Verdachtsfälle Verdachtsfälle : Wenn das Fieber nach dem Impfen zu hoch wird

Halle (Saale) - Ein wenig Fieber, Schmerzen und Schwellungen an der Einstichstelle, vielleicht Kopfschmerzen. Das sind normale Impfreaktionen, die im Normalfall nach wenigen Tagen verschwunden sind. „Eigentlich sind solche Symptome, die an eine leichte Erkältung erinnern, sogar gut“, sagt Dr. Susanne Stöcker, Sprecherin des Paul-Ehrlich-Institutes (PEI), das unter anderem die Qualität und Wirksamkeit von Impfstoffen prüft. „Sie zeigen nämlich, dass das Immunsystem mit aller Kraft angesprungen ist. Und darauf reagiert der Körper.“
Risikosignale sollen erkannt werden
Doch es gibt auch Reaktionen, die dieses normale Maß überschreiten. Verdachtsfälle solcher Impfkomplikationen werden von den Ärzten über ein Gesundheitsamt oder direkt an das Paul-Ehrlich-Institut gemeldet. Seit Oktober 2012 können auch Betroffene selbst an das PEI melden. Dort wird nach Kriterien, die die Weltgesundheitsorganisation vorgegeben hat, bewertet, ob ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung gesichert, wahrscheinlich, möglich, unwahrscheinlich oder auch wegen fehlender Daten gar nicht zu beurteilen ist.
Das Institut führt übrigens keine Statistik über solche Meldungen. „Ziel ist es vielmehr, frühzeitig sogenannte Risikosignale zu erkennen und entsprechend zu handeln“, sagt Stöcker. Sie erklärt, dass aus langer klinischer Erfahrung bekannt sei, welche Erkrankungen in bestimmten Altersgruppen besonders häufig auftreten. „Wenn nun in dieser Altersgruppe eine solche Krankheit im Zusammenhang mit einem bestimmten Impfstoff wesentlich häufiger auftritt, als es zu erwarten wäre, dann ist das so ein Risikosignal“, sagt Stöcker. Und dann werde geprüft, ob es möglicherweise Probleme mit der Impfstoff-Charge gibt, oder ob die Betroffenen vielleicht Vorerkrankungen haben, die vorher niemand beachtet hat, die nun aber in Kombination mit dem Impfstoff von Bedeutung sind.
Viele Möglichkeiten zu reagieren
Die Möglichkeiten des PEI, darauf zu reagieren, sind vielfältig. Sie reichen von einem Hinweis auf der Packungsbeilage, dass in sehr seltenen Fällen diese oder jene Reaktion ausgelöst werden kann, bis hin zur Widerrufung der Zulassung des Impfstoffs. Stöcker erzählt von einem Vorfall, der bereits mehr als 15 Jahre zurückliegt. Damals kam ein vom Hersteller weiterentwickelter Impfstoff gegen die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) auf den Markt. Ticovac hieß er. Der Stabilisator Humanalbumin und der Konservierungsstoff Thiomersal waren entfernt worden. Zunächst sah das wie ein Fortschritt aus - umstrittene Zusatzstoffe waren ja nicht mehr enthalten.
Doch bei einer großen Zahl von Menschen löste die Impfung bis zu 40 Grad Fieber aus. Kinder bekamen Fieberkrämpfe. Damals ordnete das PEI eine Indikationseinschränkung im Hinblick auf die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen an. Bei Nachforschungen des Herstellers stellte sich dann heraus, dass es durch den fehlenden Stabilisator zu einer extremen Reaktion des Immunsystems gekommen war. Das Institut verlangte, diesen dem Impfstoff wieder zuzusetzen. Nachdem das geschehen war, musste das Pharmaunternehmen den Impfstoff noch einmal gründlich prüfen und die Neuzulassung beim Paul-Ehrlich-Institut beantragen. Er kam dann unter einem neuen Namen auf den Markt. Die Zulassung von Ticovac wurde vom Unternehmen zurück gegeben.
40 Anträge auf Anerkennung eines Impfschadens
Verfahren zur Anerkennung von Impfschäden laufen übrigens nicht über das PEI, sondern über die Bundesländer. Das für Sachsen-Anhalt zuständige Landesverwaltungsamt teilte auf Anfrage der MZ mit, dass es hierzulande in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 40 Verfahren zu Anträgen auf Anerkennung eines Impfschadens nach dem Infektionsschutz-Gesetz durchgeführt wurden. Dabei gab es in 33 Fällen eine Ablehnung. Sieben Fälle seien jedoch noch offen - zum Beispiel weil Klageverfahren nicht abgeschlossen sind. (mz)