Na dann, gute Nacht Na dann, gute Nacht: Schlafmediziner aus Halle klärt über Schlafmythen auf

Halle (Saale) - Schäfchen zählen, Gesundheitsschlaf, Alkohol als Schlummertrunk - rund um das Thema Schlaf ranken sich zahlreiche Mythen. Was ist dran an den immer wieder gehörten Sprüchen über die Nachtruhe?
Dr. Steffen Schädlich, Schlafmediziner und Leitender Oberarzt der Klinik für Innere Medizin II am Krankenhaus Martha Maria in Halle-Dölau, hat sie für die Mitteldeutsche Zeitung auseinandergenommen. Der Schlaf vor Mitternacht ist der Beste. Das ist, wie Steffen Schädlich erklärt, in dieser Absolutheit nicht richtig.
„Hintergrund dieser Aussage ist, dass die ersten Stunden des Nachtschlafs deutlich wichtiger sind als der Schlaf in den Morgenstunden“, erläutert er. Die erste Schlafphase sei eine Tiefschlafphase. „Und der Tiefschlaf ist für die körperliche Erholung wichtig“, betont der Mediziner.
Diese erste Schlafphase ist also Voraussetzung dafür, dass der Mensch ausgeruht und leistungsfähig den nächsten Tag beginnen kann. „Ob sich allerdings jemand um 22 Uhr ins Bett legt oder erst nach Mitternacht, das ist dabei unerheblich“, sagt Schädlich.
Schäfchenzählen hilft beim Einschlafen. Dem stimmt der Mediziner uneingeschränkt zu. „Wobei es nicht unbedingt Schäfchen sein müssen“, sagt er.
Es gehe darum, monotone, beruhigende Dinge zu tun, um aus dem Stress des Tages in einen ruhigen, entspannten Rhythmus zu kommen, abzuschalten, runterzukommen. „Da helfen Entspannungsübungen gleich welcher Art“, sagt er.
Was aber, wenn im Bett die Gedanken weiter um ein Problem des Tages kreisen? „Dann sollte der Betroffene das Problem auf einem Zettel notieren, wenn möglich Lösungsvorschlage hinzufügen und dieses Papier außerhalb des Schlafzimmers aufbewahren“, rät Steffen Schädlich. Er schwört auf diese Methode.
Das Handy auf dem Nachttisch stört den Schlaf. „Ein Handy, das die ganze Nacht über irgendwelche Signale sendet, etwa brummt oder andere Geräusche von sich gibt, stört definitiv das Einschlafen und den Schlaf“, sagt Schädlich.
Zumal wenn in der Folge danach gegriffen werde um nachzuschauen, welche Nachrichten da gerade eingetroffen sind. Er empfiehlt, das Mobiltelefon aus- oder in den Nacht- oder Ruhemodus umzuschalten.
Der Mediziner verweist darauf, dass Handys oder Tablets in noch ganz anderer Hinsicht die Nachtruhe stören können. Wer kurz vor dem Schlafengehen oder direkt im Bett auf das Display schaut - egal ob er ein Spiel spielt oder E-Mails checkt - der wird unter Umständen um den Schlaf gebracht. Nicht wegen des aufregenden Inhalts, sondern wegen des blauen Lichts, dem er sich aussetzt.
In den Smartphones sind Leuchtdioden, LEDs, verbaut, die das Display aufhellen, aber eben einen hohen Anteil blauen Lichts aussenden. „Dieser Blauanteil, der direkt das Auge erreicht, unterdrückt die Produktion des Schlafhormons Melatonin“, erläutert Schädlich. Das führe dazu, dass Betroffene schlechter einschlafen und ihre Schlafeffizienz nachlässt.
Der Ausweg: Wer selbst im Bett von Handy oder Tablet nicht loskommt, der soll auf dem Gerät den Nachtmodus aktivieren. Dadurch wird der Blauanteil des Lichts reduziert - auch wenn das Display dann in rötlichen Tönen und nicht mehr ganz so klar erscheint.
Alkohol ist der beste Schlummertrunk. Das Gläschen in Ehren will auch der Schlafmediziner niemandem verwehren. Ein kleines Bier, ein kleines Glas Wein oder Sekt, ein ganz kleiner Schnaps förderten das Einschlafen. Aber mehr sei nicht ratsam, sagt Steffen Schädlich.
Es seien die Abbauprodukte, die entstehen, wenn der Körper den Alkohol verarbeitet, die die Genießer im weiteren Verlauf der Nacht schlecht schlafen und am morgen mit einem „Kater“ aufwachen lassen. Hinzu kommt, dass gerade der Biertrinker große Flüssigkeitsmengen zu sich nimmt. „Er muss in der Nacht mehrfach aufstehen, weil die Blase drückt“, sagt Schädlich. Das störe den Schlaf zusätzlich.
Ein voller Bauch schläft nicht gern. Sich kurz vor dem Schlafengehen den Bauch vollschlagen? Keine gute Idee. „Der Körper wird dann in einer anderen Region auf Leistung getrimmt, um zu verdauen“, sagt der Mediziner.
„Er muss Energie produzieren, um die Nahrung aufzuspalten, und ist nicht in der Lage, Ruhe zu finden und in den Schlaf zu kommen“, fügt er hinzu. Und je schwerer und umfangreicher die Mahlzeit, desto schlechter. Schädlichs Fazit: „Es ist besser, eine Mahlzeit auszulassen als einen Schlaf.“
Sport am Abend stört den Schlaf. „Das ist richtig“, sagt Steffen Schädlich. Gemeint seien die letzten zwei Stunden vor dem Schlafengehen. „Jegliche erhebliche körperliche Aktivität aktiviert das Herz-Kreislauf-System“, erklärt er.
Es dauere etwa zwei Stunden, bis der Körper wieder auf Normalmaß runterreguliert sei. Deswegen sei ein Ausdauerlauf, bei der die Belastungsgrenze erreicht wird, in dieser Zeit nicht ratsam. Wobei auch hier gilt: Keine Regel ohne Ausnahme. „Wer bisher nach dem abendlichen Joggen und Duschen gut einschlafen kann, der soll das ruhig beibehalten“, sagt Schädlich. Das alles gelte übrigens auch für den Genuss von Kaffee, Cola oder Energydrinks.
Jeder Mensch braucht acht Stunden Schlaf. „Der Erwachsene braucht im Schnitt sieben Stunden und 15 Minuten Schlaf“, sagt Steffen Schädlich. Um auf diese Zeit zu kommen, sei es vernünftig, sich täglich acht Stunden für das Schlafzimmer zu reservieren, weil nicht jeder gleich einschlafe. Der eine lese, der andere habe Sex.
„Es gibt nur ganz wenige Menschen, die dauerhaft mit weniger Schlaf auskommen oder umgedreht mehr Schlaf brauchen“, betont er.
Ein älterer Mensch braucht weniger Schlaf. „Das ist definitiv falsch“, sagt der Mediziner. Der Schlafbedarf sei ab dem 20., 22. Lebensjahr gleichbleibend. Bei den älteren Menschen ändere sich jedoch die Struktur des Schlafes. Er verweist darauf, dass viele aufgrund verschiedener Erkrankungen schlechter schlafen, etwa wenn die Gelenke schmerzen.
Die Nachtruhe ist häufiger unterbrochen. „Viele ältere Herrschaften nutzen dann die Möglichkeit eines Mittagsschlafes“, sagt Schädlich. „Das heißt, wenn sie am Tag eine Stunde schlafen, dann brauchen sie in der Nacht nur noch sechs Stunden und 15 Minuten.“ Aber die Gesamtzeit ändere sich auch im hohen Alter kaum.
Der Mensch kann sich gesundschlafen. „Wer einen grippalen Infekt mit sich herumschleppt, der gehört ins Bett“, betont Schädlich. Er erklärt, dass der Schlaf eine wichtige Funktion für das Immunsystem hat, das ja gegen die Erreger kämpft. Das wird vor allem in der Tiefschlafphase gestärkt.
Schädlich verweist auf Impfstudien, in denen nachgewiesen wurde, dass diejenigen, die nach einer Impfung wach bleiben mussten, weniger Antikörper produzierten als diejenigen, die danach schlafen durften.
Schlafmangel, so fährt der Mediziner fort, könne generell erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit und Widerstandskraft haben. Herz-Kreislauferkrankungen oder psychische Störungen seien an erster Stelle zu nennen. Aber neuere Daten legten nahe, dass zu wenig gesunder und erholsamer Schlaf auch Tumorerkrankungen begünstige.
Gut schlafen heißt durchzuschlafen. Kommt darauf an, was man darunter versteht. „Es ist ein Mythos zu glauben, dass es gut ist, morgens so aufzuwachen wie man sich abends hingelegt hat“, sagt der Schlafmediziner. Sich zu drehen sei wichtig. Wer immer auf der gleichen Stelle liege, der laufe selbst bei einer guten Matratze Gefahr, Druckgeschwüre zu bekommen.
Bis zu 20 Mal ändere der Mensch im Schlaf seine Lage. „In der Regel merkt er aber nichts davon“, sagt Schädlich. Die dadurch entstehende Wachphase dauere maximal zehn Sekunden. Danach sei sie aus dem Gedächtnis gelöscht. Es gebe aber auch Menschen, die brauchten bis zu 30 Sekunden, um wieder einzuschlafen und könnten sich später auch an die Situation erinnern. Auch das sei normal und bedeute nicht, dass der Betroffene schlecht geschlafen hat. „Der Schlaf“, so sagt Schädlich, „ist eben keine ganz kontinuierliche Sache.“
Seine Botschaft: „Der Schlaf ist genau so wichtig wie essen und trinken.“ Ihm gebühre mehr Aufmerksamkeit. „Wir müssen achtsam mit ihm umgehen. Schlaf ist keine unnütze oder vertane Zeit.“ (mz)