Grenzen der Selbstbestimmung Grenzen der Selbstbestimmung: Streit in der Eigentümergemeinschaft
Berlin/dpa. - Endlich in den eigenen vier Wänden: Wer von einer Miet- in eine Eigentumswohnung zieht, knüpft an diesen Schritt die Vorstellung von Freiheit und Selbstbestimmung. Dass beides an der eigenen Wohnungstür endet, wird nicht selten übersehen. «Käufer treten der Zwangsgemeinschaft der Miteigentümer bei», sagt Stefan Bentrop vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Berlin. «Viele unterschätzen, in welchem Umfang sie Regeln unterworfen werden.»
Das quasi gesetzgebende Organ einer Wohnanlage ist die Eigentümerversammlung. Sie wird vom Verwalter mindestens einmal im Jahr einberufen und entscheidet über das, was alle angeht - etwa den Wirtschaftsplan und die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Eigentümerversammlungen können je nach dem Charakter der Beteiligten unterschiedlich ablaufen: «Es gibt Anlagen, in denen alles schläft und der Verwalter freie Hand hat», weiß Christian Michaelis von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart. «Wenn es aber zu Auseinandersetzungen kommt, gehen die emotional oft weit über das bei Mietwohnungen übliche Maß hinaus.»
Wer sich in eine bestehende Wohnanlage einkaufen will, tut gut daran, nicht nur die Wohnung anzusehen. «Es empfiehlt sich, Kontakt zu anderen Eigentümern aufzunehmen», sagt Gabriele Heinrich vom neugegründeten Verband Wohnen im Eigentum mit Sitz in Bonn. «Dann kann man feststellen, ob die Chemie stimmt.»
Auch um das Aktenstudium kommen Interessenten nicht herum. Frühere Beschlüsse der Eigentümerversammlung sollten durchgelesen werden, da sie auch Zuzügler binden. Das A und O aber ist die Prüfung von Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung. «Wer das unterlässt, handelt grob fahrlässig», warnt Rechtsanwalt Egbert Kümmel von der auf Immobilienrecht spezialisierten Kanzlei Schultz und Seldeneck aus Berlin.
Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung bilden das Statut einer Eigentümergemeinschaft. Hier ist festgelegt, was zum Sonder- und was zum Gemeinschaftseigentum gehört, wem Sondernutzungsrechte eingeräumt wurden, welche Mehrheiten für Beschlüsse erforderlich sind. Von den Regelungen des Gesetzes über das Wohnungseigentum (WEG) kann dabei in vielen Fällen abgewichen werden. «Nach dem Gesetz hat zum Beispiel jeder Eigentümer eine Stimme», erläutert Kümmel. «Die meisten Bauträger ändern das in der Teilungserklärung dahingehend ab, das nach Miteigentumsanteilen abgestimmt wird. Das ist ja auch sinnvoll.»
Selbst das Einstimmigkeitsprinzip bei baulichen Veränderungen lässt sich in der Teilungserklärung aushebeln. Das geschieht freilich selten. Meist gilt, dass einer Umgestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums jeder beeinträchtigte Eigentümer zustimmen muss. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn das Haus sein Erscheinungsbild ändert.
Ein Vetorecht besteht auch, wenn in die Statik eingegriffen wird oder die Veränderungen Lärm und Schmutz produzieren. Wer etwa das Dachgeschoss ausbauen will, ohne dass die Teilungserklärung dies ausdrücklich gestattet, hat schlechte Karten. «Gerade in großen Anlagen gibt es immer einen, der sich querlegt», sagt Rechtsanwalt Carsten Wilke aus Frankfurt. Das heißt freilich nicht, dass es in kleineren Eigentümergemeinschaften unkomplizierter zugeht. «Ist da der Wurm drin, werden schon einfachste Entscheidungen blockiert», so Wilke.
Wer in eine Eigentumswohnung ziehen möchte, sollte darauf achten, dass das Haus nicht von Mietern dominiert wird. Die Interessen von Kapitalanlegern und Selbstnutzern gehen häufig weit auseinander. «Kapitalanleger interessieren sich kaum für den Zustand der Anlage, können sich wegen der steuerlichen Verlustabschreibung aber größere Investitionen leisten», sagt vzbv-Referent Bentrop.
Wie überall im Leben dreht sich Streit in Eigentümergemeinschaften meist ums Geld. Da ist es von Vorteil, wenn das Haus eine Mitgift mitbringt - in Form einer angemessen hohen Instandhaltungsrücklage. Zwar gehört deren Ansparen zu den Aufgaben einer ordnungsgemäßen Verwaltung. «Gerade bei kleineren Eigentümergemeinschaften, etwa als Folge eines Erbes, befindet sich aber oft nichts im Topf», sagt Verbraucherschützer Michaelis. Bei vielen Immobilien der 60er und 70er Jahre stehen große Investitionen an. Ein scheinbar günstiger Kaufpreis relativiert sich, wenn in Kürze Unsummen für ein neues Dach fällig werden.
Streit in der Eigentümergemeinschaft verschafft den Rechtsanwälten in Deutschland viel Arbeit. Das Anfechten von Beschlüssen der Eigentümerversammlung bildet dabei die größte Fallgruppe. Der Antrag muss innerhalb eines Monats eingereicht werden - aber nicht bei der Hausverwaltung, sondern beim Amtsgericht. Angefochten werden kann aus formalen Gründen, etwa wenn ein Tagesordnungspunkt nicht in der Einladung aufgeführt war. Aber auch inhaltlich ist eine Überprüfung möglich: «Ein Beschluss muss sinnvoll sein und im Interesse aller liegen», sagt Rechtsanwalt Kümmel.
Von vornherein nichtig sind bloße Mehrheitsbeschlüsse, die das Grundverhältnis der Eigentümer untereinander regeln, es sei denn, die Teilungserklärung besagt etwas anderes. Das hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil zu den so genannten Zitterbeschlüssen entschieden (Az.: V ZB 58/99). Eigentümerversammlungen bleiben aber auch ohne Zitterbeschlüsse eine nervenaufreibende Angelegenheit.
Informationen: Wohnen im Eigentum, Martinsplatz 2a, 53113 Bonn (Tel.: 0228/721 58 61, Fax: 0228/721 58 73, Internet: www.wohnen-im-eigentum.de); Haus & Grund Deutschland, Mohrenstraße 33, 10117 Berlin (Tel.: 030/20 21 60, Fax: 030/20 21 65 55, Internet: www.haus-und-grund.net).