Reiz im Zwerchfell Reiz im Zwerchfell: Tricks gegen den Weltrekord im Dauerschluckauf
Wiesbaden/Berlin/dpa. - Dem Kalifornier Jack O'Leary half keiner. Sein Schluckauf, der 1948 begonnen hatte, endete erst 1956. Die Heilung soll O'Leary schließlich auf sein gutes Verhältnis zum heiligen Judas zurückgeführt haben. Was aber hilft denjenigen, die keinen so guten Draht «nach oben» haben?
Schluckauf - Mediziner sprechen von Singultus - ist die Folge einer Reizung des so genannten Nervus Phrenicus, welcher die Zwerchfellmuskeln aktiviert. Schluckauf entsteht durch plötzliches, reflexartiges Zusammenziehen des Zwerchfells, erklärt Kirsten Reinhard, Ärztin beim AOK-Bundesverband in Bonn. Der Luftstrom der Atemluft wird dann aber durch plötzliches Verschließen der Stimmritzen blockiert. «Und die Folge ist dann das typische Schluckaufgeräusch, das Hicksen.»
Ein gewöhnlicher Schluckauf ist zwar lästig, meistens aber harmlos. «Zum Arzt sollte man gehen, wenn der Schluckauf gar nicht aufhört, das heißt, wenn er über Stunden andauert», rät Reinhard. Ist Schluckauf mit anderen Beschwerden - beispielsweise Sodbrennen verbunden - sollte ein Arzt konsultiert werden.
Den Ursprung des Schluckaufs vermuten Wissenschaftler in der Entwicklung des ungeborenen Kindes: Schluckauf sei ein abgebrochener Atemversuch, bei dem sich die Stimmritzen rechtzeitig schließen, bevor das Fruchtwasser der Gebärmutter in die Lunge eindringen kann. Auf diese Weise werde die Atemmuskulatur trainiert, bevor es nach der Geburt darauf ankommt, den Körper mit Luft zu versorgen.
Wie der Fall des Jack O'Leary zeigt, gibt es unendlich viele Tipps gegen das unangenehme Hicksen. Und viele wirken auch, schließlich sind sie seit Jahrtausenden erprobt. Wie wäre es also mit Nase zuhalten, Pfeffer durch die Nase einatmen, Zucker schlucken, Essig trinken oder an der Zunge ziehen? Sich erschrecken lassen, laut singen, Luft anhalten, an sieben glatzköpfige Männer denken oder Eis essen gelten ebenfalls als sichere Schluckauf-Stopper.
«Das Wichtigste bei allen Methoden ist, dass die Konzentration auf etwas anderes gelenkt wird», sagt der Allgemeinmediziner Dieter Schwochow aus Berlin. Gut helfen sollen auch Folgendes: Kaltes und Warmes trinken oder in eine Tüte atmen und die ausgeatmete Luft wieder einatmen. Schließlich sorgt unser Atemreflex dafür, dass wir wieder ohne Tüte tief Luft holen und die Atmung sich normalisiert.
Ursachen für harmlosen Schluckauf sind oft zu schnelles Essen, sehr kalte oder heiße Speisen, zu viel Alkohol sowie stark kohlensäurehaltige Getränke. «Eine häufige Ursache ist ein Zwerchfellbruch mit Rückfluss von Magensaft in die Speiseröhre, der zu Irritationen der umliegenden Gewebe einschließlich der Nerven führt», erklärt Prof. Christian Ell, Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin der Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) in Wiesbaden.
«Bei chronischen Schluckaufpatienten muss man aber auch ausschließen, dass Tumore im weitesten Sinne dahinter stehen», sagt Ell. Gegebenenfalls müsse der Arzt der Ursache mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung des Bauchraums, einer Magenspiegelung oder einer Computertomographie auf den Grund gehen.
Weil die Ursache für das Hicksen auch im Gehirn liegen kann, ist unter Umständen sogar das Messen der Hirnströme (EEG) notwendig. Hartnäckiger häufiger Schluckauf kann beispielsweise auf Schilddrüsenerkrankungen, Lymphknotenveränderungen, Lebererkrankungen oder auf Wandaussackungen der Bauchschlagader hindeuten. Bei einem chronischen Schluckauf kommt es daher auf die Behandlung der Grunderkrankung an. Gegen das Hicksen selbst helfen notfalls aber auch Medikamente, die auf das zentrale Nervensystem einwirken.
Versagen alle Mittel, geht es Betroffenen aber in den seltensten Fällen so schlecht wie Charles Osborne aus dem US-Bundesstaat Iowa. Er ist dem Guinness-Buch der Rekorde zufolge der Weltrekordhalter im Dauerschluckauf. Schätzungsweise 430 Millionen Mal hickste Osborne zwischen 1922 und 1990. Als er ein Schwein vor dem Schlachten wiegen wollte, setzte der Schluckauf ein. Scheinbar ohne Grund hörte er erst 68 Jahre später wieder auf. Anfangs hickste Osborne 40 Mal pro Minute, später nur noch halb so häufig. Ein Jahr, nachdem der Schluckauf endete, starb Osbourne im Alter von 97 Jahren.