1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Haus & Garten
  6. >
  7. Gärtner-Schreck: Spanische Nacktschnecke sorgt für massive Probleme

Schädlinge im Gemüsebeet Gärtner-Schreck: Superschnecke vermehrt sich rasant und sorgt für massive Probleme

Sie bringt Hobbygärtner zur Weißglut: Die Spanische Wegschnecke kann ganze Gemüsebeete vertilgen, selbst hängende Gefäße sind nicht sicher. Derzeit ist die Lage besonders schlimm, so Experten. Was gegen den Schädling hilft.

Von dpa/DUR. Aktualisiert: 29.07.2024, 10:33
Die Spanische Wegschnecke kommt vielerorts vor - ausgerechnet in Spanien aber nur ganz vereinzelt.
Die Spanische Wegschnecke kommt vielerorts vor - ausgerechnet in Spanien aber nur ganz vereinzelt. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Berlin/DUR. - In Hobbygärtner-Foren ist es seit Wochen ein viel diskutiertes Thema: Mühsam angezogene Pflänzchen werden über Nacht bis auf den Stumpf von Nacktschnecken weggefressen. Unfassbar viele seien es in diesem Jahr, heißt es - ein Eindruck, den Experten bestätigen. „Ja, es ist schlimm dieses Jahr“, bekräftigt auch Michael Schrödl von der Zoologischen Staatssammlung München (ZSM).

Zweites feuchtes Jahr in Folge hilft Nacktschnecken

„Nach den Dürrejahren 2018 bis 2022, in denen die Populationen entsprechend eingebrochen sind, haben wir nun das zweite sehr feuchte Jahr in Folge“, erklärte Markus Pfenninger vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt.

Lesen Sie auch: Wie Sie schädliche Insekten im Garten bekämpfen

Schon im letzten Jahr hätten sich die Populationen erholt und in diesem Jahr entsprechend von einem bereits hohen Niveau loslegen können. Auch der milde Winter habe sicher nicht geschadet - „aber nach unseren Beobachtungen haben nur extrem kalte Winter einen wirklich nachhaltigen negativen Einfluss“.

Lesen Sie auch: Drei Tipps gegen Nacktschnecken im Garten

Wenn der Salat verschwindet und sich glitzernde Schleimbänder über die Beete ziehen, war wahrscheinlich sie am Werk: die Spanische Wegschnecke. Fachname Arion vulgaris, auch Große Wegschnecke genannt. Sie kommt vielerorts vor - ausgerechnet in Spanien aber nur ganz vereinzelt, wie Forschende in den vergangenen Jahren herausfanden.

Lesen Sie auch: Zehn Tipps gegen Schnecken: Das nackte Grauen

Anders als lange angenommen wurde sie demnach wohl nicht durch Obst- und Gemüseimporte nach dem Zweiten Weltkrieg von der Iberischen Halbinsel eingeschleppt - der Name führt also in die Irre.

Arion vulgaris ist eine wahre Superschnecke

Vielmehr lebt die Art wahrscheinlich schon sehr lange, zumindest in Südwest-Deutschland. Seit den 1960er-Jahren taucht sie vermehrt und immer weiter nördlich und östlich auf, oft in hohen Dichten. Zum Leidwesen von Gärtnern handelt es sich um wahre Superschnecken.

Lesen Sie auch: Was im Winter gegen Nacktschnecken hilft

Die bräunlich-rötlichen Tiere können hervorragend klettern, Hochbeete sind kein Problem für sie, wie Michael Schrödl einmal erklärte. Selbst ein hoch hängendes Gefäß hält sie demnach nicht ab: Sie seilen sich am Schleimfaden hinunter. Salat und Gemüse können sie aus Dutzenden Metern Entfernung riechen.

Trockener Rasen und gekieste Wege mögen für andere heimische Nacktschnecken ein Problem sein, nicht aber für Arion vulgaris. Sie vermehrt sich Experten zufolge schneller, frisst mehr und setzt sich notfalls zum Fressen in die pralle Sonne, ohne Schaden zu nehmen.

Lesen Sie auch: Pinkes Warnsignal! Wer diese Eier im Garten findet, sollte schnell handeln

Zudem zeigen Erbgutanalysen, dass sie sich stark mit anderen Arten vermischt - und sich auf diese Weise womöglich immer neue günstige Eigenarten für die jeweilige Umgebung aneignet. Und als wäre das alles nicht genug: An einer ausgewachsenen Arion vulgaris haben - von Indischen Laufenten abgesehen - kaum Fressfeinde Interesse. Auch manche Laufkäfer können junge Wegschnecken oder deren Eier fressen.

Es fehlt an Igeln und Kröten in den Gärten

Manche Hobbygärtner geben derzeit in Foren an, täglich Dutzende bis Hunderte Nacktschnecken abzusammeln. Ein Teil des Problems ist Pfenninger zufolge mit gewisser Wahrscheinlichkeit, dass es immer weniger Jungschnecken vertilgende Tiere wie Igel und Kröten gibt. „Arion vulgaris ist ein Profiteur der Einöde in den Gärten“, wie Schrödl sagte.

Ein Problem: Es gibt immer weniger Jungschnecken fressende Tiere wie Igel und Kröten.
Ein Problem: Es gibt immer weniger Jungschnecken fressende Tiere wie Igel und Kröten.
Foto: dpa

Lesen Sie auch: Statt Chemie: Fressfeinde von Schädlingen ins Haus holen

Eine Maßnahme gegen Nacktschnecken basiert auf deren Vorliebe für Bier - die Tiere mögen generell den Geruch von Gärstoffen, der potenzielle Nahrung anzeigt: die Bierfalle. Die verführerisch duftende „Trinkhalle“ lockt Experten zufolge allerdings Schnecken aus der gesamten Umgebung herbei - nur ein kleiner Teil von ihnen ertrinke, der Rest mache sich zahlenmäßig verstärkt ans Fressen.

Weitere Maßnahmen gegen die Spanische Nacktschnecke

Zu empfehlen ist demnach vielmehr, nur morgens zu gießen, Beete mit Grenzstreifen aus Sand oder Schneckenzäunen zu umranden und potenzielle Eiablagestellen wie auf dem Boden liegende Bretter regelmäßig zum Austrocknen in die Sonne zu drehen. Oder, für Menschen, die das können: „Ein schneller Schnitt im vorderen Drittel tötet die Schnecken sofort“, wie Schrödl erklärte.

Lesen Sie auch: Tipps gegen Schnecken im Faktencheck

„Angeblich hilft Kaffeesatz, weil Koffein ein Nervengift für Schnecken ist“, sagte Pfenninger. Auch das Absammeln gilt durchaus als Möglichkeit, die Population einzudämmen - allerdings dürfen die Schnecken dann auf keinen Fall im Wald oder anderswo in der Natur landen, wo sie heimische Arten zu verdrängen drohen. Städtische Hundewiesen hingegen sind Schrödl zufolge ein guter Ort: „Der Kot wird von den Nacktschnecken gefressen.“

Die Spanische Nacktschnecke ist auch ein Nützling!

Das ist generell ein Faktor, der schnell vergessen wird: Arion vulgaris mag schwer nerven, ist im Garten aber auch sehr nützlich, weil Kot und Kadaver beseitigt und Kompostierungsprozesse auf Trab gebracht werden.

Kurios: Bereits im Jahr 2007 hat Dänemark, das damals von einer Schneckenplage betroffen war, eine nationale Strategie gegen die Spanische Wegschnecke erarbeitet. Einer der Vorschläge aus dem Umweltministerium: Arbeitslose gegen die Schnecken einzusetzen.