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Hospiz Hospiz: Wenn Kinder zu Hause sterben können

Von Maria Panagiotidou 21.07.2005, 15:08

Münster/dpa. - Chancen auf Heilung gab es nicht. «Verena wusste, wie ihre Krankheit enden würde, und sie hat immer wieder gesagt, dass sie zu Hause bleiben will», sagt Vater Franz-Josef Baggemann. Ohne das Überleitungsteam des Universitätsklinikums Münster, wäre Verenas letzter Wunsch wohl kaum Wirklichkeit geworden.

Das Team besteht aus drei Kinderkrankenschwestern, einem Kinderarzt und psychosozialen Mitarbeitern. Es hilft Eltern dabei, ihre todkranken Kinder zum Sterben aus dem Krankenhaus nach Hause zu holen. Vor drei Jahren hat der Kinderarzt Boris Zernikow von der Vestischen Kinder- und Jugendklinik in Datteln (Kreis Recklinghausen) den Überleitungsdienst in Münster eingerichtet. «Seit es das Überleitungsteam gibt, sterben 75 Prozent der jungen Patienten zu Hause», sagt Zernikow. Vor drei Jahren seien 75 Prozent in einer Klinik gestorben.

Verenas Zustand verschlechtert sich zunehmend. Neun Wochen vor ihrem Tod am 30. August 2004 ist sie völlig gelähmt. «Da war es wohltuend, dass jeden Tag eine der Schwestern angerufen und gefragt hat, wie denn die Nacht war oder ob sie Medikamenten-Nachschub organisieren sollte», sagt Angelika Baggemann. Mindestens zwei Mal die Woche seien Zernikow und eine Schwester vorbeigekommen - zum Schluss oft mehrmals am Tag. In dieser Zeit stand Verenas Pflegebett im Wohnzimmer der Baggemanns. «Wenn das Wetter schön war, haben wir sie durch die Terrassentür nach draußen geschoben», sagt die 54- Jährige und rückt auf dem Ledersofa Verenas Lieblingsstofftiere - Pferd «Nicki» und Leopard «Leo» - zurecht.

Der 24-Stunden-Notruf-Dienst des Überleitungsteams hat den Baggemanns die Entscheidung, Verena bis zu ihrem Tod zu Hause zu pflegen, leicht gemacht. Da die Fahrten zu den Patienten dauern können, sorgt das Team für Notfälle mit einem Netzwerk aus Ärzten und Pflegediensten vor. «Dass wir rund um die Uhr jemanden anrufen konnten, hat uns sehr viel Sicherheit gegeben», sagt Verenas Vater. «Kurz vor ihrem Tod wussten wir manchmal nicht, hat sie Schmerzen oder warum schwitzt sie jetzt - ein Anruf half immer weiter», sagt der 53-Jährige.

Über die medizinische Betreuung des todkranken Kindes hinaus ist das Überleitungsteam auch für die betroffene Familie eine große Stütze. «Es war tröstlich, dass da jemand war, der in dieser schweren Grenzsituation für uns gedacht hat», sagt Angelika Baggemann. «Es tat gut, dass wir alle zu Hause waren und der Alltag - auch wegen unseres Sohnes Tobias - irgendwie weiterging», sagt Verenas Mutter. Niemals kam den Eltern auch nur der Gedanke, dass es im Krankenhaus oder in einem Hospiz hätte besser sein können.

Die ständigen Fahrten in die Klinik zu vermeiden, die oft ein Familienleben zu zerreißen drohen, ist auch ein Ziel des Überleitungsteams. Zur seelischen Unterstützung der Familie halten die Fachleute Kontaktmöglichkeiten zu Seelsorgern, Psychologen und Therapeuten bereit. Auch nach dem Tod eines Kindes bricht die Betreuung nicht ab.

«Dass das Überleitungsteam auf Verenas Beerdigung war, hat uns allen sehr viel Trost geschenkt», sagt Angelika Baggemann. Die Verbindung über den Tod des Kindes hinaus ist für die Baggemanns sehr wichtig. «Es tut gut, nach Verenas Tod mit diesen Menschen über sie sprechen zu können.»