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  7. Psychische Belastung durch Nachbarn: Streit, Lärmbelästigung und gesundheitliche Folgen - Was man tun kann

Streit unter Nachbarn Gesundheitliche Folgen durch Nachbarschaftslärm - Was man tun kann

Wenn der Nachbar Krach macht, kann das schonmal an den Nerven zerren - besonders dann, wenn es häufiger laut wird. Im schlimmsten Fall kann Lärm sogar gesundheitliche Folgen haben. Was man tun kann, wenn der Nachbar Krach macht, erfahren Sie hier.

Von DUR/dpa/Britta Schmeis Aktualisiert: 29.01.2024, 13:50
Wenn viele Menschen in einem Haus wohnen, wird es auch mal laut. Lärmbelästigung kann im schlimmsten Fall gesundheitliche Folgen haben. 
Wenn viele Menschen in einem Haus wohnen, wird es auch mal laut. Lärmbelästigung kann im schlimmsten Fall gesundheitliche Folgen haben.  Symbolfoto: dpa/dpa-tmn | Franziska Gabbert

Wuppertal/Marburg - Es gibt unterschiedliche Nachbarschaftsverhältnisse: Manche Nachbarn bekommt man kaum mit, andere grüßt man gerne im Treppenhaus oder vor der Haustür. Es kann aber auch sein, dass das Verhältnis zu Nachbarn schwierig ist - etwa dann, wenn Krach und Lärm Überhand nehmen. Das kann sogar gesundheitliche Folgen haben. 

Was man tun kann, wenn der Nachbar zu laut ist, erfahren Sie hier.

Was tun, wenn Nachbarn keine Ruhe geben?

"Ständiger Lärm ist eine extreme Belastung für den Menschen und kann krank machen", sagt Psychologie-Dozent Andreas Homburg von der Philipps-Universität in Marburg. Lärm und Gerüche können nachbarschaftliche Verhältnisse mitunter auf eine harte Probe stellen.

"Gerade bei Hundegebell kommt die eigene Hilflosigkeit zu dem störenden Lärm hinzu", gibt Homburg zu bedenken. Haben die Herrchen ihr Tier nicht im Griff oder wollen nicht einschreiten, verliert man selbst die Kontrolle.

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"Auf Dauer werden die Betroffenen apathisch, lethargisch und ziehen sich immer mehr zurück, weil sie sich dem ständigen Lärm machtlos ausgeliefert fühlen", berichtet der Diplom-Psychologe Heiko Sill aus Potsdam. Viele fühlten sich dann in den eigenen vier Wänden nicht mehr wohl, fügt Homburg hinzu. Das sei eine enorme Einschränkung der Lebensqualität.

Was tun bei Lärm durch Nachbarn?

Dabei ist die Belastungsintensität keine Sache von Dezibel. "Was jemand als störenden Lärm empfindet, ist sehr individuell und subjektiv und hängt eng damit zusammen, welches Verhältnis man zu der Lärmquelle hat", erklärt der Psychologe Prof. Gert Kaluza aus Marburg. Wer seinen Nachbarn mag, kann abendliche Fingerübungen am Klavier besser ertragen, als der, der sich ständig mit ihm streitet.

Deswegen plädieren die Psychologen für gute soziale Beziehungen innerhalb einer Hausgemeinschaft. "Am besten stellt man gleich zum Einzug klar, was einen möglicherweise stört und wie der eigene Tages- und Schlafrhythmus ist", rät Homburg. Denn auch wenn die Hausordnung gewisse Ruhezeiten vorschreibt, sind individuelle Absprachen oft sinnvoller.

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Sollte man die Polizei rufen, wenn die Nachbarn zu laut sind?

Auf keinen Fall sollte allzu schnell die Polizei gerufen oder der Vermieter informiert werden. "Erst sollte man den direkten Kontakt zum Nachbarn suchen, alles andere wird als Schwäche ausgelegt", empfiehlt Sill. Und Homburg ist überzeugt, dass man sich mit einem nächtlichen Anruf bei der Polizei selbst keinen Gefallen tut. "Danach ist nämlich für viele nicht mehr an Schlaf zu denken."

Kaluza rät außerdem, die eigene Einstellung zu überprüfen. "Nervt mich das Klavierspiel der Nachbarin vielleicht nur, weil ich selbst kein Klavier mehr habe oder das eigene Spiel vernachlässige? Oder empfinde ich den Nachbarn ständig als übermäßig laut, weil ich eigentlich schon lange ein eigenes Haus haben will, statt in einer Mietswohnung zu wohnen?"

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Auch der Rechtsanwalt Christian Kotz aus Siegen weiß nur allzu gut, dass viele Nachbarschaftsstreitereien ganz andere Ursachen haben als der tatsächliche Lärm. "Wenn Mandanten zu uns kommen, ist das Kind oft schon in den Brunnen gefallen", sagt Kotz. Seine Aufgabe sei es in diesen Fällen weniger, die juristischen Möglichkeiten aufzuzeigen, als zwischen den "Streithähnen" als Mediator zu vermitteln."

In 20 bis 25 Prozent der Fälle steckt tatsächlich eine psychische Belastung durch den ständigen Lärm hinter den Beschwerden, in den restlichen Fällen sind es in der Regel notorische Querulanten."

Wie viel Lärm muss ich vom Nachbarn ertragen?

Auf keinen Fall sollten man den Groll über die lärmenden Nachbarn, die stinkende Mülltonne oder spielende Kinder auf dem Hof zu groß werden lassen. "Das bedeutet nur zusätzlich Stress", warnt Homburg.

Er empfiehlt eine Doppelstrategie: "Zum einen sollte man sich gut überlegt beschweren, zum anderen auch darüber nachdenken, welche Gegenmaßnahmen in der eigenen Macht stehen. So kann man im Fall von viel Straßenlärm auch überlegen, wie man beispielsweise eine Stadt dazu bringt, in der Straße Tempo 30 einzuführen."

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Der Gesetzgeber ist zwar bemüht, durch Lärmschutzbestimmungen und vorgeschriebene Ruhezeiten die Bürger vor dem krankmachenden Lärm zu schützen, doch greifen die Vorschriften eben nicht immer.

"Die Regel Zimmerlautstärke ist doch sehr flexibel und individuell interpretierbar", gibt Sill zu bedenken. Deswegen lautet sein Plädoyer: "Null Toleranz und wehret den Anfängen." Nur so ließen sich gesundheitliche Folgen des "Lärmmülls" vermeiden.

Wie lange dürfen Nachbarn laut sein?

In Sachsen-Anhalt beziehen sich die gesetzlichen Ruhezeiten auf die Quelle des Lärms. Allgemein gilt: In der Zeit von 22 bis 7 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen ist Ruhezeit. Dazu kommt eine Mittagsruhe mit der Kernzeit zwischen 13 und 15 Uhr.

In dieser Zeit sind laute Musik, Feierlichkeiten Bohren, Maschinenbetrieb und andere laute Tätigkeiten zu unterlassen. Auch für den Samstag, der wie ein Werktag behandelt wird, gilt eine Nachtruhe ab 22 Uhr. Für motorisierte Gartengeräte gibt es eine Erweiterung der Ruhezeit.

Mehr Informationen zum Thema finden Sie in dem Artikel: Ruhezeiten: Was gilt für Arbeitslärm und Musik?

Wie laut darf der Nachbar tagsüber sein?

Als Richtwerte gelten 40 Dezibel für tagsüber und 30 Dezibel für die Nacht. Aber: Wenn es hart auf hart kommt, wird immer eine individuelle Betrachtung der Gesamtsituation vorgenommen.

Was fällt alles unter Ruhestörung?

Die gesetzliche Definition von Ruhestörung beschreibt das Verursachen von Lärm, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderen zu schädigen und das ohne berechtigten Anlass oder in einem unzulässigen oder vermeidbaren Ausmaß.

(Information: Der ursprüngliche Artikel stammt aus dem Jahr 2005.)