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Seelenschmerz Seelenschmerz: Emotionen helfen beim Trauern

Von Miriam Braun 18.11.2007, 21:16

Halle/MZ. - In einem Prozent der Fälle sterben trauernde Hinterbliebene dem Partner sogar nach. Psychologen sprechen vom "Kummer-Effekt". Die Auseinandersetzung mit dem Verlust und das Zulassen von Emotionen können bei der Trauer helfen.

Kummer-Effekt

"Der Tod einer nahestehenden Person bedeutet für den eigenen Organismus größtmöglichen Stress und macht dem Immunsystem enorm zu schaffen", erklärt Chris Paul vom Trauer-Institut in Bonn. Deswegen gehört der "Kummer-Effekt" zu den psychosomatischen Beschwerden. Die Gefahr, dass man durch die Trauer körperlich krank wird, ist besonders groß, wenn die durch den Verlust ausgelösten Emotionen nicht ausgedrückt werden. Oft können sich Betroffene aufgrund der äußeren Umstände nicht dem Trauerschmerz hingeben. Da müssten dann die Beerdigung organisiert oder die Kinder versorgt werden, so die Trauerbegleiterin Chris Paul. Hält man sich zu sehr zurück, entsteht seelischer Druck, der sich dann auch körperlich äußern kann.

Die Trauer zu verdrängen, ist daher keine Lösung. "Betroffene ziehen sich schnell zurück und lassen Emotionen nicht zu, um anderen nicht lästig zu sein", erklärt Arnold Langenmayr, Professor für Motivationspsychologie an der Universität Duisburg-Essen. "Meist handelt es sich um Menschen, die ohnehin Kontaktschwierigkeiten haben und ein schwaches soziales Netzwerk." Da falle das Vorbeugen schwer, denn nur regelmäßig einen Sozialarbeiter vorbeizuschicken, bringe diese Menschen noch nicht zum Reden.

Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Wobei bei Männern der Gefährdungszeitpunkt nach einem halben Jahr vergeht, während Frauen bis zu zwei Jahre nach dem Todesfall noch in Gefahr sind. Entgegen der üblichen Erwartung sind nicht hauptsächlich ältere Personen betroffen, sondern Menschen mittleren Alters. "Denn die trifft ein Schicksalsschlag meist unerwartet", erklärt Langenmayr. "Plötzliche Todesfälle sind schwerer zu verarbeiten als Tode, die sich beispielsweise aufgrund einer Krankheit lange abzeichnen."

Man kann darüber reden, Gläser an die Wand schmeißen, schreien und weinen oder Tagebuch schreiben. Wichtig sei es, sich zu erlauben, so lange zu trauern, wie man die Trauer empfindet, sagt Tania Konnerth, Betreiberin der Webseite www.zeitzuleben.de. Es helfe, sich Trauerzeiten einzurichten, also Zeiten, in denen man sich ganz dem Schmerz hingeben kann. In dieser Phase kann der Trauernde zum Beispiel alte Fotos sortieren oder auf den Friedhof gehen.

Angehörige der Trauernden sollten geduldig sein: "Ein offenes Ohr zu haben und gemeinsam im Erzählen den Toten zu erleben, kann helfen", erklärt Anette Kersting von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Münster. "Oft haben die weiteren Angehörigen nur selber Angst vor der eigenen Konfrontation mit dem Thema Tod." Die Dauer der Trauer ist individuell. Und es sollte ihr so viel Raum wie nötig eingeräumt werden.

Auch helfe es, die Trauernden mit praktischer Hilfe zu entlasten. "Man kann Einkäufe erledigen, mal die Kinder zur Schule bringen oder mit ihnen einen Ausflug machen", sagt Chris Paul. "Ohne Druck und alles nur als Angebot für den Trauernden." Wichtig sei es, jede Hilfe aktiv anzubieten: "Dem Betroffenen zu sagen 'Ruf du an, wenn du Hilfe brauchst', reicht nicht", sagt Paul. Es gelte, aktiv nachzufragen, ob Hilfe benötigt wird.

"Wichtig ist, dass Betroffene nicht in ihrem Trauerprozess stecken bleiben und weiterhin in der Lage sind, ihren Alltag alleine zu meistern", sagt Kersting. Wird über Wochen und Monate schlecht gegessen, nichts eingekauft oder zu wenig geschlafen, sollten Angehörige auf Angebote wie Trauerbegleitung, Trauergruppen, Foren im Internet oder Ratgeberbücher hinweisen, rät Chris Paul.

Schwieriger Alltag

"Es ist sehr hilfreich für einen Trauernden, wenn er oder sie das Gefühl hat, mit dem Schmerz angenommen zu werden", sagt Tania Konnerth. Früher haben Witwen monatelang schwarz getragen und jeder wusste sofort Bescheid. "Demzufolge gab es auch soziale Unterstützung", erklärt die Psychologin Anette Kersting. Heute stellt das Umfeld nach einem halben Jahr das Verständnis ein. "Die Schnelllebigkeit unserer heutigen Gesellschaft ist für Trauerprozesse leider nicht gerade vorteilhaft", sagt Chris Paul.