Nicht nur schlechte Stimmung Was sind Depressionen und wie werden sie behandelt - Gesundheitsserie der MZ

Halle (Saale) - Eine Depression ist eine gut behandelbare Erkrankung“, sagt Dr. Tim Johannes Krause, Oberarzt an der halleschen Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Doch was passiert mit den Patienten in der Klinik? Wann ist im Falle einer Depression ein Klinikaufenthalt überhaupt nötig? Und welche Therapie-Möglichkeiten gibt es? Der Mediziner, der an der Klinik die Depressionsstation leitet, beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist eine Depression und wie unterscheidet sie sich von schlechter Stimmung?
Schlechte Stimmung ist mit einer Depression nicht gleichzusetzen, sondern kann alltäglich eine ganz normale Reaktion auf belastende Ereignisse oder Lebenssituationen sein. Von einer Depression sprechen wir, wenn die Beschwerden auch im Zusammenhang mit anderen Symptomen auftreten: Eine über mehrere Wochen anhaltende herabgesetzte Stimmung, der Verlust von Freude und Interesse sowie Energie- und Antriebslosigkeit. Charakteristisch bei einer Depression sind zudem eine zu Gewichtsverlust führende Appetitlosigkeit und ausgeprägte Schlafstörungen. Unter Umständen treten Selbsttötungsgedanken auf.
Auf welche Art können sich Depressionen zeigen?
Depressionen können sich auf sehr unterschiedliche Art zeigen. Es gibt Patienten, die sich vorrangig zurückziehen, ihre sozialen Kontakte vernachlässigen und mitunter kaum noch Energie haben, morgens aufzustehen.
Andere Betroffene sind eher rastlos und finden keine Ruhe. In Gesprächen mit ihnen Nahestehenden können sie auch gereizt oder missmutig erscheinen.
Wieder andere Menschen leiden unter verschiedenen körperlichen Beschwerden. Sie klagen über anhaltende Kopf- oder Rückenschmerzen, ohne dass das vollständig durch eine organische Erkrankung zu erklären ist.
Wann muss eine Depression stationär behandelt werden?
Immer dann, wenn mehrere der beschriebenen Symptome auftreten und in der Ausprägung einen bestimmten Schweregrad überschreiten, ist eine stationäre Behandlung angeraten. Dies ist insbesondere dann notwendig, wenn der Alltag nicht mehr allein bewerkstelligt werden kann. Das Auftreten von Suizidgedanken sollte zu einer umgehenden ärztlichen Vorstellung führen.
Was passiert nach der Aufnahme in die Klinik?
Die Mehrheit der Patienten auf unserer Depressionsstation wird geplant nach Einweisung durch einen Hausarzt oder einem Psychiater beziehungsweise Psychotherapeuten aufgenommen. Am Aufnahmetag wird zunächst ein ausführliches Aufnahmegespräch mit dem Arzt oder Psychologen geführt, der dann auch für die weitere Behandlung des Patienten zuständig ist. Außerdem erfolgt eine körperliche Untersuchung durch den behandelnden Arzt. Die weitere Diagnostik beinhaltet umfangreiche Laboruntersuchungen und ein EKG. Zumindest einmalig während des Krankheitsverlaufes sollte auch eine Bildgebung des Kopfes erfolgen. Auf diese Weise können auch seltener auftretende organisch bedingte Ursachen wie beispielsweise entzündliche Veränderungen des Zentralen Nervensystems abgegrenzt werden.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei Depressionen?
Wichtig ist zunächst: Eine Depression ist eine gut behandelbare Erkrankung. Im stationären Rahmen beruht die Behandlung auf mehreren Säulen.
Viele der Patienten sind bereits durch die stationäre Aufnahme entlastet. Es wird damit einerseits anerkannt, dass das vorangegangene Leiden als Erkrankung eingestuft werden kann. Andererseits wird signalisiert, dass Linderung und Genesung mit Hilfe einer Therapie vergleichsweise kurzfristig erreichbar sind.
Was Auslöser einer Depression ist, kann nach Aussage des Mediziners Tim Johannes Krause nicht immer eindeutig festgestellt werden. „Typischerweise gibt es ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren“, sagt er.
Für die Entstehung einer Depression, so Krause, gibt es biologische, psychologische und psycho-soziale Grundlagen.
Biologische Auslöser können Veränderungen in den Hirnbotenstoffen oder genetische Veränderungen sein. Psychologische Grundlagen liegen etwa in bestimmten negativen Denkmustern, die unter Umständen schon in der Kindheit angelegt wurden. Psychosoziale Grundlagen sind etwa negative Lebensereignisse, aber auch Herausforderungen, die eine neue Lebenssituation mit sich bringt - beispielsweise der Wechsel von Studium/Ausbildung in den Beruf oder vom Beruf in die Rente.
Von großer Bedeutung sind sogenannte Co-Therapien wie Musik-, Ergo- oder Sporttherapie. Sie tragen beispielsweise dazu bei, dass Patienten vorher vielleicht verloren gegangenes Selbstvertrauen zurückerlangen.
Zentrales Element ist sowohl im stationären Rahmen als auch bei einer ambulanten Behandlung die Psychotherapie. Damit ist die professionelle Behandlung von Störungsbildern mit psychologischen Mitteln gemeint. Ein grundlegendes Element ist die Psychoedukation. Das heißt, den Patienten wird strukturiert Wissen über ihre psychische Erkrankung vermittelt. Damit können sie zum Beispiel für Frühsymptome der Depression sensibilisiert werden und im Falle einer erneuten depressiven Episode rascher und zielgerichteter reagieren.
Im Rahmen von psychodynamischen Verfahren wie der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie geht es beispielsweise um die Auseinandersetzung mit unbewussten Konflikten. Bei der kognitiven Verhaltenstherapie können zum Beispiel überdauernde negative Gedankengänge bearbeitet werden.
Viele Patienten profitieren auch sehr von Entspannungsverfahren wie dem Autogenen Training oder der progressiven Muskelentspannung.
Und wie wird mit Medikamenten verfahren?
Die medikamentöse Therapie ist ein weiteres zentrales Therapieelement. Antidepressiva sind zumeist gut verträglich. Sie sind auch für die mittel- oder längerfristige Einnahme geeignet und machen nicht abhängig. Eine Linderung einzelner Symptome wie belastende Schlafstörungen ist sehr rasch möglich.
Welche Rolle spielt die Lichttherapie bei Depressionen?
Lichttherapie ist ebenfalls Teil unseres Behandlungskonzeptes. Dabei wird eine spezielle Lichtquelle mit einer großen Beleuchtungsstärke verwendet. Insbesondere bei der saisonal bedingten Depression der dunklen Jahreszeit gibt es für die Lichttherapie einen guten Nachweis der Wirksamkeit. Die Entscheidung, ob sie indiziert und sinnvoll ist, sowie ihre Anwendung sollte Medizinern vorbehalten bleiben.
Wie werden Patienten auf die Zeit nach dem Klinikaufenthalt vorbereitet?
Bereits während der vollstationären Behandlung sind Beurlaubungen im Sinne von Belastungserprobungen möglich. Bei einer Besserung des Befindens kann der stationären eine tagesklinische Behandlung folgen. Das bedeutet, dass die Patienten morgens in die Klinik kommen und bis nachmittags etwa 16 Uhr ein spezifisches Therapieprogramm absolvieren. Der weitere Tag wird zu Hause verbracht.
Wichtig ist, dass mit der Entlassung auch die Art der Weiterbehandlung geklärt ist und entsprechende Termine möglichst feststehen. Für manche Patienten kann es nach längerer Krankheitsphase sinnvoll sein, stufenweise wieder in den Berufsalltag eingegliedert zu werden. Arbeitszeiten und Belastungen werden dann schrittweise gesteigert.
Was ist von Online-Selbsthilfeprogrammen zu halten?
Es gibt eine Vielzahl von Onlineprogrammen zur Selbsthilfe bei Depression. Qualität und Kosten sind recht unterschiedlich. Ich rate, jeweils zu prüfen, inwieweit der Nutzen der Programme belegt ist - etwa durch Studien. In einem Gesamtbehandlungskonzept kann ein gutes Programm ein kleiner Baustein sein. Aber: Keines der Angebote kann die professionelle Behandlung ersetzen. (mz)
