Gewürz Gewürz: Ein scharfer Abgang
Halle (Saale)/MZ. - Der Koch Ingo Holland schlenderte durch das jüdische Viertel in Paris und betrat einen kleinen Gewürzladen. Dann kam er aus dem Staunen nicht mehr heraus. Er sah Pfeffer: schwarzen, weißen, roten und grünen. Hielt Langen Pfeffer, Tellicherry und Szechuankörner in der Hand. "Diese Vielfalt war für mich total faszinierend", erinnerte sich Holland, "und ich habe mich eingedeckt."
Das war vor 13 Jahren. Zu einer Zeit, als in Deutschland die meisten Pfeffer nur als staubtrockenes, gräuliches Pulver aus dem Supermarkt kannten. Heute ist ein schlechter Gastgeber, wer auf der heimischen Tafel nicht mindestens drei verschiedene Sorten bietet, frisch gemahlen, am besten aus dem Olivenholz-Mörser, versteht sich. Am liebsten ist dabei immer noch der traditionelle schwarze Pfeffer, der unter Sterne-Köchen als besonders aromatisch gilt. Wie bei Spitzen-Wein gilt aber auch bei Pfeffer: Auf die Lage kommt es an.
Der schwarz-braune Malabar-Pfeffer von der indischen Westküste ist so etwas wie der Urahn. Gewürzhändler preisen sein "ausgesprochen feines Bouquet von Holz- und Fruchtaromen, gepaart mit angenehmer Säure". Am Gaumen entfalte er, so die Experten vom Feinkostversand Gourmantis, "Holznoten von Zeder und Rauch, die lange andauern". Eine Pfeffersammlung gehört für Hobbyköche mittlerweile zur Küchen-Grundausstattung.
"Ich freue mich, wenn man mich einen Pfeffersack nennt", sagt Ingo Holland, so etwas wie der deutsche Pfeffer-Papst, der in seinem Laden in Klingenberg am Main mehr als zwanzig verschiedene Sorten aus den unterschiedlichsten Herkunftsgebieten vorrätig hält. Wer als Kenner gelten möchte, hat schwarze, weiße und grüne Körner aus diversen Anbaugebieten in seinem Gewürzschrank.
Ein Muss bei den schwarzen ist der Tellicherry, ein alter, wild wachsender Pfeffer, von der indischen Malabarküste. Traditionell wie auch bei anderen Sorten nach großen Handelshäfen benannt, dem früheren Tellichery, heute Thalassery. Die Beeren sind bei der Ernte reif - deshalb wird er auch gerne Spätlese-Pfeffer genannt - und orangerot. Die getrockneten Körner sind tiefschwarz und schmecken im Vergleich zu anderen, so sind sich die meisten Köche einig, vollmundiger wie etwa eine rote Paprikaschote im Gegensatz zu einer grünen. Deshalb kosten 50 Gramm auch stolze 10 Euro.
Nicht billiger ist der Lampung-Pfeffer von der Südspitze der indonesischen Insel Sumatra. Die braunen Körner, so preisen ihn Händler an, duften nach Brioche mit feinen Holz-, Leder- und Nelkenaromen. Weißen Pfeffer nehmen Sterneköche vor allem für Saucen, weil sonst schwarze Pünktchen die Optik stören würden. Der weiße wird nicht ganz reif geerntet und dann geschält. Der aromatischste, der Muntok, stammt von der Insel Bangka im Südosten von Sumatra und wächst am besten an sonnigen Hanglagen.
Sehr selten sind rote Beeren auf dem Markt. Denn die reif geernteten Körner werden nicht fermentiert, sondern sofort getrocknet. Das ist eine Prozedur für Erfahrene, denn das vollreife Fruchtfleisch um den harten Kern schimmelt sehr leicht. Das hat seinen Preis: Knappe 50 Gramm gibt's für satte 13 Euro.
Zudem präsentiert sich die Pfefferwelt durch eine ganze Reihe von Gewürzen, die botanisch gesehen gar kein Pfeffer sind, aber eindeutig pfefferiges Aroma haben. Wie der nicht mit dem Roten eigentlich kaum zu verwechselnde Rosa Pfeffer. Die fast wie Puffreis trocken platzenden Perlen sind ein Mangogewächs aus Peru und schmecken äußerst mild. Bei den Hobbyköchen weniger bekannt dürften auch andere Pseudo-Pfeffer sein, wie der nach Anis schmeckende Mohrenpfeffer aus Ghana, der milde Mönchs-Pfeffer aus dem Mittelmeerraum, der rötlich-braune Malagueta Pfeffer oder der süßliche Tasmanische Pfeffer. Profis würzen Nachspeisen wie eine karamellisierte Ananas mit den tasmanischen Körnern.
Auch der für viele asiatische Gerichte unentbehrliche Szechuan-Pfeffer ist lediglich die getrocknete Knospenhülse des chinesischen Gelbholzbaumes. Und schon gar nicht ist Cayennepfeffer Pfeffer, denn der besteht aus gemahlenen Chilischoten.
Einen Kick im Gewürzregal geben Sorten, die weder zu den schwarzen oder den weißen gehören. Kubeben-Pfeffer aus Indonesien, der leicht nach Kampfer duftet, passt hervorragend zu kräftigen Fleischgerichten. Und der etwa zwei Zentimeter lange, süßliche Langerpfeffer aus Indien, der einem Mini-Tannenzapfen ähnelt, wird mit einer Muskatreibe am Tisch über das Essen gehobelt.
Eines gilt allerdings für alle: Fades Essen wird durch pures pfeffern nicht besser. Der schlimmste Fehler sei eine Überdosis, so Ingo Holland. Der Koch meint, "das Klischee, Pfeffer und andere Gewürze dürfen nicht mitgebraten werden", sei überholt. Bei niedriger Temperatur schmeckten die Gerichte sogar besser, wenn am Anfang gepfeffert wird. Grüner Pfeffer, den Holland in milden Kokosessig einlegt, benötige sogar die volle Bratzeit, um sein nahezu gemüsiges Aroma voll zu entfalten.