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Qual über Wochen Qual über Wochen: Keuchhusten macht Erwachsenen zu schaffen

Von Gisela Gross 15.12.2015, 08:55
Eine Impfung schützt etwa zehn Jahre vor Keuchhusten.
Eine Impfung schützt etwa zehn Jahre vor Keuchhusten. dpa Lizenz

Nicht enden wollende Hustenattacken über Wochen und Monate, manchmal bis zum Erbrechen. Wenn dann bei Kindern die typischen keuchenden Geräusche hinzukommen, ist klar: Das muss Keuchhusten sein. Doch das Bild von der Kinderkrankheit war einmal. Der Erreger macht jetzt vor allem Erwachsenen zu schaffen - das namensgebende Symptom haben diese Patienten aber nicht immer, wie Experten berichten. Ärzte vermuten manchmal zunächst andere Ursachen.

Nicht auf Dauer immun

Dabei sieht es mit dem Schutz vor Keuchhusten, der im Herbst und Winter etwas häufiger vorkommt als im Rest des Jahres, bei vielen mau aus: „Die Impfquoten müssen verbessert werden“, sagt Infektionsexpertin Wiebke Hellenbrand vom Robert Koch-Institut in Berlin. Während inzwischen rund 95 Prozent der Vorschulkinder gegen die sogenannte Pertussis geimpft sind, sieht es bei Jugendlichen und Erwachsenen schlechter aus.

Ausrotten lässt sich die Krankheit wahrscheinlich nie: Selbst wer Keuchhusten durchgemacht hat, ist nicht dauerhaft immun, anders als zum Beispiel bei Masern. Auch die Impfung schützt maximal zehn Jahre, was seit einigen Jahren bekannt ist.

Gerade die Erwachsenen vergessen das Auffrischen. „Da, wo nicht geimpft oder nicht aufgefrischt wird, sieht man ganz deutlich, dass wir mehr diagnostizierte Fälle im Erwachsenenalter haben als früher“, sagt der Lungenspezialist Thomas Voshaar von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. „Das bedeutet für jeden Arzt, dass bei hartnäckigem Husten auch an Pertussis zu denken ist.“

Angesichts fehlender Impfung, 16 Tagen Fieber zu Beginn und heftiger Hustenattacken habe seine Hausärztin schnell kombiniert, berichtete ein Keuchhusten-Patient. Das Keuchen jedoch kenne er von sich nicht. Seit Wochen hat er nach eigenen Worten einen Hustenreiz, der ihm Tag und Nacht zu schaffen macht. „Man ist sozial nicht mehr kompatibel“, sagte er. Schon Lachen oder Treppensteigen löse die nächste Attacke aus. „Und nichts hilft.“

Nicht immer werde Erwachsenen der Kombi-Impfstoff verabreicht, der neben dem gefürchteten Wundstarrkrampf auch vor Keuchhusten schütze, wie Expertin Hellenbrand sagte. Für Jugendliche und Erwachsene ist der sogenannte 100-Tage-Husten immerhin meist nur lästig. Bei ungeimpften Säuglingen kann es zu Atemstillständen kommen und schlimmstenfalls zu tödlichen Komplikationen. Neuen Studien zufolge seien es meist Geschwister, die Säuglinge ansteckten, sagt Hellenbrand.

Insgesamt liegen die Impfquoten bei Jugendlichen und Erwachsenen laut Hellenbrand in den östlichen Bundesländern höher als in den westlichen. Dort ist die Aufmerksamkeit größer, auch weil es schon länger eine Meldepflicht gibt. Bundesweit wurde diese erst 2013 eingeführt. Die Daten sind damit noch wenig aussagekräftig: Rund 10 450 Fälle 2013 und rund 12 300 im Jahr 2014 wurden dem Rober-Koch-Institut gemeldet. Damit liegen die Zahlen zum Beispiel deutlich über denen der Masern-Welle mit 2 445 Patienten im Jahr 2015. Dabei werden im Westen wohl noch gar nicht alle Keuchhusten-Patienten erfasst: „Das dauert einfach bei einer neuen Meldepflicht“, sagte Hellenbrand.

Zumindest für Säuglinge zeichnet sich aber ein neuer, indirekter Schutz ab: In Großbritannien und den USA würden auch Schwangere geimpft, weil sich damit das Erkrankungsrisiko der Säuglinge deutlich verringere, berichtete Hellenbrand. „Die Beobachtungen dazu sind aber nicht abgeschlossen.“

Antibiotika helfen nicht

Keuchhusten wird von Bakterien ausgelöst: Nicht der Erreger selbst macht krank, sondern ein von ihm abgesondertes Gift. Antibiotika hätten auf den Verlauf der Erkrankung zwar keinen nachgewiesenen Einfluss, erläuterte Lungenexperte Voshaar. Würden sie innerhalb von zwei Wochen nach der Ansteckung verabreicht, verkürze sich wohl der Zeitraum, in dem Patienten ihr Umfeld anstecken könnten. „Und auch das ist wissenschaftlich noch gar nicht 100 Prozent sicher.“

Hellenbrand zufolge ist die frühe Diagnose nicht selbstverständlich. Das dürfte gerade für Raucher oder Allergiker gelten, die oft mit Husten zu kämpfen haben. Wenn der Keuchhusten aber nachgewiesen sei, bleibe Ärzten kaum etwas, als den Hustenreiz erträglich zu machen, wie Voshaar sagt. „Das ist für die Betroffenen gar nicht so einfach. Ich habe welche gesehen, die nach drei bis sechs Monaten noch immer gehustet haben.“ (mz)