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Mondsucht Mondsucht: Schlafwandler sind nicht sicher unterwegs

04.08.2010, 11:49
Bei Kindern ist Schlafwandeln nichts Schlimmes - bei Erwachsenen kann allerdings eine ernstzunehmende neurologische Störung dahinter stecken. (FOTO: DPA)
Bei Kindern ist Schlafwandeln nichts Schlimmes - bei Erwachsenen kann allerdings eine ernstzunehmende neurologische Störung dahinter stecken. (FOTO: DPA) tmn

Berlin/dpa. - Die gängige Vorstellung vom Schlafwandlerlässt viele schmunzeln: Da krabbelt jemand nachts aus dem Bett,tapst im Dunkeln mit ausgestreckten Armen in Haus und Garten umherund kehrt schließlich völlig unversehrt ins Bett zurück, ohne vonseinem Ausflug überhaupt etwas mitbekommen zu haben. Doch so lustigist Schlafwandeln nicht: Die vermeintliche schlafwandlerischeSicherheit gibt es nicht, betonen Mediziner. Und bei Erwachsenenkann die Somnambulismus genannte Schlafstörung sogar aufErkrankungen des Gehirns hindeuten. Sie sollten daher umgehend einenArzt aufsuchen.

20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland leiden nach eigenenAngaben unter unerholsamem Schlaf. Mediziner kennen 110 verschiedenedefinierte Schlaf-Wach-Störungen, eine davon ist der Somnambulismus,der zur Untergruppe der Parasomnien gezählt wird. Parasomnien sindSchlafstörungen, die beim Erwachen, beim teilweisen Erwachen oderbei Schlafstadienwechsel auftreten und den Schlafprozessunterbrechen. Leider werde das Phänomen etwas vernachlässigt, sagtDieter Kunz, Chefarzt der Abteilung Schlafmedizin am St.Hedwig-Krankenhaus in Berlin. Nur wenige Schlafmediziner undNeurologen befassten sich mit der Erforschung seiner Ursachen undBehandlungsmöglichkeiten.

Etwa 30 Prozent der Kinder und 1 Prozent der Erwachsenenschlafwandeln, erläutert Kunz. Bei Kindern tritt das Phänomen oft inder Pubertät auf und kann mehr oder weniger stark ausgeprägt sein.Bei manchen äußert es sich so, dass sie sich nur kurz im Schlafaufsetzen. «Das bekommen viele gar nicht mit.» Man vermute, dass ein«Ausreifungsdefizit des Gehirns» dahinter steckt, erläutert derSchlafforscher. Dieses «mismatch» - das sind Fehlverschaltungen derNervenzellen im Gehirn - wachse sich meist bis zum 25. Lebensjahraus. Bei den Betroffenen tritt das Phänomen danach nicht mehr auf.

Beim Schlafwandeln werden laut Kunz in der Tiefschlafphasemotorische Programme abgerufen, die nicht beabsichtigt sind. Ein«Abschaltmechanismus», der im Schlaf normalerweise dieSkelettmuskulatur lahmlegt, funktioniere nicht, ergänzt Uwe Meier,Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Neurologen in Krefeld.«Dann laufen wir herum.» Dessen sind sich die Menschen, dieschlafwandeln, nicht bewusst. Sie haben bei ihren nächtlichenAusflügen daher keine Angst - was riskante Handlungen während desSchlafwandelns erklärt, aber nicht bedeutet, dass Schlafwandlernunterwegs nichts passieren kann. «Die traumwandlerische Sicherheitgibt es nicht», betont Kunz.

Eltern schlafwandelnder Kinder sollten daher Vorkehrungentreffen, dass sich die Kinder bei ihren Ausflügen nicht verletzen.Dazu gehört, gefährliche Gegenstände aus dem Kinderzimmer zu räumensowie Außentüren und Fenster vorsichtshalber zu verschließen.Hilfreich können auch kleine Barrieren sein - zum Beispiel gespannteFäden mit einer Glocke oder Lichtschranken, die einen Alarm auslösenund die Eltern wecken, sobald die Kinder ihr Bett verlassen.

Wichtig ist, schlafwandelnden Kindern ruhig zuzusprechen und siewieder ins Bett zu legen. Keinesfalls sollte man sie wecken, rätKunz. Sie schlafen anschließend weiter und wissen am Morgen nichtsmehr von den aufregenden Ereignissen der Nacht. Und auch die Elternsollten ruhigbleiben - auch wenn sie sich angesichts ihrer imDunkeln herumtappenden Kinder enorm aufregen. «Schlafwandeln ist beiKindern nichts Schlimmes», betont Kunz. «In aller Regel wächst essich aus.»

Anders sieht die Lage jedoch aus, wenn Schlafwandeln erstmals beiErwachsenen auftritt, sagt Prof. Jürgen Zulley, Leiter desSchlafmedizinischen Zentrums am Bezirksklinikum Regensburg. «Es kannmit bestimmten Anfallsleiden verwechselt werden», erläutert derSchlafforscher. Und es könnte auf Verwirrtheitszustände hindeuten.«Wenn ein Erwachsener zum ersten Mal schlafwandelt, sollte er daherzum Neurologen gehen, um andere Erkrankungen auszuschließen.»

Laut Kunz kann Schlafwandeln bei Erwachsenen auch eineNebenwirkung von eingenommenen Psychopharmaka sein. Es sei auchnicht ganz auszuschließen, dass andere schwerere Erkrankungen wieein Hirntumor dahinterstecken. Auch er rät daher dazu, möglichstschnell ein neurologisch-psychiatrisches Schlaflabor aufzusuchen undder Sache auf den Grund zu gehen.

Dort lasse sich auch abklären, ob es sich nicht tatsächlich umeine sogenannte REM-Schlafverhaltensstörung handelt. Anders alsSchlafwandeln tritt sie in der Traumphase des Schlafes auf, undmanche Symptome sind recht ähnlich: Betroffene sind nachts unruhig,sprechen im Schlaf, kämpfen oder fallen aus dem Bett - allerdingsmit dem Unterschied, dass sie sich am Morgen zumeist sehr gut daranerinnern, so Kunz. Eine REM-Schlafverhaltensstörung könne «ein sehrfrühes Anzeichen» für Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer undDemenz sein.

Hinweis: «Schlafhygiene» gegen nächtliches Wandeln

Therapeutisch lässt sich gegen Schlafwandeln nicht viel tun.Eltern können den nächtlichen Ausflügen ihrer Kinder jedoch mit«Schlafhygiene» vorbeugen. Uwe Meier vom Berufsverband DeutscherNeurologen rät zu einem stabilem Schlaf-Wach-Rhythmus, regelmäßigemZubettgehen und wenig äußeren Reizen vor dem Schlafen, um dasSchlafwandeln zu vermeiden. Denn Schlafmangel und Stress können beiMenschen, die zum Schlafwandeln neigen, Auslöser sein. Helfenkönnten etwa Einschlafrituale. «Wenn es feste Rituale gibt, lerntdas Kind: Das ist jetzt eine Situation, in der ich schlafen kann.»Das Gehirn werde entsprechend konditioniert. Alles, was vor demSchlafen «aufputscht», sollte vermieden werden - zum BeispielFernsehen.