Multiple Sklerose Multiple Sklerose: Wenn «M» und «S» ein Leben ändern
Halle (Saale)/MZ. - Immer wieder dieses Kribbeln in den Händen. Taubheitsgefühle und Müdigkeitsanfälle erschweren den Alltag. Diese Symptome können Vorboten für eine unheilbare Krankheit sein. Ihr Name: Multiple Sklerose (MS). Wenn MS diagnostiziert wird, ändert sich schlagartig das Leben des Erkrankten, obwohl die Lebenserwartung bei effektiver Behandlung häufig nicht geringer ist als bei gesunden Menschen. Doch die entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems, die häufig im frühen Erwachsenenalter beginnt, kann zu schweren Behinderungen führen. Ausgelöst durch Schübe.
Dabei führen mehrere solcher Entzündungsherde im Gehirn und Rückenmark zu Störungen bei der Verbreitung von Signalen an den Körper. Nach einem Schub kann eine Rückkehr der normalen Funktion eintreten. Schlimmstenfalls vernarbt das entzündete Nervengewebe und der Rollstuhl wird zum ständigen Begleiter.
Allein in Sachsen-Anhalt sind etwa 3 500 bis 4 000 Menschen an MS erkrankt. Drei Viertel der Betroffenen sind Frauen. Viele Gerüchte und Ängste werden mit der Krankheit verbunden. So auch das Vorurteil, dass junge Frauen mit MS nach der Geburt ihres Kindes an den Rollstuhl gefesselt sind. "Das Risiko im Wochenbett Schübe zu bekommen, ist zwar höher. Eine Schwangerschaft ohne Komplikationen ist aber trotzdem möglich", sagt Wilhelm Faßhauer, Landesvorsitzender der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) in Halle. "Es ist alles möglich, man muss die Menschen nur gut beraten", weiß seine Frau Edeltraud Faßhauer.
Von sieben auf 1 000 Mitglieder
Vor 30 Jahren bekam die heute 63-Jährige selbst die schockierende Diagnose. Sie hat sich nicht aufgegeben und gelernt, mit den Folgen zu leben. Die pensionierte Oberärztin der Blutkrebs-Abteilung im Elisabeth-Krankenhaus in Halle hilft zudem anderen Betroffenen, ihr Leben mit MS zu meistern. Und das schon seit 24 Jahren. Weil "die Gefahr besteht, dass Betroffene sehr schnell vereinsamen", wie Wilhelm Faßhauer weiß, gründeten beide 1987 mit sieben Mitgliedern die erste MS-Selbsthilfegruppe in Halle. Damals sogar die erste auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts. Jetzt sind mehr als 1 000 Mitglieder und 38 Selbsthilfegruppen im Landesverband der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft mit Sitz in Halle organisiert.
Aufklärung ist das A und O
Hilfe zur Selbsthilfe, austauschen, aufklären hat wie damals auch heute höchste Priorität. Denn neben dem Beseitigen von Vorurteilen ist es für Erkrankte ebenso von Bedeutung zu wissen, in welchen Spezialkliniken sie sich am besten behandeln lassen können. Welche Medikamente es gibt und welche Therapien die Schübe und Schmerzen lindern. Noch vor 50 bis 60 Jahren gab es nichts als Kortison für die Krankheit. Heutzutage hat sich gerade bei der Therapie von MS einiges getan. Dabei wird zwischen Akut- und Langzeitbehandlung unterschieden. Erstere zielt auf die Behandlung direkt nach einem Schub ab, letztere soll dafür sorgen, dass Schübe gar nicht erst oder vermindert auftreten. Die Schlüsselwörter heißen deshalb Krankengymnastik und Wärmetherapie. "Sicher ist es mühsam, ein bis zwei Mal wöchentlich zur Therapie zu gehen. Aber man muss sich aktiv der Krankheit stellen", sagt Edeltraud Faßhauer. Nur so bleibe ein großer Teil der Lebensqualität erhalten.
Vorsicht vor Scharlatanen
Allerdings gibt es neben seriösen Behandlungsmethoden auch schwarze Schafe, die das Leid der Betroffenen ausnutzen. "Es gibt Scharlatane, die mit Nahrungsergänzungsmitteln Erkrankte in den finanziellen Ruin treiben", sagt Wilhelm Faßhauer. Dabei hat Multiple Sklerose wenig mit richtiger oder falscher Ernährung zu tun. "Es ist keine Stoffwechselerkrankung", weiß Edeltraud Faßhauer. Trotzdem gelten für MS-Patienten die selben Ernährungsgrundsätze wie bei gesunden Menschen: "Ganz wichtig ist es, nicht zu rauchen und auf übermäßigen Alkoholkonsum zu verzichten." Diesen Rat gibt Faßhauer, die auch im Bundespatientenbeirat sitzt, inzwischen der dritten Generation von MS-Betroffenen weiter. "Für manche bin ich schon so etwas wie ihre Oma", sagt sie. Die Jüngsten sind 15 Jahre alt und interessieren sich am meisten für den Berufseinstieg trotz Krankheit.
Ältere Erkrankte hingegen benötigen laut Faßhauer häufig Unterstützung bei der Beantragung des Schwerbehindertenausweises. Eines gibt sie jedoch allen mit auf den Weg, nämlich, dass "das Leben auch mit MS schön ist."