es uns Eltern so schwer fällt Hilfe anzunehmen

Von Isabell Wohlfarth 08.09.2017, 13:48
Warum tut man sich eigentlich so schwer, öfter mal um Hilfe zu bitten?
Warum tut man sich eigentlich so schwer, öfter mal um Hilfe zu bitten? imago stock&people

Nein, nein, das schaffen wir schon! Wie oft habe ich diesen Satz schon gesagt und bin danach blass geworden. Im überladenen Alltag mit Jobs und Kindern und Haushalt. Denn wenn ich ehrlich bin, war ich mir oft gar nicht sicher, wie wir alles bewältigen sollen. Ohne ständig am oberen Erschöpfungslevel zu kratzen. Aber meine selbst gesteckte Devise lautete: anstrengen, durchhalten und zeigen, dass wir das alleine zu zweit hinkriegen – auch in stressigen Zeiten mit nachtaktiven Babys, trotzigen Kleinkindern und Druckwellen im Job. Wir zwei gegen den Rest der Welt. Ein vereintes Bollwerk. Berufstätige Super-Power-Eltern. Yeah.

Alle haben Stress, da kann man doch unmöglich auch noch um Hilfe bitten

Naja. Ehrlich gesagt ist dieses leicht romantisch überhöhte Selbstbild vor allem ein Produkt der Umstände. Wie bei vielen zugezogenen Großstadteltern sind unsere Hilfsquellen schlichtweg überschaubar. Da ist natürlich die Kita, ein wichtiger Pfeiler im Alltag. Aber darüber hinaus? Die eigenen Familien wohnen teilweise weit weg. Der Babysitter muss eingekauft werden. Und unsere Freunde haben selbst alle kleine Kinder und eh schon so viel um die Ohren. Die können wir doch unmöglich auch noch um Hilfe bitten.

Plötzlich außer Gefecht – der Rettungsakt ging los

Das dachte ich zumindest, bis ich keine Wahl mehr hatte. Ich wurde länger krank und war außer Gefecht gesetzt. Und wir waren plötzlich auf Hilfe angewiesen. Aus dem leicht gehetzten aber gut funktionierenden Eltern-Team war ein Alleinkämpfer geworden. Mein Mann hielt alles am Laufen. Und um uns herum ging der große Rettungsakt los. Wer holt wann die Kinder ab und geht mit ihnen spielen? Wer hilft beim Putzen und Einkaufen? 

Da war sie auf einmal überall: die Bereitschaft zu helfen. Familie, Freunde, Nachbarn haben alles mobilisiert. Und ich war berührt und beeindruckt. Aber auch geplagt von schlechtem Gewissen. Sind die anderen nicht völlig überlastet, wenn sie mir jetzt auch noch helfen müssen? Und wie kann ich nur all die Zeit und Zuwendung jemals wieder gut machen? Selbst in dieser Situation fiel es mir noch schwer, Hilfe anzunehmen. Selbst jetzt fand ich einfach den Aus-Knopf für den Wir-schaffen-das-schon-Modus nicht.

Warum fühlt sich Hilfe annehmen ein bisschen wie Versagen an?

Und so seltsam es auch klingt, ein bisschen hat sich das Hilfe bekommen auch wie Versagen angefühlt. Als gäbe man sich die Blöße, wenn man sagt: Nein, gerade schaffen wir es nicht alleine. Als würde man sein Leben nicht hinkriegen, bloß weil einem geholfen wird. Liegt das auch am Druck, immer die „perfekten Eltern“ sein zu wollen – wie die anderen, die diese Job-Kind-Sache (scheinbar) mühelos allein und mit links schaffen und dabei immer relaxt wirken – wie die Instagram-Vorzeigefamilien oder all die anderen Eltern im Park? 

Für die meisten ist Helfen keine Bürde, sondern normal

Bis man mal genau hinschaut. Und sieht, wie viel Hilfe um einen herum täglich passiert. Und wie oft sie einem tatsächlich angeboten wird. Und bis man feststellt, dass es für die Helfer – anders als ich es mir immer ausmalte – keine schlimme Bürde ist, uns zur Seite zu stehen. Auch wenn sie selbst ein volles Leben haben. Sie halfen einfach gerne, waren da und sprangen ein. Warum mich das überhaupt so überraschte – ich freue mich doch auch, wenn ich etwas für andere tun kann. Das nächste Mal bin einfach ich der Feuerwehrmann – tü-ta-ta-ta!, um es in den Worten meines Sohnes zu sagen.

Da braucht es erst den Ausnahmezustand, um simple Dinge zu verstehen. Natürlich ist in einem Notfall nichts wie immer. Im geregelten Alltag können Verwandte nicht kurzfristig hunderte Kilometer anreisen und Nachbarn nicht alles stehen und liegen lassen. Aber es geht viel mehr als man denkt. Warum nicht einfach öfter anbieten, mal ein bisschen auszuhelfen? Warum nicht einfach mal um Hilfe bitten? Und das nicht erst, wenn die Bude brennt. Sondern auch, wenn der Alltag stressig ist. Und dann diese Hilfe einfach annehmen, ohne Reue. Vielen Dank.