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Wein mal anders Ungewohnt in Farbe und Geschmack: Orange, Naturwein und Co.

Trüb, bernsteinfarben oder mal ein ganz anderer Geschmack – wer bei der Weinbestellung mutig ist, kann Neues entdecken. Natur- und Qvevri-Weine etwa brechen mit Erwartungen. Doch was steckt dahinter?

Von Christiane Meister-Mathieu, dpa 04.03.2025, 00:05
Dreimal Trend im Glas: Weißer Qvevri, Orange Wine und trüber Naturwein.
Dreimal Trend im Glas: Weißer Qvevri, Orange Wine und trüber Naturwein. Christin Klose/dpa-tmn

Köln - Rot, weiß und vielleicht auch rosé - in manchen Restaurants ist die Weinauswahl überschaubar. In anderen kann die Karte eine Herausforderung sein. Neben weniger gängigen Rebsorten finden sich dort auch Kategorien wie Naturwein, Orange Wine und Qvevri-Wein. Wer sich auf das Abenteuer einlässt, wird überrascht: Ein Wein ist naturtrüb, ein anderer leuchtet bernsteinfarben oder ungewöhnliche Aromen steigen in die Nase.

Naturwein im Trend?

Über den Begriff „Trend“ möchte Surk-ki Schrade nicht sprechen. „Seit Jahren höre ich, Naturwein sei ein Trend“, sagt sie. Die Kölnerin betreibt im Stadtteil Ehrenfeld seit 2009 die Naturweinhandlung „La Vincaillerie“ und ist in Deutschland Pionierin der Szene. Diese ist gewachsen, aber eine Nische geblieben. Manche, erzählt Schrade, möchten einen möglichst naturnahen Wein zu trinken. Andere sind auf der Suche nach dem ungewöhnlichen Geschmack.

„Es geht um die Machart, die Philosophie, nicht um einen bestimmten Geschmack. Naturwein ist reiner vergorener Traubensaft. Nichts rein – nichts raus.“ Je nach Definition ist minimaler Schwefeleinsatz erlaubt, andere Zusätze nicht. Auf dem Weinberg wird außerdem ökologisch oder biodynamisch gearbeitet. „Die Weine sind frei von synthetischen Pestizidrückständen.“

Geschmack von klassisch bis ganz anders

Das Ergebnis sind Weine, die mal dem klassischen Geschmacksbild entsprechen, mal davon abweichen: „Es kann auch vorkommen, dass sie ein bisschen muffen“, sagt Schrade. „Dann hilft es, das Glas durchzuschwenken.“ Der Effekt ähnele dann dem, wie wenn man ein stickiges Zimmer lüfte.

Als Schrade 2009 die Weinhandlung eröffnete, fand sie in Deutschland kein Weingut, das Naturwein produzierte. Das hat sich inzwischen geändert – gerade jüngere Winzerinnen und Winzer versuchen sich an dieser Art der Weinherstellung.

Weinwelt wird vielfältiger

Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut (DWI) begrüßt das: „So wird die Weinwelt vielfältiger.“ Er sieht aber auch allgemein eine Bewegung hin zu mehr Natürlichkeit. „In den 80er-Jahren hat man sehr viel prozessintensiver gearbeitet. Wein wurde im Keller gemacht“, sagt Büscher. „Heute gilt die Philosophie, dass die Qualität im Weinberg entsteht.“

Er sieht in dieser Trendwende auch die Ursprünge für die Naturwein-Bewegung. Trotzdem ist für den Wein nicht egal, was im Keller passiert. „Man spricht gerne vom kontrollierten Nichtstun“, sagt Büscher. Das heißt nicht, dass man den Wein immer ganz sich selbst überlässt. „Man muss genau hinschauen und gegebenenfalls eingreifen, wenn sich der Wein in die falsche Richtung entwickelt.“

Ausbau beeinflusst den Geschmack

Auch die Art, wie der Wein ausgebaut wird, beeinflusst den späteren Geschmack – etwa die Entscheidung, ob der Wein im Stahltank oder im Holzfass reift. Ein weiterer Faktor ist die Maischestandzeit. Das ist die Zeit, in der die angepressten Trauben vor der Gärung Kontakt mit dem Most haben. Das kann man sich vorstellen wie ein Teebeutel im Wasser – je länger er zieht, desto intensiver werden Farbe und Geschmack.

Bei der Rotweinproduktion geht die Maischestandzeit nach einigen Tagen in eine Maischegärung über. Dann werden noch mehr Farbstoffe aus den Beerenschalen gelöst und der Traubenmost, der allmählich zum Wein wird, färbt sich rot. Roséwein entsteht, wenn rote Schalen schneller vom Most getrennt werden und dieser sich nur leicht färbt. Für die Weißweinbereitung presst man die Trauben in der Regel ohne längere Standzeiten direkt aus.

Bernsteinfarbener Orange Wine

Und was passiert, wenn man Weißweintrauben ähnlich herstellt wie einen Rotwein, also Traubenschalen und Most länger beisammen und miteinander vergären lässt? Dann entsteht ein Wein, dessen Farbe manche als Orange, andere als Bernstein beschreiben. Die Rede ist dann von Orange Wine.

Surk-ki Schrade hat beobachtet, dass Naturwein-Winzer in Deutschland erst einmal auf Orange Wine gesetzt haben. „Ich habe sie gefragt, warum sie das machen. Das ist nicht gerade der Weinstil, nach dem oft gefragt wird.“ Die Antwort: Bei längerem Schalenkontakt lösen sich auch Polyphenole aus den Schalen. Das sind natürliche Antioxidantien.

Da sie den Schwefel, der den Wein stabilisiert, stark reduzierten oder ganz wegließen, hofften die Winzerinnen und Winzer, die Haltbarkeit zu erhöhen. „Inzwischen haben sie das Vertrauen, dass das auch ohne lange Maischezeit klappt“, sagt Schrade.

Orange ist nicht gleich Naturwein

Weil aber die Geschichte von Natur- und Orange Wine hierzulande so miteinander verwoben ist, werden die beiden Begriffe bis heute –fälschlicherweise – synonym verwendet. Im Deutschen Weingesetz ist außerdem keiner der Weinstile definiert.

Anders als Naturwein hat Orange Wine ein klareres Geschmacksprofil. Durch den längeren Kontakt mit den Schalen enthält er genau wie Rotwein Tannine, die die Struktur des Weines verändern.

„Statt klarer Fruchtaromen, wie man sie von Weißweinen kennt, überwiegen oftmals würzige, nussige oder auch leicht oxidative Noten“, sagt Ernst Büscher. Er empfiehlt Orange Wine zum Essen, etwa zu Käse. Leicht gekühlt, aber immer noch etwas wärmer als Weißwein.

Alte Tradition aus Georgien

Patrick Honnef, lange Zeit Leiter eines Châteaus in Bordeaux, musste sich an den Geschmack gewöhnen. 2009 trank er in Georgien seinen ersten Orange Wine. „Ich kann nicht sagen, dass ich begeistert war“, erinnert er sich. Er vergleicht es mit Austern, die die wenigsten Menschen auf Anhieb mögen. „Damals passte der Wein nicht in meine Erfahrungswelt.“

Vier Jahre später zog Honnef nach Georgien und produziert heute auf dem Château Mukhrani selbst Orange Wine. Allerdings wird der Weinstil in Georgien „Amberwein“ genannt – also bernsteinfarbener Wein. Und der hat dort Tradition. Seit 8000 Jahren wird in dem Land nachweislich Weinbau betrieben. Georgien gilt deshalb auch als „Wiege des Weins“.

Qvevri: Wein aus Tongefäßen

Georgien ist außerdem berühmt für Qvevri-Weine. Qvevris sind Tongefäße, die fest in die Böden der Weinkeller eingelassen sind. Dort hinein werden die geernteten Trauben gefüllt und zerstampft. Dann bleibt alles zusammen über Monate in den Gefäßen.

Nur die Weine aus den weißen Trauben sind dann auch Amberweine. Und weil es hier wieder um die Farbe geht, können sie auch ganz modern im Stahltank produziert werden – wichtig sei nur der lange Kontakt zur Maische, erklärt Honnef. Auch wenn die erste Begegnung holprig war, schwärmt der Winzer inzwischen vom Amberwein.

Viele verschiedene Aromen

„Diese Weine haben eine große Aromenvielfalt – von Honig über Trockenfrüchte bis zu verschiedenen Kräutersorten“, sagt er. Außerdem entwickle sich der Wein jede Stunde weiter. „Das ist wie mit einem guten Gemälde. Wenn man davorsteht, entdeckt man auch immer wieder etwas Neues.“

Eigentlich, das sagen alle drei Expertinnen und Experten, müssten Orange bzw. Amberweine sich stärker als eigene Weinfarbe durchsetzen – neben weiß, rot und rosé. „Das würde uns dann auch von traditionellen Geschmackserwartungen befreien“, sagt Honnef.

Am Ende greifen sowohl Orange- als auch Naturweine Geschmacksbilder auf, die eine lange Tradition haben. Und die wird gerade von vielen wiederentdeckt.