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Gewichtsprobleme Gewichtsprobleme: Dürfen schon Kinder Diät machen?

Von Lisa Harmann 30.10.2015, 14:31
Alte Essensmuster abstreifen – das stellen sich viele schwierig vor. Das muss aber gar nicht so kompliziert sein.
Alte Essensmuster abstreifen – das stellen sich viele schwierig vor. Das muss aber gar nicht so kompliziert sein. imago/McPHOTO stock&people Lizenz

Elkes Sohn wiegt mehr als seine Mitschüler. Seit seinem vierten Lebensjahr ist er immer etwas schwerer, als die kinderärztliche Normkurve es vorsieht. Jetzt ist er neun. „Er bewegt sich einfach nicht so viel wie die anderen, er ist gemütlich“, sagt Elke. Dass er abnehmen soll, thematisieren sie nicht groß. Sie bietet jetzt einfach mehr Gemüse zu den Mahlzeiten an.

„Kinder sollten nicht diäten“, sagt Mathilde Kersting vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund. Eine Diät löst keine Probleme, weil sie zeitlich begrenzt ist. Vielmehr sollten Eltern eine dauerhafte Optimierung des Lebensstils anstreben. „Bei Kindern reicht es fast aus, wenn sie das Gewicht halten, sie befinden sich ja im Wachstum. Ein Kopf größer bei gleichem Gewicht und schon ist das Kind schlanker“.

Das gilt natürlich nicht für Kinder mit Adipositas. Für sie braucht es eine fachkundige Anleitung. Die Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kinder- und Jugendalter (AGA) bietet auf ihrer Internetseite Adressen für Betroffene an. Für nicht adipöse Kinder, die einfach ein paar Kilo zu viel haben ist eine solche Begleitung aber oft nicht nötig.

Mathilde Kersting macht Eltern Mut und möchte ihnen das schlechte Gewissen nehmen. Es muss nicht immer kompliziert sein, sich und sein Kind gesünder zu ernähren, sagt sie. Auch Fertignahrung sei nicht tabu. „Eine Dosensuppe schmeckt einfach vielen Menschen gut. Wer einfach noch etwas Tiefkühlgemüse hinzufügt, lebt schon gesünder“, sagt sie. Eine Fertigpizza? In Ordnung, solange die Eltern noch Rohkost dazu reichen – Gurken, Möhren oder Tomaten zum Beispiel. Ein Schokomüsli? Ja, mit leckeren Obststücken. „Auf die Mischung kommt es an“, sagt Kersting.

Rund 15 Prozent der Kinder übergewichtig

Elkes Sohn kam schon recht schwer zur Welt, mit viereinhalb Kilogramm. Das muss nichts heißen, aber er war eben nie so grazil wie andere Kinder. Im Kindergarten wurde er oft nicht satt, also aß er zu Hause quasi ein zweites Mittagessen - wenn Elke selbst aß. „Er hat Freunde, er spielt Geige und Fußball“, sagt seine Mutter. Zum Glück werde er nicht gehänselt.

Rund 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind gemäß der KIGGS-Studie (2003-2009) des Robert-Koch-Instituts übergewichtig, 6,3 Prozent davon adipös. Die große Studie des Robert Koch-Instituts zur gesundheitlichen Lage der Kinder und Jugendlichen in Deutschland ergab, dass es 1,9 Millionen übergewichtige Kinder und Jugendliche gibt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite die zehn Tipps für behutsames und achtsame Ernährung bei Kindern und Jugendlichen.

„Gesundes Essen beginnt zu Hause. Falsche Ernährung und zu wenig Bewegung: Deshalb ist fast jedes fünfte Kind und jeder dritte Jugendliche in Deutschland übergewichtig“, so heißt es im Klappentext des Buches Familie in Form von der Stiftung Warentest und Autorin Dagmar von Cramm, Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.

Mit ihrem Buch möchte sie erreichen, dass alle Familienmitglieder satt, aber nicht dick werden. Am Anfang stehe die Selbsterkenntnis, heißt es. Es geht um Ernährung, Lebensmittel, Bewegung, Stress und Genuss.

Genau das sind die Punkte, die auch Elke berücksichtigt, wenn es um ihren Sohn geht. Sie setzt ihn nicht zwanghaft auf Diät, achtet aber darauf, dass er ausgewogen isst und sich mehr bewegt. „Er soll schon noch Kind sein dürfen und auch noch genießen dürfen.“

Genuss ist erlaubt, das findet auch Mathilde Kersting und trägt zusammen, was Kindern und Jugendlichen bei Übergewicht helfen kann.

1. Auf Getränke achten

Natürlich ist Wasser oder ungesüßter Tee am besten und hat keine Kalorien. Säfte sind genau so kalorienhaltig wie Limonaden. Sie sollten eben nicht pur, sondern als Schorle getrunken werden, und die Schorle nach und nach immer mehr verdünnt werden. Selbst Limonaden sind okay – zu besonderen Anlässen, als Ausnahme.

2. Nicht mit Essen belohnen

Nahrung sollte niemals als Strafe oder als Belohnung eingesetzt werden. Als Druckmittel taugt sie nicht.

3. Zusammen essen

Ein Frühstück, Mittag- oder Abendessen dient nicht nur der Nahrungszufuhr, sondern auch dem familiären Sozialgefüge. Eine lockere Atmosphäre ohne Zwang kann auch zu einer gesünderen Ernährung führen, zum Beispiel, weil langsamer gegessen wird.

4. Betonung auf „gesund“ weglassen

Einige Kinder verbinden mit dem Wort „gesund“ etwas Ekliges. Deshalb ist es manchmal sinnvoller, zu sagen: „Oh, das sieht ja langweilig aus, da fehlt noch eine Farbe auf dem Teller, damit er bunt wird“, um dann zu den Nudeln mit Tomatensauße noch Erbsen oder Mais zu reichen.

5. Zucker allein macht nicht dick…

…Schokolade aber schon, durch ihren Fettgehalt.

6. Keine Verbote formulieren…

…sondern positive Botschaften.

7. Gemüse, Gemüse, Gemüse

Gemüse macht satt und liefert wichtige Nährstoffe. Und Obst natürlich!

8. „Ich mag aber kein Gemüse“

Solche Sätze fallen in einigen Familien. Die Kinder verlangen damit oft Aufmerksamkeit. Wer sie dadurch nicht bekommt, isst vielleicht bald wieder Gemüse. Einfach jeden Tag wieder anbieten und nicht zu einem großen Thema machen.

9. Umstellung Schritt für Schritt

Viele Kinder sind an Säfte gewöhnt, also sollten sie sich langsam umstellen dürfen. Jeden Tag ein Schlückchen mehr Wasser zum Saft geben, so dass Kalorien langsam eingespart werden und die Kinder Zeit haben, sich an den neuen Geschmack zu gewöhnen.

10. Vorbild sein

Wenn die Eltern Blumenkohl essen, werden die Kinder es vermutlich auch irgendwann tun. Wer selbst aber nur Schnitzel isst, wirkt nicht überzeugend, wenn er sein Kind zu Blumenkohl zu überreden versucht.

Diese und mehr praktische Ratschläge gibt es in der Broschüre "Empfehlungen für die Ernährung von übergewichtigen Kindern und Jugendlichen“

Schon die gemeinsame Zeit in der Küche ist wertvoll.
Schon die gemeinsame Zeit in der Küche ist wertvoll.
imago/CTK/CandyBox stock&people
Ein Kind, das sich wiegt. Vielleicht ist es nur gewachsen.
Ein Kind, das sich wiegt. Vielleicht ist es nur gewachsen.
imago/Margit Brettmann Lizenz